Wenn Heinrich Biesel und Rainer Zimmermann, beides Mitglieder im Gesamtbetriebsrat der DB Netz AG, von der Instandhaltung sprechen, dann glänzen ihre Augen. Aus zwei Gründen. Erstens aus Stolz, denn sie sehen die Instandhaltung als Rückgrat des Schienennetzes. Zweitens aber aus Kummer, denn die Auswirkungen des jahrzehntelangen Personalabbaus sind spürbar – und sie sind echte Herausforderungen für alle Beteiligten.
Dazu zwei Zahlen: Im Jahr 1994 waren insgesamt 124.000 Mitarbeiter für die DB Netz AG beschäftigt, 2012 noch gut 35.000. Im selben Zeitraum ist das Schienennetz gewachsen und die Qualitäts-anforderungen sind gestiegen. Großbaustellen benötigen breites technisches Know-How, technische Innovationen können nur mit Spezialwissen umgesetzt werden. Und ohne ein tiefes Verständnis für Systemabläufe und Technik wäre eine handlungssichere Instandhaltung nicht möglich. Lange Jahre wurde dieses Wissen von Kollegen zu Kollegen weitergegeben… doch dann kam der Tag, an dem kein Kollege mehr nachkam.
Die DB-Führungsebene spricht gerne mal von "Hagelschlägen". Und meint damit „unvorhersehbare“ Ereignisse, die laut Plan eigentlich nicht vorkommen dürfen (z. B. fehlende Meister LST, die demografische Entwicklung, unterbesetzte Schichten…). Diese „Hagelschläge“ haben sich gehäuft und inzwischen musste auch die Managementebene zugeben, dass ein System, das auf Unterbesetzung, Überstunden und Urlaubsverzicht aufbaut, nicht stabil sein kann (und übrigens auch nicht wirtschaftlich).
Wir, im GBR und in den Betriebsräten der DB Netz AG, haben auch nicht das eine Patentrezept. Wir haben jedoch aus der Situation unsere Aufgaben abgeleitet und arbeiten für mehr Mitarbeiter in der Instand-haltung. So wurde im August 2013 eine Trilaterale Vereinbarung (zwischen Konzern, DB Netz AG und EVG) zum Personalaufbau vereinbart. Es wurde die strategische Personalplanung eingeführt, die sich am tatsächlichen Arbeitsvolumen orientiert. Und aktuell wird die Gesamtbetriebsvereinbarung Personalplanung abgeschlossen. Zusätzlich haben wir Einfluss auf den sog. „Hochlauf IH“ genommen, ein zusätzlich bereitgestelltes Budget; dabei haben wir uns konkret für Nachwuchsförderung und mehr Ausbildungsplätze eingesetzt.
Die aktuelle Personalplanung sieht einen höheren Personalbestand für die Zukunft vor. Leider sind das alles nur kleine Pflaster auf sichtbar offenen Wunden. Zukünftig wird der Druck auf die Personalnachführung außerordentlich stark steigen. Allein schon wegen des ansteigenden Durchschnittsalters (47 Jahre) und der damit verbundenen hohen Fluktuation. Eigentlich ist Personalplanung kein Hexenwerk. Es muss lediglich sichergestellt werden, dass ein(e) Mitarbeiter(in) zum richtigen Zeitpunkt, mit der erforderlichen Qualifikation, am vorgesehenen Arbeitsplatz zu Verfügung steht. Allerdings: Es dauert durchschnittlich sieben bis neun Jahre, bis Kollegen soweit ausgebildet sind und Zusatzqualifikationen erlernt haben, damit sie einen in Rente gehenden Kollegen voll ersetzen können. Vom Vorschlaghammer bis zum Mikroprozessor - das ist, grob gesagt, die Aus- und Weiterbildungsbreite, die es in der Instandhaltung zu bewältigen und lernen gilt. Für einen Kollegen der heute geht, müsste vor mindestens 7 Jahren bereits ein Kollege eingestellt und qualifiziert worden sein. Und genau das ist versäumt worden. Und genau das ist immer noch nicht ausreichend für die Zukunft eingeplant. Und genau das fällt uns auf die Füße und wird teuer, im doppelten Sinn.
Die gesamte Organisation muss „schon wieder“ ran, d. h. neue Mitarbeiter müssen für die zusätzlichen Stellen rekrutiert werden. Führungskräfte müssen aktiv zusätzliches Bildungsbudget einfordern. Kapazitäten für die Aus-, Funktions- und Weiterbildung müssen stetig und qualitativ aufgebaut werden. Die Kollegen werden zusätzliche Betreuungs- und/oder Ausbildungsaufgaben erhalten. Mehr Spinde und größere Sozialräume müssen für mehr Kollegen zu Verfügung gestellt werden.
Heinrich Biesel und Rainer Zimmermann sehen jedoch auch die einmalige und gleichzeitig letztmalige Chance für die DB Netz AG. Die Kalkulation für das zukünftige Arbeitsvolumen und die Prognosen des Personalbedarf und -bestands für die kommenden 10 Jahre müssen mit transparenten und ehrlichen Zahlen gerechnet und umgesetzt werden! Der Anfang des Kulturwandels ist vollbracht, wenn Führungskräften für Einstellung, Ausbildung, Qualifizierung und Zusatzaufgaben ausreichend Geld zu Verfügung gestellt wird und wenn sie für die Sicherstellung eines auskömmlichen, einsatzfähigen Personalbestandes (ohne hohe Mehrleistungen und Urlaubsrückstände) einen Bonus bekommen.