Neue Ära beim DGB: Zum ersten Mal steht eine Frau an der Spitze des Bundes der Gewerkschaften. Der Ordentliche Bundeskongress hat am Montag Yasmin Fahimi zur neuen DGB-Vorsitzenden gewählt. Mit 93,2 Prozent fiel das Votum der Delegierten klar und überzeugend aus. Die EVG sagt: Herzlichen Glückwunsch, Yasmin!
„Wir Gewerkschaften stehen in der Mitte der Gesellschaft“, so Yasmin in ihrer engagierten Bewerbungsrede. „Was wir leisten, kann sonst niemand.“ Mit dem „Symbolwert“ ihrer Wahl, nach 73 Jahren erste Frau an der DGB-Spitze zu sein, wolle sie sich aber nicht zufriedengeben. Die „volle Selbstbestimmung“ der Frauen im Berufsleben, in Politik und Gesellschaft bleibe als Ziel bestehen. „Frauen sind ein tragender Teil unserer Bewegung, und der Kampf gegen die Diskriminierung der Frauen ist unser aller Kampf.“
Zu Yasmins Stellvertreterin wurde mit 97,7% der Stimmen Elke Hannack wiedergewählt. Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden DGB-Vorstandes sind Anja Piel (96,3 %) und Stefan Körzell (97,1 %).
In ihrem Grundsatzreferat forderte Yasmin einen Aufbruch für eine gerechte Transformation und sozialen Frieden. Sie unterstrich den Anspruch der Gewerkschaften, gestaltende Kraft in der Arbeitswelt und der Gesellschaft zu sein. In Zeiten fundamentaler Veränderungen und Krisen würden Gewerkschaften gebraucht als Lotsen für eine gute Gesellschaft und Gestalter der Arbeitswelt. „Wir werden dafür sorgen, dass es auch in der Transformation gerecht zugeht und der soziale Frieden gesichert bleibt.“
Nur eine demokratisch gestaltete Transformation könne eine Erfolgsgeschichte werden. „Wer sich Tarifverträgen verweigert, wer das Recht auf Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen glaubt ignorieren zu können, der verurteilt die sozial-ökologische Transformation zum Scheitern. Sie wird nur mit den Beschäftigten und ihrer Kompetenz gelingen und nicht gegen sie.“ Deswegen müsse das Betriebsverfassungsgesetz grundlegend reformiert und eine echte Parität in Aufsichtsräten geschaffen werden. „Unternehmen sind keine konstitutionelle Monarchie. Erst die Mitbestimmung macht sie zum Teil der Demokratie.“
Wir brauchen mehr Gemeinwohlorientierung und eine funktionierende Daseinsvorsorge.
„Außerdem brauchen wir mehr Gemeinwohlorientierung und eine funktionierende Daseinsvorsorge.“ Notwendig sei auch mehr Verteilungsgerechtigkeit: Erlöse aus Vermögen und Spekulationen müssten stärker für das Gemeinwohl herangezogen werden. Um den Investitionsstau aufzulösen, bräuchten die öffentlichen Haushalte zusätzliche Einnahmen. Das Prinzip der „schwarzen Null“ sei aus der Zeit gefallen und „nichts anderes als eine Bremse gegen den aktiven Staat.“ Unser Gerechtigkeitsempfinden werde beleidigt, „wenn die zehn reichsten Deutschen ihr Vermögen während der Pandemie noch einmal um 100 Milliarden Euro vergrößern konnten. Die immer weiter auseinanderklaffende Einkommens- und Reichtums-Schere gefährdet den sozialen Frieden. Diese schreiende Ungerechtigkeit muss beendet werden.
Mit der Entlastung des Bundesvorstandes und der Aussprache über den Geschäftsbericht ist am Sonntag der erste Tag des DGB-Bundeskongresses zu Ende gegangen. Egal in welcher Branche: Die Corona-Pandemie hat die zu Ende gehende Legislaturperiode des DGB gekennzeichnet – positiv wie negativ. „Überall da, wo wir Betriebs- und Personalräte haben und wo gute Tarifverträge gelten, da sind wir deutlich besser durch die Krise gekommen“, so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in seiner mündlichen Ergänzung zum Geschäftsbericht. „Daraus kann nur folgen: Mitbestimmung und Tarifbindung müssen gestärkt werden.“
Deswegen sei es zu begrüßen, dass die Bundesregierung sowohl die Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes angehen als auch die Unternehmensmitbestimmung stärken will. Ebenso sei der neue Schwung aus Brüssel positiv zu werten: „Nach 20 Jahren sozialpolitischen Stillstands hat die EU-Kommission offenbar erkannt, dass sie gute Arbeit schützen muss – und nicht dass wir Gute Arbeit vor der EU schützen müssen.“ Mit den Mitteln des nationalen Arbeitsrechts könnten beispielswiese die Beschäftigungsverhältnisse in der Plattformökonomie nicht gestaltet werden.
Auch im Geschäftsbericht nahm der Krieg in der Ukraine einen breiten Raum ein. „Dieser Krieg ist auch ein Angriff auf die europäische Friedensordnung“, so Reiner. „Wir stehen solidarisch an der Seite der Menschen in einer freien Ukraine, aber auch an der Seite der Menschen in Russland und Weißrussland, die mutig gegen den Krieg protestieren.“ Er forderte die Freilassung von 20 inhaftierten Gewerkschafter:innen in Belarus. „Diese Inhaftierungen sind ein Angriff auf die freien Gewerkschaften insgesamt.“ Am Montag wird der OBK einen neuen Geschäftsführenden Bundesvorstand wählen. Für die Nachfolge von Reiner ist einstimmig Yasmin Fahimi nominiert worden – sie wäre damit nach 73 Jahren die erste Frau an der Spitze des Dachverbandes. Die Ampelkoalition, so Reiner, „will die 2020er Jahre zum Jahrzehnt der Gleichstellung machen. Das ist gut so. Wir schreiten dabei bereits voran.“ Die Wahl von Yasmin werde dafür „ein gutes Zeichen für den Aufbruch“ sein. „Ich weiß aber auch: ihr DGB-Frauen werdet nicht aufgeben, bis der Equal Pay Day auf Silvester fällt."
Elke Hannack ging in ihren mündlichen Ergänzungen unter anderem auf die Kampagne „Hier arbeitet ein Mensch“ ein. Der Startschuss dafür wurde auf dem OBK vor vier Jahren gegeben. „Wir haben damit auf die zunehmende Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst und in den privatisierten Bereichen aufmerksam gemacht“, so die DGB-Vize. „Die Resonanz darauf ist überwältigend und das zeigt, wie wichtig den Beschäftigten dieses Thema ist.“ In den öffentlichen Bereichen „muss massiv investiert werden, auch in Personal, um die Handlungsfähigkeit des Staates sicherzustellen."
Elke Hannack ging in ihren mündlichen Ergänzungen unter anderem auf die Kampagne „Hier arbeitet ein Mensch“ ein. Der Startschuss dafür wurde auf dem OBK vor vier Jahren gegeben. „Wir haben damit auf die zunehmende Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst und in den privatisierten Bereichen aufmerksam gemacht“, so die DGB-Vize. „Die Resonanz darauf ist überwältigend und das zeigt, wie wichtig den Beschäftigten dieses Thema ist.“ In den öffentlichen Bereichen „muss massiv investiert werden, auch in Personal, um die Handlungsfähigkeit des Staates sicherzustellen.“
In der Aussprache zum Geschäftsbericht ging EVG-Vorstand Cosima Ingenschay auf die Kampagne „Hier arbeitet ein Mensch“ ein. „Unsere Kolleginnen und Kollegen konnten während der Pandemie überwiegend nicht im Home Office arbeiten. Sie mussten und müssen bis heute auf die Einhaltung der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen achten und dabei haben sich vielfach die Konflikte verschärft.“ Die Beschäftigten würden auch für Missmanagement und falsche politische Entscheidungen verantwortlich gemacht, sie würden beleidigt, bespuckt und tätlich angegriffen. „Die Kampagne ist wichtig, um unseren Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, dass wir hinter ihnen stehen und um ihnen ganz klar zu sagen, dass sie Respekt verdient haben.“