Wenn am 26. Mai ein neues EU-Parlament gewählt wird, ist dies vielleicht die wichtigste Wahl überhaupt in der 40-jährigen Geschichte dieser Institution. Von der Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments wird abhängen, in welche Richtung sich das europäische Projekt entwickeln wird.
Rückblende…
…in den Februar 2014: Rund 3000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner aus ganz Europa, allein 1000 aus Deutschland, demonstrieren vor dem EU-Parlament in Straßburg, das an diesem Tag über das vierte Eisenbahnpaket debattiert. Das zeigt Wirkung: Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit lehnt das Parlament die von der Kommission gewünschte Trennung von Netz und Betrieb und die Verschärfung des Streikrechts ab.
…in den Juli 2018. Das EU-Parlament debattiert über das „Mobilitätspaket“. Es enthält unter anderem Verschlechterungen bei den Lenk- und Ruhezeiten für LKw-Fahrer/innen. Das Plenum des EU-Parlaments verweist die Vorschläge zur Nachverhandlung zurück in den Ausschuss. Zuvor hatten die europäischen Sozialpartner im Eisenbahnsektor, CER und ETF, die geplanten Verschlechterungen kritisiert. Die EVG hatte die deutschen EU-Parlamentarier in einer twitter-Aktion zur Ablehnung aufgefordert.
Zwei Beispiele, die zeigen: Politische Lobbyarbeit auf europäischer Ebene lohnt sich. Und immer wieder ist es das EU-Parlament, das als soziales Korrektiv wirkt; mit dessen Hilfe es gelingt, arbeitnehmer/innen-feindliche Vorhaben aus den Mitgliedsländern oder aus der EU-Kommission zu verhindern.
Darauf hoffen wir auch weiterhin. Doch gerade heute steht die Zukunft des gemeinsamen europäischen Projektes so auf der Kippe wie noch nie. Erstmals wird ein Mitgliedsland die Europäische Union verlassen. Und national orientierte, (rechts-) populistische, europakritische Parteien sind in vielen Ländern im Aufwind, in einigen sitzen sie bereits in den nationalen Regierungen. Bereits jetzt kann man rund 30 Prozent der Abgeordneten im EU-Parlament als Europagegner qualifizieren. Wenn ihre Zahl nach der nächsten Wahl ansteigen sollte, bedeutet das nichts Gutes für unser Ziel, Europa weiterzuentwickeln.
Und was bringt uns eigentlich „Europa“? Zum einen: die längste Friedensphase in der europäischen Geschichte. Und: „Brüssel“ kassiert nicht nur Geld. Die EU verteilt es auch wieder. Zum Beispiel über die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Aus diesen werden verschiedenste Projekte und Programme gefördert: in der Regional- und Stadtentwicklung, Beschäftigung, Verkehrs- und Strukturpolitik, Forschung und Technologie. In der laufenden Förderperiode, die von 2014 bis 2020 dauert, werden über diese Fonds 350 Milliarden Euro verteilt, darunter 19,2 Milliarden Euro nach Deutschland. Wir nutzen medizinische Geräte, fahren über Brücken, besuchen Naherholungsgebiete, die es ohne EU-Fördergelder vielleicht nicht gäbe.
Mit anderen Worten: Europa prägt unseren Alltag. Als Bürgerinnen und Bürger, als Beschäftigte, als Verbraucher/innen. Und in der Verkehrspolitik bestimmt die EU ganz wesentlich die Rahmenbedingungen – 80 Prozent der nationalen Gesetz-gebung im Bereich Verkehrspolitik bestehen in der Umsetzung von EU-Vorgaben. Die Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung der Beschäftigten (nicht nur) im Verkehrswesen werden ebenfalls maßgeblich durch die europäische Norm-gebung und Rechtsprechung mitgestaltet.
Deswegen kann uns nicht egal sein, wer im EU-Parlament sitzt. Deswegen muss Europa aber auch weiterentwickelt werden – in die richtige Richtung: sozialer als bisher, demokratischer als bisher. Das beste Mittel gegen Populismus und Europaskepsis ist eine Politik, die die Bedürfnisse der Menschen aufgreift, ihre Befürchtungen ernst nimmt und die die Menschen mitnimmt.
Im Arbeitsprogramm 2019 hat sich die EVG konkret folgende Ziele gesetzt:
„Wir rufen alle EVG-Mitglieder dazu auf, im Mai 2019 zur EU-Wahl zur gehen und dafür zu sorgen, dass Europaabgeordnete gewählt werden, die uns insbesondere bei den folgenden Themen unterstützen:
Deswegen: Wählen gehen am 26. Mai – und die Parteien und Politiker/innen wählen, die den europäischen Gedanken fortführen wollen.