Sie spielen eine wichtige Rolle für Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben: die Schwerbehinderten-Vertrauenspersonen (SBV). Drei Tage lang haben sie intensiv auf der ersten Fachtagung in Erfurt viel Wissen und Erfahrungen ausgetauscht sowie viele neue Erkenntnisse gewonnen.
Ob Eingliederung, Gleichstellung, Barrierefreiheit oder der generelle Umgang mit Beschäftigten, die körperlich/geistig eingeschränkt sind: in fast allen Bereichen ihrer ehrenamtlichen Arbeit gibt es laufend Veränderungen. Das betrifft gesetzliche Regelungen, arbeitsbedingte Veränderungen oder die gesundheitliche Situation von Betroffenen selbst. Das große Thema Barrierefreiheit war nicht nur in der Theorie ein Thema, sondern wurde sogar praktisch umgesetzt. Über die gesamte Dauer der Tagung wurden alle Wortbeiträge und Diskussionen 1:1 von zwei extra abgestellten Gebärdendolmetscherinnen für einen teilnehmenden Kollegen ohne Gehör übertragen. In Vorträgen, Themen-Workshops und auch Diskussionsrunden, auf und neben der Bühne, gab es immensen Gesprächsstoff. Dazu beigetragen haben neben unseren kompetenten SBVen auch eingeladene Fachleute, u.a. der Bundesagentur für Arbeit, des Bundesministeriums für Arbeit, der FH Erfurt oder dem Institut für berufliche Qualifizierung.
Konsens aller Teilnehmenden ist, wie wichtig die SBV für die/den Kolleg:innen mit Behinderung sind. Parallel ist es bedeutsam, dass sich Betroffene den speziell geschulten Interessenvertreter:innen mit ihren Sorgen und Nöten anvertrauen. „Diese Menschen bringen einzigartige Fähigkeiten, Talente und auch Resilienz mit. Ihre Potenziale bleiben noch zu oft ungenutzt, nicht wegen mangelnder Qualifikationen, sondern wegen Vorurteilen!“, betonte Nina Blumenthal, Vorstandsekretärin der stellvertretenden Vorsitzenden Cosima Ingenschay. Fundierte Studien hätten das ergeben. Deswegen sollten Betroffene offen und selbstbewusst damit umgehen. Sie haben mit den SBVen starke Partner an ihrer Seite, um Lösungen für sie und mit ihnen zu finden. „Ohne Eure Arbeit wäre es viel schwieriger, Barrieren abzubauen“, hob Blumenthal das Engagement der vielen ehrenamtlich tätigen SB-Vertrauenspersonen hervor.
Laut Umfragen bringen Schwerbehindertenvertreter:innen im Schnitt 31 Prozent ihrer Zeit dafür auf, um für Menschen mit Behinderungen (MmB) faire und gerechte Arbeitsbedingungen durchzusetzen, bzw. zu erhalten. Ein Tagungsteilnehmer brachte es so auf den Punkt: „Als SBV brauchen wir Superkräfte!“ In Erfurt wurde deswegen für flexiblere Freistellungsmöglichkeiten durch die Arbeitgeber appelliert. Nicht zu vergessen: Für den eigenen Broterwerb müssen die SBV parallel ihren beruflichen Anforderungen zu 100 Prozent nachkommen.
Auch hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Kritik an die Arbeitgeber zu richten und Lösungen für individuelle Fälle aus der Praxis einzufordern. So würden Führungskräfte oft durch fehlende Sozialkompetenz und geringes Einfühlungsvermögen „glänzen“. In der Konsequenz würden viele Betroffene aus Angst vor Stigmatisierung darauf verzichten, ihre anerkannte (nicht sichtbare) Beeinträchtigung anzugeben. Sie fürchteten um ihre berufliche Existenzgrundlage. Ein Vertreter der DB AG räumte Nachholbedarf bei einigen Themen ein. Er nehme viele Impulse mit, wie beispielsweise gemeinsamen Schulungen von Führungskräften mit SB-Vertrauenspersonen.
In den Gesprächen war auch die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen großes Thema. Zu häufig würden Arbeitgeber:innen Betroffene nachrangig behandeln. Häufigstes gesellschaftlich-geprägtes Vorurteil sei „ungenügende Qualifizierung“. Aber das Gegenteil ist der Fall! So würden Studien zeigen, dass vielfältige Teams kreativere und innovativere Lösungen entwickeln als andere.
Fazit: Das Engagement der Schwerbehinderten-Vertreter:innen kann herausfordernd sein, bietet aber große Chancen; für Betroffene wie für Arbeitgeber:innen. Die Handlungsspielräume der SBV sind vielfältig. Mittlerweile etabliert sich zunehmend die Künstliche Intelligenz als Assistenzsystem bei der Eingliederung. Dennoch ersetzt sich nicht, was Betroffene im (Erst-) Gespräch mit ihren Interessenvertreter:innen suchen: absolutes Vertraulichkeit, Datenschutz und Wertschätzung (ohne Vorurteile).
Drei Tage lang ging es in Erfurt inhaltlich zur Sache. Alle Anwesenden wünschen sich solch eine intensive Form der Wissensvermittlung und des -austausches in regelmäßigeren Abständen. „Dies wird uns dauerhaft stärker machen, faire und gute Arbeitsbedingungen für Betroffene zu schaffen, zu erhalten und zu kreieren".