Der Brandbrief eines Cargo-Lokführers bewegt seit Tagen die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner. Denn er gibt einen ungeschönten Einblick in die Realität im deutschen Eisenbahnverkehr: über Infrastruktur und Fahrzeuge, über Arbeits- und Einsatzbedingungen. Er zeigt, was alles schiefläuft. Und spricht uns damit aus der Seele.
Im Februar hat der EVG-Bundesvorstand ein grundsätzliches Positionspapier verabschiedet, „Mehr Bahn für die Menschen“. Der Brief unseres Kollegen und Mitgliedes ergänzt dieses Papier an vielen Stellen durch ganz persönliche Erfahrungen und zeigt damit auf, dass wir offenbar einen Nerv getroffen haben.
Einen Nerv getroffen – das hat der Brief unseres Mitgliedes auch bei den Arbeitgebern. Wir sagen ganz klar: Die EVG steht voll und ganz hinter dem Kollegen. So haben sich bereits am Mittwoch die Teilnehmenden des 2. Bus-Workshops der EVG mit ihm solidarisch erklärt. Wir leben Gemeinschaft!
Wir haben im Folgenden die wichtigsten Passagen aus unserem Positionspapier (links) und dem Brandbrief (rechts) gegenübergestellt.
Die Bahnreform 1994 verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele: zum einen die Entschuldung der damaligen Staatsbahnen, um diese wirtschaftlich in die Lage zu versetzen, in den gewollten Wettbewerb mit anderen Bahnen und Verkehrsträgern eintreten zu können; und zum anderen mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Die Jahre vor der Bahnreform waren geprägt von zunehmender Verschuldung und einem Schrumpfkurs, der im Schienenpersonenverkehr (SPV) und im Schienengüterverkehr (SGV) zu immer weniger Angebot und Qualität führte. Dennoch war noch in den 1980er Jahren die Zuverlässigkeit, insbesondere die Pünktlichkeit, hoch. „Alle reden vom Wetter, wir nicht“, war ein zugkräftiger, in der Öffentlichkeit wirkender, Werbeslogan der damaligen Bundesbahn. Meistens traf er auch zu. Heute dient der Slogan nur noch als Anlass zu Spott und Hohn. Aber nicht nur bei Wetterereignissen kommt die Bahn aus dem Fahrplan. Schon der Verkehr unter „normalen Bedingungen“ kann, was Pünktlichkeit und Qualität angeht, nicht mehr ordentlich erbracht werden. (S. 2)
Was ich in den letzten 20 Jahren mit ansehen musste, ist ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt, man denkt sich immer schlimmer können "die da Oben" es doch nicht noch machen, aber nein...weit gefehlt, unsere Manager können das mit der Leichtigkeit des Seins. Die Steigerung von Chaos heißt Deutsche Bahn und das ist noch ein Kompliment. Mit dem, was seit 1994 alles schief gelaufen ist, könnte ich dicke Bücher füllen und viele Romane schreiben, aber ich habe in der wenigen Freizeit die mir zur Verfügung steht wahrlich besseres zu tun. Außerdem wird seit jeher grundsätzlich alles auf dem Rücken der Beschäftigten an der Basis ausgetragen.
In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Beschäftigten in den Zentralen drastisch erhöht, allein in der Zentrale Personenverkehr von 2011 bis 2018 mehr als verdoppelt. Parallel dazu hat die Anzahl von externen Beratern und Beraterfirmen deutlich zugenommen. Ebenfalls in der Zentrale Personenverkehr werden ca. 500 Berater eingesetzt. In vielen anderen Geschäftsfeldern und in der Konzernzentrale gilt Vergleichbares, was den Konzern finanziell mit mindestens 240 Mio. Euro pro Jahr belastet. Die Anzahl von Projektgruppen im Konzern geht in die Hunderte. Die Situation für die operativen Bereiche wurde dadurch jedoch nicht einfacher und besser, sondern eher schwieriger – insbesondere, wenn Personal aus den operativen Bereichen für Projekt- und Beratungsarbeit abgezogen wurde. (S.11/12)
Was haben wir nicht alles an Umstrukturierungen und "Umorganisationsorgien" über uns ergehen lassen müssen; die haben alle nichts gebracht, sondern es von Mal zu Mal nur noch verschlimmert. Externe Beraterfirmen hinzugezogen, die von der Eisenbahn nicht den blassesten Schimmer haben. Die Consulting Agenturen haben der DB nichts gebracht, außer unnütz ausgegebenes Geld, deswegen habe ich über die Jahre hinweg schon lange den Eindruck gewonnen, als ob unsere "studierte Elite" nicht mehr die notwendigen Fähigkeiten besitzt, die anstehenden Probleme adäquat zu lösen. Es kommt mir immer so vor, als ob die leider nichts verstehen, kennen alles nur aus der Theorie, haben keine Ahnung (aber davon viel), es fehlt halt ganz einfach das praktische Wissen, meinen tolle Ideen zu haben, wollen das Rad neu erfinden und starten ihre Projekte (siehe P & D bei DB-Cargo), nach 3 Jahren sind die wieder weg, die Identifizieren sich ja überhaupt nicht mit der Bahn, dem Unternehmen; der Scherbenhaufen, den sie aber hinterlassen haben, ist noch da. Dann kommt der nächste mit einer anderen neuen "Wahnsinns" Idee und das gleiche Spiel geht von vorne los. Ich fege seit 20 Jahren die Scherbenhaufen weg, den uns unsere studierten BWL'er hinterlassen. Kein Wunder, warum es bei der Bahn nicht voran geht, keine langfristige vernünftige wohl überdachte Strategie erkennbar. Ganz im Gegenteil, sehr langjährige erprobte, ein hervorragend organisierter Betrieb und vor allem funktionsfähige Strukturen wurden ohne Not einfach über Nacht völlig überhastet, unüberlegt und umsonst einfach so geopfert, für irgendwelche "Visionen"? Die Praxis bei der Eisenbahn unterscheidet sich eben ganz ERHEBLICH von der Theorie, das habe ich in 30 Jahren oft genug schmerzhaft kennengelernt. Es gibt so viele unvorhersehbare Variablen im täglichen Betrieb, selbst die beste Theorie kann die Praxis nicht annähernd ersetzten.
Auch bei der Einsparung von Personal ist im Wettbewerb innerhalb der Branche in den letzten Jahren die Schraube überdreht worden. Im Kampf um die Ausschreibungen im SPNV und um den Kunden im SGV und SPFV stellt Personal zu oft nur einen Kostenfaktor dar. Ausbildung und Qualifizierung wurden vollkommen vernachlässigt, die demografische Herausforderung unterschätzt. Viel zu spät wurde der drohende Knowhow-Verlust erkannt. Auch dies ist kein spezielles Problem bei der DB AG, sondern charakterisiert das Handeln in der gesamten Branche. Der aktuelle Fachkräftemangel verschärft die Krise überall. Leider gibt das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebsräten nur unzureichenden Einfluss auf die Personalplanung. So wären beispielhaft die Vorgänge rund um Mainz im Sommer 2013 (massive Zugausfälle aufgrund von Personalmangel auf Stellwerken) vermeidbar gewesen. Sie waren zwar ein Weckruf, der die Branche jedoch nicht schnell genug zum Handeln veranlasst hat. Gleiches kann nun im SPNV und im SGV beobachtet werden: auch hier kommt es aufgrund von Personalmangel immer häufiger zu Zugausfällen und Qualitätsmängeln. (S.9)
Ich arbeite zur Zeit bei DB Cargo, war vorher bei DB Regio, habe die Fahrberechtigung für 30 verschiedene Baureihen, eine sehr umfangreiche Streckenkenntnis und etwa 1,5 Millionen KM hinter mir mit entsprechender Erfahrung & Erlebnissen.
Ich habe viel zu oft eine 6 Tage Woche mit 50 / 55 Stunden Wochenarbeitszeit, Freizeit ist fast ein Fremdwort für mich geworden, mehr als 400 Überstunden angesammelt ( es gibt Kollegen die haben 600 / 700...und mehr Ü-Stunden, da bin ich also nur Mittelfeld, Gott sei Dank), die ich Jahr für Jahr vor mir herschiebe wegen chronischem Personalmangels, wegen jahrelang verfehlter Personalpolitik, werde ausgequetscht wie eine Zitrone bis zum letzten Tropfen. Der Druck, der vom Arbeitgeber auf einen ausgeübt wird, ist erheblich / beträchtlich, quasi über Nacht sind plötzlich Schichten an meinen Ruhetagen drin, da heißt es dann nur, es waren noch Schichten offen, Du musst fahren. Alleine letztes Jahr habe ich mehr als 3600 min = 60 h Überzeit gemacht nur durch Schichtverlängerungen über das planmäßige Dienstende hinaus, soviel zu pünktlichem Feierabend, Freizeit & Familienleben. Work & Life Balance, was ist das?
Mein letzter Krankentag war im Februar 2004, ist also dieses Jahr 15 Jahre her (warum ist wohl der Krankenstand beim Fahrpersonal so hoch? Da muss man sich doch mal Gedanken darüber machen); seitdem komme ich brav jeden Tag auf die Arbeit. Ich bin so was von frustriert, demotiviert, überarbeitet, übermüdet (Schlaf ist für mich mittlerweile zu einem extrem kostbaren Gut geworden), ich schleppe mich inzwischen von Schicht zu Schicht.
An Fahrzeugen mangelt es in allen drei Transportbereichen (SPNV, SPFV und SGV) – auch wenn die Ursachen unterschiedliche sind. Im SPNV sind im Wesentlichen zwei Themenkomplexe ursächlich, die beide mit der Ausschreibungspraxis der Aufgabenträger (vertiefend S. 14 ff.) verbunden sind: Zum einen verfolgt jeder Aufgabenträger eine eigenständige Fahrzeugstrategie, wodurch eine Kompatibilität und damit ein übergreifender Einsatz der Fahrzeuge kaum möglich ist. Zum anderen ist im Preiswettbewerb unter den Bietern bei Ausschreibungen in der Vergangenheit eine zu geringe Einsatzreserve eingeplant worden. Da es im Wettbewerb auf jeden Cent ankommt, wird an allen Stellen versucht zu sparen, um den Zuschlag zu bekommen.
Zwei reale Fälle aus der täglichen Praxis, Fall Nr. 1: Ich fuhr letztens mit DB Regio als Gastfahrt von X. nach Z. Kurz hinter Y. ging die Klimaanlage aus, aha, Hauptschalter gefallen, dachte ich mir. Kurz danach Durchsage vom Zugführer: Wegen einer technischen Störung auf der Lok verschiebt sich unsere Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit, soso! Nach 30 min bin ich zum Lokführer gegangen, wir haben versucht den Stromabnehmer zu heben, erfolglos. Zu zweit gelang es uns nicht, die Lok wieder zum Laufen zu bringen, obwohl wir alles versucht haben, unmöglich. Die Computerdisplays haben ja noch nicht einmal eine Störung angezeigt. Wir schaffen es ja noch nicht einmal unsere Loks störungsfrei zum Laufen zu bringen, vielleicht sollten wir als erstes damit anfangen, bevor wir uns anderen Dingen zuwenden. Warum kauft unsere Führung für viel Geld funktionsunfähige Tfz? Leider kein Einzelfall, wie wiederholt Kollegen von DB-Regio berichten. Wir sind von 21:45 Uhr bis 0:05 Uhr auf der freien Strecke gestanden und haben uns dann von einer Lok (BR 101, die hat zum Glück ausnahmsweise funktioniert) vom Fernverkehr abschleppen lassen müssen, peinlich hoch 3! Da schämt / blamiert man sich als Eisenbahner ja in Grund und Boden. Unser Zugpersonal kann einem leidtun, sie bekommen den ganzen aufgestauten Frust und Ärger der Fahrgäste direkt zu spüren, obwohl sie für die Versäumnisse keinerlei Schuld tragen. Und so was ist leider häufig an der Tagesordnung, kaum eine Zugfahrt, die störungsfrei vom Anfang bis zum Ende verläuft.
Im Gegensatz zu anderen EVUs hat es das Unternehmen nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 über Jahre hinweg nicht vermocht, eine Strategie zu entwickeln, um mehr Aufträge zu akquirieren und somit mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Beispielhaft zeigt sich dies am Programm „Zukunft Bahn“ (ZuBa), mit dem 2016 DB-konzernweit Kundenzufriedenheit und Qualität bei gleichzeitigem Abbau von mehr als 3.000 Arbeitsplätzen allein im SGV gesteigert werden sollten. Doch ZuBa ist bei der DB Cargo AG gescheitert. Die Veränderungen innerhalb der Produktion haben nicht zu einer Verbesserung der Produktivität und Qualität bei der DB Cargo AG geführt. Im Gegenteil: Die Kundenzufriedenheit ist 2018 im Vergleich zu 2017 erneut gesunken und die Zahl der gefahrenen Züge geht weiterhin kontinuierlich von Jahr zu Jahr zurück. Die fatale Folge: Der Marktanteil der DB Cargo AG ist seit der Einführung von ZuBa noch weiter zurückgegangen und liegt aktuell nur noch bei knapp über 50 %, bei gleichzeitig steigendem SGV-Marktvolumen. Erst in den letzten ein bis zwei Jahren und nachdem die EVG mit ihren Betriebsräten massiven Druck ausgeübt hat, ist allmählich ein Umsteuern zu erkennen. Wachstum statt Stagnation lautet die Devise. Dass mehr Personal eingestellt und zusätzliche Triebfahrzeuge sowie Güterwaggons beschafft werden, ist der richtige Weg. (S. 17)
Fall Nr. 2: Ich sollte einen Zug von M. nach P. fahren. Es war der Feierabendzug und da meine Schicht über 11 h war, wollte ich wenigstens den pünktlich fahren. Ich hatte schon den ganzen Tag über Verspätung, denn meine erste Fahrt mit dem ICE zum Einsatzort war schon + 50 min. Diese Verspätung habe ich dann den ganzen Tag über hinter mir hergezogen. Ich kam also mit meiner Vorleistung aus B. deswegen schon verspätet in M. an, ließ meine Pause ausfallen und fuhr mit der Lok gleich auf den Zug. Der war schon fertig, dann anhängen, Bremsprobe mit Wagenmeister, lief alles glatt, wollte mich abfahrbereit melden 19:00 Uhr. Dann große Überraschung...Fdl teilt mir mit, mein Zug wird vom Rangierbahnhof P. wegen Kapazitätsproblemen verweigert! Leider keine Ausnahme. Also wenn man mit einem fix und fertigen Zug im Startbahnhof nicht abfahren kann, weil es im Zielbahnhof keine freien Gleise gibt.... dann ist ein absoluter Tiefpunkt erreicht! Wie stellen "Sie" sich das denn vor liebe Chefs? Soll ich auf der Lok übernachten? Dann verlange ich aber, dass der Pizzadienst kostenlos ist. Die Krönung war aber, ich wollte ja wieder nach Hause, am Bahnsteig stand noch ein Personenzug, der hätte längst abfahren sollen. Der ist dann ausgefallen, weil kein Personal vorhanden war, um den Zug von M. nach D. zu fahren. Effektiv habe ich in meiner Schicht von 10:41 h. einen Zug 60 KM von B. nach M. gefahren, sehr wirtschaftlich!
Interessant ist, dass diejenigen Vertreter/innen von NE-Bahnen, die diese Diskussion forcieren, oft ausländische Bahnunternehmen (Mutterkonzerne) repräsentieren, die in ihren Heimatländern selbst integrierte Strukturen besitzen und verteidigen. Ein Teil der Probleme des Eisenbahnsystems in Deutschland ist jedoch auf eine heute schon zu starke Trennung und zu viele Schnittstellen zurückzuführen. Schaut man sich die Eisenbahnlandkarte an, zeigt sich, dass integrierte Bahnstrukturen oftmals die wesentlich besseren Ergebnisse auch in Punkto Pünktlichkeit und Qualität erbringen. Wir haben also nicht zu wenig, sondern zu viel Trennung. Internationale Erfahrungen bestätigen dies. In der Schweiz oder Österreich werden in integrierten Strukturen gute Leistungen erbracht. In Frankreich hat man nach leidvollen Erfahrungen einer Trennung den Weg zurück in integrierte Strukturen gewählt. Verfechter der „Trennung von Netz und Betrieb“ haben zudem oft nur die DB AG im Blick. Sie übersehen, dass es neben der DB AG in Deutschland noch über 30 Eisenbahnunternehmen gibt, die ebenfalls integrierte Unternehmen von Infrastruktur und Betrieb darstellen. Viele würden bei einer Trennung vor dem Aus stehen. (S. 12)
Schon Bismarck hat erkannt, dass die Eisenbahn eine hoheitliche Aufgabe ist, sie dient der öffentlichen Daseinsvorsorge und kann deswegen / darf unter keinen Umständen privatisiert werden, auch hat er gewusst, das die Eisenbahn niemals rentabel geführt werden kann und deshalb ein Staatsunternehmen bleiben muss, das aus Steuergeldern finanziert wird. Auch die EU ist damit der Einstellung, dass es mehr Wettbewerb auf der Schiene geben müsste auf einem völlig falschen Pfad. Wettbewerb hat nicht nur Vorteile und sorgt längst nicht immer nur für niedrigere Preise. Da hätte es einen Aufschrei in der Bevölkerung geben müssen, aber nichts ist passiert. Die Privatisierung wurde einfach abgenickt und durchgewunken, ein grundlegender schwerwiegender Fehler, welcher sich natürlich über kurz oder lang bitter rächt, wie wir heute anschaulich sehen können. Aber halt - die Politiker sind nicht alleine schuld an der Misere, jeder Wahlberechtigte von uns, der 1994 diese Regierung gewählt hat sollte sich an die Eigene Nase fassen; wir als Wähler sind alle Mitschuldig am heutigen Zustand der Bahn.
Wehe, Wehe das Netz wird jemals privatisiert und aus dem Bahnkonzern herausgelöst, wie es der Herr Hofreiter und andere Unwissende fordern, dann werden wir beängstigende Zustände bekommen, die wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorgestellt hätten! Die Eisenbahn ist ein Verbundsystem, schon immer gewesen, wo ein Rädchen in das Andere greift, sehr arbeitsteilig, das muss man erstmal kapiert haben und funktioniert deshalb nur reibungslos, wenn alles zusammenbleibt.
Mit der Bahnreform wurden den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern schlankere und effektivere Unternehmensstrukturen versprochen. Das Gegenteil ist jedoch eingetreten. Sowohl die Deutsche Bundesbahn als auch die Deutsche Reichsbahn waren in vielen Bereichen der Steuerung und Führung schlanker und effektiver als die DB AG. „Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer“ - so lautet der Befund. Heute arbeiten so wenig
Beschäftigte wie noch nie direkt am Produkt. Mit der Bahnreform war in der 3. Stufe eine völlige Auflösung der Holdingstruktur und der Verkauf aller Transportbereiche als Option vorgesehen. Dass dies der falsche Weg ist, stellte sich schon in den ersten Jahren heraus und wurde in der Ära Mehdorn stückweise korrigiert. Stückweise nur deshalb, weil zwar der Konzern-gedanke wieder stärker ausgeprägt und entwickelt wurde, jedoch ohne den Unterbau anzupassen. Als Folge davon wurden den operativen Bereichen immer mehr Kompetenzen entzogen und zusätzliche Hierarchien eingeführt. (S. 11)
Im Konzernvorstand gibt es niemanden mit direkter operativer Verant-wortung. Immer wenn es schwierig wird, werden Personen in den Gesell-schaften ausgetauscht, beispielsweise bei DB Cargo AG in den letzten 20 Jahren fast 30 Vorstände und bei der DB Netz AG 32 Vorstände. Keine Lösung ist es daher, nur die Anzahl der Mitglieder im Konzernvorstand zu erhöhen oder Personen auszutauschen. Es bedarf tiefergreifender struktureller Maßnahmen. (…) Richtig ist, dass der Konzern in den bestehenden Strukturen nicht zukunftsfähig ist. 25 Jahre nach der Bahnreform ist es an der Zeit, grundlegend über die Fehlentwicklung von Strukturen im Bahnkonzern nachzudenken, damit dieses Unternehmen die Herausforderungen der Zukunft bewältigen kann. Hierbei bedarf es auch in der bestehenden Konzernstruktur klarer Entscheidungen, welche Aufgaben der Konzern und die einzelnen Unternehmen wahrnehmen sollen. Mit dem Programm „Zukunft Bahn“ hat die Durchmischung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten drastisch zugenommen. Dies muss unbedingt wieder in geordnete Bahnen gelenkt werden. (S. 12, S. 13)
Der Herr Staatssekretär Enak Ferlemann hat's erfasst, nur leider viel zu spät, aber bekanntlich ist ja Einsicht der erste Schritt zur Besserung. In der "Lehmschicht des mittleren Managements" bleibt alles stecken und nichts dringt durch sie hindurch und verhindert somit eine effektive Führung des gesamten Konzernes DB. Er spricht mir aus der Seele, das denke ich schon lange. Wir haben 10.000 Häuptlinge und 100 Indianer, tja das Verhältnis müsste eigentlich gerade umgekehrt sein.
Der Konzern DB ist in zahllose unübersichtliche Gesellschaften aufgespalten. Der Vorne weiß nicht was der Hinten macht, der Oben nicht was der Unten macht und der Links nicht was der Rechts macht. Ein Zuständigkeits-Wirrwarr ohnegleichen, konfus & konzeptionslos. Babylon war dagegen nur ein laues Lüftchen und Waisenknabe.
Die „Förderung der Schiene“ wird als politisches Ziel schon seit langem gerne und oft beschworen. Die Praxis sieht dann oft anders aus. Laut Berechnungen der Allianz pro Schiene stiegen die Verkehrswegeinvestitionen in den letzten zwei Jahren bei der Schiene um etwa 4 %, bei der Straße jedoch um etwa 45 %. Wir sind aber nunmehr an einem Punkt angekommen, an dem sich ein solches schlichtes „Weitermachen“ in der Verkehrspolitik verbietet. Die Schiene muss politisch endlich Vorrang vor der Straße bekommen – mit den entsprechenden Haushaltsentscheidungen pro Schiene. Die ungleichen Wettbewerbsbedingungen zu Lasten der Schiene stellen ein Entwicklungshemmnis dar, besonders – aber nicht nur – im Güterverkehr. Damit die Eisenbahn gegenüber anderen Verkehrsträgern eine bessere Wettbewerbsposition erlangen kann, sind weitere Maßnahmen des Bundes notwendig. (S. 21)
Die Bundesbahn war ein über lange Zeit gewachsenes Unternehmen, wohl strukturiert, hat funktioniert, wurde von Praktikern geführt, die den Betrieb noch kannten. Damals fuhren unsere Züge noch relativ pünktlich & zuverlässig („Alle reden vom Wetter, wir nicht. Deutsche Bundesbahn“) und heute : Zug fällt leider aus, ich kann mich nicht erinnern, dass ein Zug ausgefallen wäre, von den häufigen & ständigen Verspätungen ganz zu schweigen, schließlich gab es Reserven an Zugpersonal, an Wagen, an Lok's, alles war in ausreichendem Maße vorhanden. Heute verwalten wir nur noch den Mangel. Man hat die Bundesbahn zu Grunde gerichtet, vorsätzlich und völlig unnötig.
Warum die Bahn in Deutschland nicht vorankommt, liegt auch zum großen Teil an der hiesigen übermächtigen Auto / Lkw Industrie. Die Macht der Großkonzerne der Automobilindustrie in der Bundesrepublik ist gigantisch, das sollte jedem von uns unmissverständlich klar sein. Der Einfluss dieser Lobby in Berlin darf keinesfalls unterschätzt werden, er ist viel zu groß und subtil auf unsere Volksvertreter. Wenn es bei denen an die Substanz ans Eingemachte geht, werden sie mit der Keule Arbeitsplätze drohen, wie viele davon wegfallen würden. Da geht es um sehr, sehr viel Geld. Unsere Politiker knicken dann sofort ein. Die Arbeitsplätze, die vielleicht unter Umständen durch eine Verkehrswende wegfallen würden, könnten im Eisenbahnsektor neu entstehen.
Aus Sicht der EVG weist die aktuelle Krise des Schienenverkehrs weit über den Tag hinaus. Ein noch weiteres Abdriften des Schienenverkehrs muss verhindert werden, damit die Mobilität in Deutschland nicht gefährdet wird. Wir haben in diesem Papier die wesentlichen Schwachpunkte benannt, aber auch Perspektiven und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Derzeit haben alle beteiligten Akteure lange Aufgabenlisten abzuarbeiten: Die Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen, die Bahnindustrie, die Aufgabenträger. Allen voran aber der Bund und die heute handelnden Politiker/innen. Die Fahrverbote für Diesel-Pkw und die Diskussionen um einen kostenlosen ÖPNV sind deutliche Indikatoren: Eine Verkehrspolitik nach dem Motto der vergangenen Jahrzehnte, in den Sonntagsreden die Schiene zu loben, von Montag bis Freitag aber faktisch die Straße zu fördern, wird nicht mehr funktionieren. Die Politik hat es in der Hand, als Eigentümer nicht nur die DB AG als das größte Eisenbahnunternehmen in Deutschland wieder auf richtigen Kurs zu bringen – sondern auch die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Schiene ihre Vorteile in einem fairen Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern endlich ausspielen kann. Alle Prognosen gehen von einer weiteren Zunahme der Verkehrsströme aus, insbesondere im Güterverkehr. Wenn wir den Verkehrskollaps vermeiden wollen, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen, dann geht das nur mit mehr Schienenverkehr. Dafür zu sorgen, ist das Gebot der Stunde. Die EVG ist überzeugt: Mehr Schienenverkehr ist möglich. Und: Ein besserer Schienenverkehr ist möglich. (S. 24)
Wo liegt nun die Lösung des Problems? Kurzfristig gibt es bestimmt keine. Ich habe leider auch keine Patentlösung parat, nur ein paar Ansätze. Veränderungen fangen im Kleinen an bei jedem Einzelnen von uns. Des deutschen liebstes Kind ist das Auto, freie Fahrt für freie Bürger, da fängt es an. Solange wir das in der überwiegenden Mehrheit denken, wird sich nichts ändern. Wir bräuchten einen gesellschaftlichen Wandel / Konsens darüber, schon lange. Da wir in einer Demokratie leben, kann nur die Mehrheit deswegen etwas erreichen. Ein Volksbegehren wäre möglich, die Chancen sind aber verschwindend gering. Es geht also nur über unsere gewählten Abgeordneten. Die Mehrheit von uns müsste also zu seinem Wahlkreisabgeordneten gehen, ihm so richtig Dampf machen: „Wenn Sie sich in Berlin nicht endlich dafür einsetzen das der Eisenbahn absoluter Vorrang eingeräumt und zur Chefsache gemacht wird, dann werden wir Ihnen bei der nächsten Wahl nicht mehr unsere Stimme geben.“ Ja dann ändert sich vielleicht was, denn der Herr / Frau Abgeordneter will garantiert wieder gewählt werden, da verwette ich meinen Kopf darauf. Wenn es eines Tages heißen würde, das deutschen liebstes Kind ist die Eisenbahn und nicht das Auto, ja dann würde sich vielleicht was ändern. Geld ist genug da, kein Problem, es müsste nur an der richtigen Stelle ausgegeben werden. Wir hätten die beste Eisenbahn der Welt, davon bin ich felsenfest überzeugt. Wir besitzen -noch- das Potenzial dazu.
Unser ehemaliger Bundespräsident Roman Herzog sagte einmal "es muss ein Ruck durch Deutschland gehen" auf diesen Ruck warte ich seit jenem Tag, bisher leider vergebens. Bei den meisten von uns hört mittlerweile die persönliche Wohlfühlzone an der eigenen Nasenspitze auf. Gemeinwohl, was ist das? Hauptsache mir geht's gut, was kümmern mich die Anderen. Also, geschätzte Landsleute, jeder Einzelne von uns ist deshalb gefordert für Veränderungen zum Positiven hin zu sorgen. Wenn wir weiterhin schlafen, vor uns hin träumen, nichts unternehmen und tatenlos zuschauen wird sich nichts ändern und alles