Mitarbeiter*innen in der Rettungsstelle eines Krankenhauses werden beleidigt und angespuckt. Weil es den „Kunden“ nicht schnell genug geht. Müllwerker werden tätlich angegriffen. Weil Autofahrer im Berufsverkehr nicht am Müllfahrzeug vorbeikommen. Polizisten werden, wenn sie nach Dienstschluss nach Hause fahren, verfolgt - oder stellen fest, dass an ihrem Privatfahrzeug die Radmuttern gelöst wurden.
Drei Beispiele von vielen, die Kolleginnen und Kollegen bei der Auftaktveranstaltung der DGB-Kampagne in Berlin aus ihrem beruflichen Alltag berichteten. Und die Wortmeldungen aus dem Publikum zeigten: Die Reihe von Beispielen hätte sehr, sehr lange fortgesetzt werden können.
Was ist los in unserer Gesellschaft? Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, zeigte in ihrem Eingangsstatement eine völlig absurde Diskrepanz auf: Laut polizeilicher Kriminalstatistik leben wir in der sichersten Bundesrepublik aller Zeiten - aber „ausgerechnet diejenigen, die im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge für unser Gemeinwohl arbeiten, werden immer öfter Ziel von Beleidigungen und Aggressionen.“
„Wir fordern mehr Respekt für Beschäftigte im öffentlichen Dienst“, so Elke. „Die Grenzen des Erträglichen sind längst überschritten, deswegen müssen wir jetzt ein Zeichen setzen.“ Und dafür will die gemeinsame Kampagne des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften in den kommenden zwei Jahren sorgen.
Woran liegt die zunehmende Aggressivität? Hierzu wurden in den verschiedenen Diskussionsrunden viele Hinweise zusammengetragen. „Es gibt einen Trend, dass Menschen versuchen, ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen, wenn sie sich im Unrecht oder benachteiligt fühlen“, so Marco Rafolt, der das Thema bei der EVG seit vielen Jahren beackert. Oder: Menschen, die Zukunftsängste haben, suchen nach Blitzableitern für ihre Frustration - und da kommt manchmal die Mitarbeiterin des Ordnungsamtes gerade recht. Und diese zunehmenden Frustrationen und Aggressionen treffen auf Beschäftigte, die ihrerseits immer mehr unter Leistungsdruck stehen. Der wiederum, und das sind die harten Faktoren, durch jahrelanges Kaputtsparen des öffentlichen Dienstes und der privatisierten Sektoren verursacht sind.
Mehr Investitionen und Personalaufbau in diesen Bereichen sind also grundlegende Maßnahmen, um eine Trendwende einzuleiten. „Der öffentliche Dienst muss für die Menschen greifbar sein und nicht auf dem letzten Loch pfeifen“, so Elke Hannack. EVG-Vorstand Kristian Loroch lenkte den Blick hier insbesondere auf den Ausschreibungswettbewerb im SPNV. „Wir erwarten, dass bei Ausschreibungen im SPNV nicht nur Fahr-, sondern auch Sicherheitspersonal vorgeschrieben wird. Das ist die Verantwortung der Bundesländer und ihrer Aufgabenträger.“ Er forderte zudem eine bundesweite Datenbank, in der alle Übergriffe, die im Bus- und Bahnbereich gemeldet werden, festzuhalten sind. „So lassen sich schnell Problemlinien erkennen, auf denen möglicherweise zusätzliches Personal, insbesondere aus dem Bereich Sicherheit, eingesetzt werden sollte“.
Aber auch die Arbeitgeber sind hier in der Pflicht. „Arbeitsschutz ist ein Mitbestimmungstatbestand und wir sollten uns viel öfter trauen, hier im Sinne der Beschäftigten Einfluss zu nehmen“, so Marco Rafolt.
Dass es auch Arbeitgeber und Dienstherren gibt, die ihre Verantwortung wahrnehmen, zeigte die Polizeipräsidentin von Gelsenkirchen, Britta Zur auf. „Wir animieren unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jeden Vorfall zu melde, jeden.“ Melden, anzeigen, sich wehren, so laute die Devise: „Wichtig ist, dass wir den Leuten, die für die Gesellschaft tätig sind, jede notwendige Unterstützung zusichern und garantieren.“