DB Fernverkehr will den Wagenuntersuchungsdienst abschaffen. Aus Sicht der EVG und des Gesamtbetriebsrates eine grundfalsche Entscheidung. Wir hätten da ein paar Ideen, wie man es besser machen kann.
Ob Bremse oder WLAN, Klimaanlage oder Kaffeemaschine: Moderne Züge sind Technik-pakete. Die Kolleginnen und Kollegen vom Wagenuntersuchungsdienst (WUD) bei DB Fernverkehr kümmern sich darum, dass diese Pakete funktionieren. „Man muss alles kennen, angefangen vom Radsatz bis hin zu der Frage, wie die Sitze funktionieren“, sagt Hartmut Loth, Wagenmeister beim WUD in Stralsund. „Wir stellen fest, ob etwas kaputt ist. Wenn es möglich ist, setzen wir es selber instand, ansonsten geben wir eine qualifizierte Schadensmeldung an die Werkstatt.“ Dafür arbeiten rund 400 Kolleginnen und Kollegen an 15 Standorten bundesweit.
Wagenmeisterinnen und Wagenmeister arbeiten während der Zugfahrt oder während der Stilllagen. Auf dem Zug können sie behebbare Störungen – z.B. an der Klimaanlage oder in der Galley – bearbeiten. Ist kein Wagenmeister auf dem Zug, wird eine Störung an den nächsten Bahnhof mit Wagenuntersuchungsdienst vorgemeldet. Die Kollegen dort arbeiten dann den vorgemeldeten Pan ab. „Wir arbeiten in Betriebsgleisen und brauchen kein eigenes Werkstattgleis“, beschreibt Hartmut Loth seine Arbeit. „Wir arbeiten auch bei schlechtem Wetter draußen, sind witterungsunabhängig, brauchen keine große Infrastruktur, um unsere Arbeiten auszuführen.“
Wer Wagenmeister werden will, macht eine 3 ½ jährige Ausbildung zum Elektroniker oder Industriemechaniker und absolviert anschließend eine sechsmonatige Funktionsausbildung. Um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten, gehören regelmäßige Lehrgänge zur Tagesordnung.
Natürlich arbeiten die Wagenmeister mit modernsten technischen Hilfsmitteln. Ihr Hauptarbeitsmittel aber sind sie selbst. Ihr Auge, ihr Ohr, ihr Wissen, ihre Erfahrung. „Was ist ein Radsatzschaden, was nicht, kann die Flachstelle noch laufen oder nicht – das ist eine persönliche Entscheidung des Wagenmeisters.“ Die Wagenmeister arbeiten allein und das bringt viel Verantwortung mit sich. Aber: „90 % der Befunde eines Wagenmeisters bei der Bewertung von Radsatzgeräuschen bei einer Begleitung im Zug sind richtig.“
„Es ist jeden Tag eine andere Arbeit“, sagt Hartmut Loth. „Auch wenn es so aussieht, als ob es dieselbe ist, es kommt jedes Mal ein anderer Zug, man muss sich immer wieder neu drauf einstellen. Schlechtes Wetter stört mich nicht, die richtige Bekleidung dazu und dann geht’s los. Und wenn man mal in einem Zug mitfährt und es haben sich Fahrgäste beschwert und sie sehen, dass gleich was gemacht wird – dafür bin ich da.“
Dunkel und kurz. DB Fernverkehr will den WUD abschaffen. „Der Bedarf für eine Aufgabenbündelung in einer gesonderten Einheit WUD entfällt, da Tätigkeiten nicht mehr erforderlich sind und von anderen Einheiten mit übernommen werden können“, heißt es in einem Papier des Arbeitgebers. Und: „Der Personalbedarf des WUD wird aufgrund wegfallender Tätigkeiten bis zum 31.12.2018 sukzessive auf Null reduziert.“
„Übernahme durch andere Einheiten“ heißt konkret: Bremsproben sollen künftig ZBS und der Bordservice übernehmen, die Mitfahrten auf dem Zug sollen ganz entfallen – dafür soll „telefonisches Know-How bereitstehen“, heißt es im Arbeitgeberpapier. Die Komfort-entstörung, also die Wartung und schnelle Reparatur der Komponenten Klima, WC, Wlan etc. soll in der Werkstatt stattfinden.
Für die Wagenmeisterinnen und Wagenmeister bedeutet das völlig neue Arbeitsplatz-beschreibungen – oder Versetzung in andere Bereiche. „Gerade der Sicherheitsteil, die wagentechnische Untersuchung, ist eigentlich unser Kerngeschäft“, sagt Hartmut Loth. „Künftig sollen wir nur noch Komfortentstörung machen, aber keine sicherheitsrelevanten Entscheidungen mehr treffen. Wir verstehen diese Entscheidung nicht.“
Die EVG hat die Entscheidung von DB Fernverkehr scharf kritisiert. Der WUD garantiert eine hohe Qualität der Transportleistung und sichert die Pünktlichkeit. Die Kunden erwarten zu Recht eine hohe Betriebssicherheit, guten Komfort und störungsfreie Fahrzeuge. Dafür braucht DB Fernverkehr exzellent qualifizierte Mitarbeiter – wie die Kolleginnen und Kollegen im Wagenuntersuchungsdienst, die sich jahrzehntelang bewährt haben!
Der Arbeitskreis WUD des Gesamtbetriebsrates erfuhr im November 2016 während einer Tagung in Bamberg von den Arbeitgeberplänen. Die Kolleginnen und Kollegen fackelten nicht lange und entwarfen ein Alternativkonzept, das sie im „Bamberger Papier“ niederschrieben. „Auf- statt Abwertung“ könnte man es überschreiben. Der Wagenmeister, so der Vorschlag, soll zum „Mobilen Servicetechniker“ weiterentwickelt werden.
Ausgangspunkt des Konzeptes ist, dass viele Züge ohne vorhergehende Behandlung auf die Strecke gehen.
Nach den Ideen des GBR sollen die Mobilen Servicetechniker
Ziel ist, alle abgehenden Züge vorbereitet an den Betrieb zu übergeben. Das garantiert die objektive Sicherheit der Züge und das subjektive Sicherheitsgefühl von Kunden und Kollegen.
Der Arbeitgeber hat sich bereit erklärt, das Bamberger Papier genau zu lesen und „wir sind gespannt, was DB Fernverkehr davon aufgreift und in die Stellenausschreibungen übernimmt“, sagt Hartmut Loth. Für ihn ist klar: „Ich will solange wie möglich hier am Standort weiter machen.“