Digitalisierung der Logistik: 90.000 Mal Chili in Echtzeit

Die Arbeit der Warenlogistiker fällt meistens nur dann auf, wenn es im Bordbistro keinen Kaffee mehr gibt. Mehr als 400 Menschen arbeiten bei DB Fernverkehr dafür, dass dieser Fall möglichst selten auftritt. Auch bei ihnen hält die Digitalisierung Einzug. Ein Besuch in Berlin-Rummelsburg.

Quelle: Mediathek der Deutschen Bahn, Volker Emersleben, DB75635

Logistik – was ist das eigentlich?

„Die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort bringen“ – so fasst es Frank Boenke zusammen, der den Standort Berlin der Warenlogistik von DB Fernverkehr leitet. In 1.300 Fernzügen täglich (ICE und IC)  müssen die Reisenden mit Speisen, Getränken und Zeitungen versorgt werden. Dafür arbeiten bundesweit 430 Beschäftigte, 97 davon in Berlin. Meist hinter den Kulissen und für die Reisenden nicht sichtbar. Für Frank Boenke ist das auch in Ordnung: „Wir wollen auch gar nicht so gesehen werden. Unser Anspruch ist, dass das Gesamtprodukt stimmt und dazu leisten wir unseren Beitrag.“

Wie kommen die richtigen Waren zum richtigen Zug?

Jeder Zug startet mit einer Grundausstattung. Für die einzelnen Zugtypen sind hierfür Gesamtpakete errechnet worden. An den Startpunkten werden diese von den Kolleginnen und Kollegen der Logistik in die Züge gebracht. So z.B. im ICE-Werk Rummelsburg.  „Der 2er“, sagt der Kollege, der in Rummelsburg den ICE-2 bestückt, „bekommt 48-mal die Apfelschorle, 48 Flaschen von dem blauen Wasser und 36 von dem weißen. Dann noch ein Fass Bier und zwei Premexe.“ Die Bestückung der Züge findet rund um die Uhr statt. „Nachts stehen die Züge länger. Tagsüber haben wir eine Dreiviertelstunde für den ICE-2, für den 1-er eine Stunde. Aber wenn die Züge Verspätung haben, verkürzt sich natürlich unsere Zeit.“ 

Wie wirkt sich die Digitalisierung aus?

Vor allem bei der Nachlieferung. Die Bestellung durch die Zugchefs wird nach und nach abgelöst durch ein digitales System. Rund 100 ICE, ein Viertel der Flotte, ist bereits damit ausgestattet. Wenn in der Kasse eines Bordbistros ein Produkt boniert wird, wird diese Information sofort weitergeleitet und im System verarbeitet. In Berlin-Rummelsburg z.B. sieht der Schichtleiter auf seinen Monitoren alle Züge, die Berlin tangieren – und kann so in Echtzeit verfolgen, wie sich die Warenbestände  verändern. Sinkt eine Produktgattung unter den definierten Mindestbestand, färbt sich ein Zugabschnitt rot. Dann weiß der Schichtleiter, welche Produkte in Rummelsburg bereitgestellt werden müssen. Bei so genannten A-Produkten wie Wasser oder Kaffee wird auch an Unterwegsbahnhöfen geliefert. 
„Mit dem neuen System“, sagt Manfred Dahr, Leiter Warenlogistik bei DB Fernverkehr, „können wir die Waren viel gezielter einsetzen und Überkapazitäten vermeiden.“  In einem zweiten Schritt wird für jeden Zug eine Prognose hinterlegt sein, welche Waren voraus-sichtlich verbraucht werden: nach Wetterlage, Reisendenaufkommen; je nachdem, ob Fußballspiele, Messen oder Volksfeste stattfinden. „Wir sind damit in der Lage, rechtzeitig zu planen. Und wir sind zum ersten Mal transparent. Wir können unsere Warenverfügbarkeit messen.“

Wie funktioniert der Komplettaustausch?

In bestimmten Abständen wird der gesamte Warenbestand aus dem Zug genommen und durchgecheckt. Ist die Ware noch gut, wird sie wieder einsortiert und in den Zug gebracht. Waren, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, werden maximal noch in die Nachlieferung gegeben. Was einen  Tag drüber ist, wird entsorgt. Auch hier hat die Digitalisierung Einzug gehalten, wenn auch bisher in einer milden Form: Bei der Sortierung der Waren wird nicht mehr mit Zetteln oder Lagerfachkarten, sondern mit Scannern gearbeitet. 

Was sagen die Beschäftigten?

Viele sehen die „neue Welt“ durchaus noch skeptisch. „Früher hatte ich ein Telefon, das hat auch ausgereicht“, sagt ein Kollege, der als Schichtleiter arbeitet. „Heute muss ich vier Monitore im Blick haben.“ Das soll freilich besser werden: Künftig sollen alle relevanten Informationen auf einem Monitor sichtbar sein. Auch die Kolleginnen und Kollegen, die mit dem Komplettaustausch beschäftigt sind, müssen sich mit den neuen Technologien noch anfreunden. „Die Zettelei hat auch funktioniert“, sagt Thomas Randel, der seit 25 Jahren dabei ist. Auch sein Kollege Olaf Brych sieht das Thema kritisch. Ihr Problem: die Scanner. „Die haben uns nicht viele Fortschritte gebracht, der Arbeitsaufwand ist höher, die Abläufe werden länger.“ Beide Kollegen hoffen aber auch, dass es sich um Kinderkrankheiten handelt. „Es spielt sich langsam ein“, meint Thomas Randel. 

Was sagen die Betriebsräte?

„Bei der Einführung neuer Technologien ist es wichtig, unsere Kolleginnen und Kollegen von deren Notwendigkeit zu überzeugen", sagt Martin Ludwig aus dem Gesamtbetriebsrat DB Fernverkehr. "Neue Wege einzuschlagen, ist nicht immer einfach. Auf keinen Fall dürfen Veränderungen in diesem Bereich aber dazu führen, dass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern. Da sind wir als Betriebsräte immer wieder aufs Neue gefordert und werden auch in Zukunft unser besonderes Augenmerk darauf legen." 

Was sind die Renner bei den Kunden?

In Rummelsburg sind die Spitzenreiter klar: Pro Monat werden hier 120.000 Flaschen Bier und 90.000 Portionen Chili con Carne verladen.

Fazit

Die Logistiker leisten einen wichtigen Beitrag für die Qualität des Gesamtprodukts Bahn. Im Werk Rummelsburg haben sie mit „Praxistagen“ für ihre Arbeit und ihre Rolle im System Eisenbahn geworben. Auch Kolleginnen und Kollegen der Bordgastronomie waren dabei zu Gast. Das Echo: positiv. „Mit ein bisschen Verständnis füreinander ist das System perfekt“, meint Olaf Brych. „Ich bin jedenfalls stolz darauf, was wir machen und wie wir es machen.“