Auf insgesamt fünf Fachkonferenzen zum Thema Arbeitszeit haben wir den arbeitszeitpolitischen Grundansatz der EVG noch einmal klar herausgearbeitet.
Auf der Konferenz in Braunschweig betonte Alexandra Wagner vom Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt, welche Risiken zu lange Arbeitszeiten und ungünstige Arbeitszeitlagen mit sich bringen.
Gesundheitliche Beschwerden würden mit der Länge der Arbeitszeit tendenziell zunehmen - die Folgen sind häufig Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit oder Niedergeschlagenheit. Daher sei die Arbeit der Betriebsräte von besonderer Bedeutung, betonte sie.
EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel bestätigte diese Studien aus der Erfahrung und betonte, wie wichtig die Themen Arbeitszeit und Arbeitsbelastung für die Kolleginnen und Kollegen seien. „Unregelmäßige Arbeitszeiten sind eine Belastung und unsere Betriebsräte haben die Möglichkeiten, daran etwas zu ändern“.
Daher rücke das Thema Arbeitszeit bei der EVG auch weiter in den Fokus. „Wir kommen aus einem engen Regelungsmechanismus, aber die Rahmenbedingungen und die Menschen haben sich geändert“, betonte Hommel. Aber auch die Beschäftigten sind mündig und können eigene Wünsche äußern. „Wenn wir jetzt nicht mitreden, verlieren wir Gestaltungsmacht“.
Es müsse eine sinnvolle Verbindung von tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen hergestellt werden, fuhr Hommel fort. Daher müssten die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes und auch das Initiativrecht genutzt werden. Dabei stehen die Punkte Individualität / Mitgestaltung (auch durch die Mitarbeiter), Planbarkeit und Verlässlichkeit sowie die Belastungsreduzierung weiterhin im Fokus.
Nach einem Überblick von Ingo Naumburger, EVG-Gewerkschaftssekretär im Bereich Mitbestimmung, über die arbeitsrechtlichen Normen haben die Teilnehmer in zwei Workshops ihre Erkenntnisse und Erfahrungen ausgetauscht. Die Schwerpunkte lagen dabei im Schicht- und Wechseldienst sowie bei den Themen Neue Arbeitsformen, Telearbeit, flex@work, Crowdsourcing und Teilzeitarbeit.
Auf der zweiten Fachkonferenz am Dienstag in Leipzig haben wir den arbeitszeitpolitischen Grundansatz der EVG noch einmal klar herausgearbeitet.
„Wir ziehen uns aus dem Arbeitszeitthema nicht zurück“, so EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel. „Sondern wir entscheiden gemeinsam neu, was wir künftig noch im Tarifvertrag und was wir auf betrieblicher Ebene regeln.“ Das bedeute keine Schwächung, sondern „im Gegenteil eine Stärkung unserer gemeinsamen Position, die Zufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen zu steigern.“
Für den Arbeitgeber sei ein relativ starres System leichter zu lenken, so Hommel weiter. Deshalb sei es wichtig, die beiden Regelungsebenen - Tarifvertrag und betriebliche Regelungen - möglichst eng zu koppeln, damit der Arbeitgeber keine Regelungslücken ausnutzen kann.
„Ich als Betriebsrat bin froh, dass die EVG nicht alles für mich regelt - damit würde mir Verhandlungsmasse weggenommen werden“, so Michael Bartl, Moderator der Veranstaltung und selbst Betriebsrat. „Wir als Betriebsräte müssen uns unserer Einflussmöglichkeiten und unserer Kraft bewusst werden. Was ich von der EVG erwarte, ist, dass sie uns flankiert.“
Eingangs hatte Alexandra Wagner vom Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt noch einmal den gesellschaftspolitischen Hintergrund unseres Handelns aufgezeigt. Die gesetzlichen Regelungen fördern Varianz und Flexibilität der Arbeitszeiten, gleichzeitig verlieren tarifliche Regelungen an Reichweite. „Die Individualisierung der Lebensentwürfe und Lebenslagen nimmt zu. Das bedeutet eine unübersichtliche Gemengelage für die betriebliche Interessenvertreter.“
Einen besonderen Akzent setzte Gunnar Rothenburg, Betriebsratsvorsitzender DB Vertrieb Berlin/Rostock. Er schilderte ein besonderes Modell der Dienstplangestaltung, das in seinem Wahlbetrieb praktiziert wird. Hier wird jeder Dienstplanentwurf in Teammeetings mit den Beschäftigten diskutiert. Die Kolleginnen und Kollegen können in diesen Meetings individuelle Änderungswünsche einbringen, die anschließend eingearbeitet werden. Erst danach wird der Dienstplan dem Betriebsrat vorgelegt. „Wir fragen so also regelmäßig die Interessen der Kolleginnen und Kollegen ab“, so Gunnar Rothenburg. „Wir übergeben damit ein Stück unseres Mitbestimmungsrechtes an diejenigen, für die wir es ausüben.“ Ein Weg, der sich bewährt: Die Zufriedenheit der Beschäftigten mit den Dienstplänen ist seit Jahren gestiegen.
Die erste von drei Fachkonferenzen zur Arbeitszeit in Nürnberg hat bereits gezeigt, dass die EVG die richtigen Themen besetzt. Mit dem Komplex Arbeitszeit und soziale Gestaltung von Dienst- und Einsatzplänen haben wir den Nerv vieler Beschäftigter getroffen.
Rund 50 Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Betrieben unseres Organisationsbereiches waren dafür am Montag nach Nürnberg gekommen.
Mitgestalten heißt: die Initiativrechte, die der Betriebsrat von Gesetzes wegen hat, politisch zu nutzen.
Die EVG regelt Arbeitszeitthemen nicht mehr in relativ starren tarifvertraglichen Regelungen, sondern auf der Ebene der Betriebe. Den gesellschaftlichen Hintergrund zeigte zum Auftakt der Nürnberger Konferenz der Sozialwissenschaftler Prof. Thomas Haipeter von der Universität Duisburg auf. So sind die Arbeitszeiten in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren immer länger geworden – und unterschiedlicher. „Wir haben eine große Vielfalt von unterschiedlichen Arbeitszeitrealitäten – und das ist eine echte Herausforderung für die Betriebsräte. Das erfordert eine aktive Arbeitszeitpolitik.“
Unsere Antwort auf diese Herausforderung: Die EVG definiert in ihren Tarifverträgen den Rahmen - z.B. das Arbeitszeitsoll, Urlaub, Arbeitszeitanrechnungsregelungen, Zeitkorridore, Eckwerte, Öffnungsklauseln… Dies ermöglicht die Entwicklung moderner Arbeitszeitmodelle und bildet die Basis für betriebsnahe Lösungen. Die EVG unterstützt die Betriebsräte dabei; die Betriebsräte müssen diese Gestaltungsspielräume aber auch ausnutzen.
Der § 87 BetrVG gibt den Betriebsräten ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeitfragen. Sie müssen nicht auf den Arbeitgeber reagieren – sondern sie können selbst aktiv werden. „Mitgestalten heißt: die Initiativrechte, die der Betriebsrat von Gesetzes wegen hat, politisch zu nutzen“, so EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel.
Die EVG will mehr Zufriedenheit der Beschäftigten mit ihren Arbeitszeitregelungen schaffen. Dafür haben wir drei Kernforderungen:
„Es geht um Selbstbestimmung und es geht um Verlässlichkeit“, so Klaus-Dieter Hommel. „Das können wir im Tarifvertrag künftig nicht mehr abbilden. "Bei der Entwicklung betrieblicher Lösungen ist die Vernetzung wichtig. Ein gutes Beispiel dafür ist der Arbeitskreis Arbeitszeit, zu dem sich Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus verschiedenen Betrieben im Süden und Südwesten zusammengefunden haben. Denn es gibt viele Betriebsräte, die gute Lösungen entwickelt haben – die nur außerhalb ihres Betriebes niemand kennt. Und es gibt andere, die vor komplizierten Herausforderungen stehen und für jede Anregung dankbar sind. Hier sorgt der Arbeitskreis für den Austausch der Ideen.
„Unsere Bitte ist: geht raus in die Betriebe und tragt die Diskussion weiter, die wir heute begonnen haben“, bilanzierte Klaus-Dieter Hommel die Nürnberger Fachkonferenz. „Ihr habt eine hervorragende Basis, um den Arbeitgeber entgegenzutreten. Die EVG ist in allen Mitbestimmungsgremien vertreten und wir sind die einzigen, die die Beschäftigungsbedingungen wirklich verbessern können.“