Im Frühjahr 2025 wählen die Beschäftigten der DB AG ihre Vertreter:innen in den Aufsichtsräten. Was bedeutet das genau, warum ist diese Wahl wichtig? Wir werfen einen Blick ins Innenleben der Unternehmensmitbestimmung - mit drei Kolleginnen, die sich für verschiedene Gremien zur Wahl stellen: Heike Moll, Nadja Houy und Saskia Borchert.
Heike, Saskia, Nadja - was werden in den kommenden fünf Jahren die wichtigsten Themen in den Unternehmen sein, in denen ihr kandidiert?
Nadja: Das wären ganz klar der Zusammenhalt des Konzerns, die Wirtschaftlichkeit - und das bedeutet auch, genau hinzusehen: Wie werden Gelder ausgegeben, was wird wie strukturiert? Für mich liegt die Zukunft der Schiene in einem integrierten Konzern und dies muss auch im Aufsichtsrat von der Arbeitnehmerbank zum Wohle der Mitarbeitenden mitgestaltet werden. Klimawandel und leere Taschen werden die Herausforderung in Verbindung mit der immer wiederkehrenden Behauptung, die Zerschlagung wäre die Lösung aller Probleme – was einfach Unsinn ist.
Saskia: Ich kandidiere bei der DB Fahrzeuginstandhaltung und ein Riesenthema bei uns ist der Fachkräftemangel. Wir haben einerseits viele ältere Kolleg:innen und andererseits sind viele junge nachgekommen. Aber das mittlere Segment fehlt so komplett. Hinzu kommt: An vielen Standorten haben wir mit Konkurrenz zu kämpfen, mit der Autoindustrie, mit Rüstungsfirmen, aber auch mit kleineren Unternehmen, die gut ausgebildete Eisenbahner mit Kusshand nehmen. Da müssen wir mit unseren Werken bestehen.
Heike: Ich sehe für den Konzern-Aufsichtsrat vier Schwerpunkte. Das Thema Erhalt des Integrierten Konzerns kommt auf uns zu, das ist unser alleroberstes Thema. Das zweite ist uns auch nur zu gut bekannt, das ist die Finanzierungsfrage. Welche Mittel bekommen wir, welche nicht. In engem Zusammenhang dazu steht das Thema Struktur. Es geht ja wahnsinnig viel derzeit in die InfraGo.
Aber was ist die eigentliche Zielstruktur des Konzerns? Und dann, ganz klar: Nachwuchsgewinnung gegen den Personalmangel. Wenn in dieser Situation eine Zahl einfach so in den Raum geworfen wird, dass 30.000 Stellen abgebaut werden, dann hilft uns das überhaupt nicht.
Inwiefern kann die Mitbestimmung über die Aufsichtsräte bei diesen Themen nützen?
Saskia: Wir haben über den Aufsichtsrat einen wichtigen Hebel. Zielvereinbarungen für Vorstände sind ein sehr gutes und wirkungsvolles Instrument, um ein Unternehmen in die richtige Richtung zu bewegen. Wenn du Vorständen was in die Zielvereinbarung schreiben kannst, dann legen die schon Wert darauf, dass das auch passiert.
Heike: Du kannst im Aufsichtsrat immer wieder auf wunde Punkte hinweisen, immer wieder nachfragen, anstoßen. Stichwort Personal: Da müssen wir auch vorausdenken - wir haben bei der Bahn Berufe, in denen die Leute vier bis fünf Jahre brauchen, bis sie ausgebildet sind. Stichwort Finanzierung: Im Konzernaufsichtsrat sitzen ja auch Vertreter des Bundes. Dass man da nicht sagt „Das habt ihr aber wieder gutgemacht“, wenn es kein Geld gibt – die Freiheit nimmt man sich dann schon. Ein Vorstand agiert immer ein bisschen genauer, wenn er im Aufsichtsrat angesprochen wird, als wenn das zwischen Tür und Angel passiert.
Zielvereinbarungen für Vorstände sind ein sehr gutes und wirkungsvolles Instrument, um ein Unternehmen in die richtige Richtung zu bewegen.
Aufsichtsrätin zu sein, ist ein anspruchsvolles und verantwortungsvolles Mandat. Was reizt euch persönlich daran, es zu übernehmen?
Nadja: Ich möchte meine Möglichkeiten nutzen, mitzugestalten. Verantwortung, ja, aber diese erlebe ich tagtäglich für alle Mitarbeitenden in meinem Wahlbetrieb und darüber hinaus, mit den Aufgaben, denen ich mich bisher schon stelle. Es liegt mir einfach am Herzen, meine Erfahrungen einzubringen. Die Vernetzung zwischen Betriebsrat und Aufsichtsrat ist wichtig - und eine Beteiligung der Holding-Einheiten, die Aufgaben für alle Geschäftsfelder im Konzern erledigen, ist eins der Päckchen, die ich mitbringe für das Gremium. Man könnte auch sagen: der Blick über den Tellerrand und die Sicht auf das Zusammenspiel im Konzern.
Saskia: Persönlich geht es mir darum, Einfluss nehmen zu können. Ich bin Betriebsrätin, ich bin im Gesamtbetriebsrat, aber der Aufsichtsrat ist nochmal eine andere Ebene. Die Vorstände und Geschäftsführer nehmen dich dann anders wahr.
Heike: Verantwortung zu übernehmen, Gestaltungswillen zu haben. Ich will das, was ich im Aufsichtsrat erfahre, mit dem Wissen aus dem Konzernbetriebsrat übereinanderlegen. Ist uns das bekannt, sind da noch Dinge versteckt? Damit nicht ein Weg eingeschlagen wird, der unseren Kolleg:innen schaden könnte.
Für viele Kolleg:innen bei der DB ist dies das erste Mal überhaupt, dass sie einen Aufsichtsrat wählen. Wie erklärt ihr ihnen, dass es sinnvoll ist, zur Wahl zu gehen?
Nadja: Jede Wahl ist wichtig! Wir haben das große Glück in einem Land zu leben, das eine solche Mitbestimmung hat und diese sollten alle nutzen. Jede Wahl mit einer hohen Beteiligung zeigt auch das Interesse von allen und stärkt den Gewählten den Rücken für alle Herausforderungen und Auseinandersetzungen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen.
Saskia: Seine Meinung kundzutun, indem man die Stimme abgibt, ist für mich oberste Bürgerpflicht. Das andere ist, dass man auch nur dann wirklich ernst genommen wird, wenn man mit breitem Kreuz in eine Sitzung gehen kann. Und das geht nur, wenn man viele Menschen hinter sich versammelt weiß.
Heike: Ich würde noch dazu setzen, dass die Wahl bei uns ja über die Gewerkschaftsliste erfolgt. Und das ist die Möglichkeit zu sagen: Wir zeigen Flagge und wir positionieren uns. Man kann nur sagen, bitte geht zur Wahl, nur so könnt ihr Einfluss nehmen. So können wir, die wir gewählt worden sind, die Flagge zeigen und sagen: nicht mit uns. Oder eben: Ok, damit können wir leben.
Vielfalt hat noch keinem Gremium geschadet.
Stichwort Kolleginnen: Gibt es für euch eine spezifisch weibliche Herangehensweise an die Mitbestimmung auch auf Unternehmensebene? Wird anders diskutiert, anders entschieden?
Nadja: Ich bin mir nicht sicher, wie es ohne weibliche Beteiligung ist, aber vermutlich ist der Ton ein anderer. Aber eins ist doch klar, Vielfalt hat noch keinem Gremium geschadet. Es belebt den Austausch und sorgt für unterschiedliche Sichtweisen. Daher geht es nicht nur um die Geschlechtervielfalt, sondern auch um den guten Mix aller Mitglieder. In den Gremien, in denen ich dabei sein darf, wird diskutiert und nicht immer gibt es auf Anhieb einen Konsens, aber es ist ein sachliches und inhaltliches Streiten um die beste Lösung.
Saskia: Ich denke, das ist mehr eine Frage des Charakters als des Geschlechts. Man sagt, Frauen seien auf Ausgleich bedacht und wollen eher gemeinsam zu einem Ergebnis kommen. Aber eigentlich ist das ja Gremienarbeit, dass man diskutiert, um gemeinsam zu einer Entscheidung zu kommen.
Heike: Ich schließe mich an: Das kommt auf jeden Menschen einzeln an. Ich glaube nicht, dass Frauen sanfter herangehen oder härter, das liegt immer an der Person. Manchmal denken die Herren sogar, wir sind zu ruppig im Ton. Aber das bringt der Job manchmal so mit sich. Was wir alle sein müssen, ist: verdammt gute Teamplayer.