Tagtäglich begegnet uns allen „Europa“ und seine EU. Als Beschäftigten, Verbraucher/ innen, Reisenden oder anderswie. Was bringt aber die Europäische Union (EU) im Berufsalltag für Eisenbahnerinnen und Eisenbahner? Das haben uns zwei Kollegen erzählt.
Vorschriften, Gesetze, Bestimmungen, Regeln und Signale. Wer im grenzüberschreitenden Verkehr unterwegs ist, muss sowohl die des eigenen Landes kennen, als auch die des jeweiligen Nachbarlandes. Einer, der das seit Jahren drauf hat, ist Dirk Flacke. Lokführer bei DB Cargo, Standort Offenburg, EVG-Mitglied. Im Dreiländereck hat er viel mit Kollegen aus der Schweiz und Frankreich zu tun. Er löst Züge an der Landesgrenze ab, fährt aber auch selbst über die EU-Grenze in die Schweiz und zurück.
Sein Berufsalltag ist vorwiegend international geprägt. Er muss sich in der dreisprachigen Alpenrepublik verständigen können, wie auch mit seinen französischen und italienischen Kollegen, die Züge bringen oder entgegennehmen. „Klappt alles weitestgehend reibungslos“. Nur der zeitraubende Systemwechsel und die Behandlung von Güterzügen aus der Schweiz erinnere ihn an die gleichen Abläufe mit Zügen aus Frankreich, als es noch keine EU gab. „Heute gibt es immer mal ein paar „Hemmschuhe“, mit denen wir zu kämpfen haben“, sagt Flacke. „Aber wir geben unser Bestes, damit alles funktioniert“.
Ich gehe 26. Mai auf jeden Fall wählen. Auch dafür, dass wir hier weiter in Frieden leben können. Das ist mir wichtig.
DB Cargo fahre aktuell mit den modernsten Mehrsystemloks, die es gerade gibt (BR 193). „Das ist in anderen Ländern nicht unbedingt so“, sagt Dirk. Bei zulaufenden Zügen bringe das schon mal Verzögerungen oder technische Probleme. „Aber das konnten wir bis jetzt immer gut untereinander lösen“, erzählt Dirk. „Hält nur etwas auf“.
Mit seinem Know-How aus den vergangenen 20 Jahren wünscht er sich künftig mehr Harmonisierung bei den Bahnen; für Regelwerke und Technik. Bislang gibt es für die rund 215 000 Europaweiten Gleiskilometer 11 000 Reglementierungen. Verbesserte Transportbedingungen im Eisenbahnsektor machten es allen, vom alten Hasen bis zum Azubi einfacher, wenn nötig grenzüberschreitend zu arbeiten. Das können wir nur mit einer demokratischen EU gemeinsam erreichen, sagt Dirk: „Ich gehe 26. Mai auf jeden Fall wählen. Auch dafür, dass wir hier weiter in Frieden leben können. Das ist mir wichtig.“
Die Freiheiten und Regelungen der Europäischen Union greifen in vielen Fällen unseres Alltags. Deswegen ist diese wachsende Ländergemeinschaft für unser Leben als Europäer von unmittelbarer Bedeutung. Was bringt aber die Europäische Union (EU) für Eisenbahner? Für 21 von ihnen auf jeden Fall eine neue Zukunft.
Seit 1983 ist Rudolf (Rudi) Frank Eisenbahner. Ursprünglich als Lokführer begonnen, ist er heute Betriebsrat bei Regio Bayern, Wahlbetrieb Oberbayern mit über 1000 Beschäftigten. Er kennt die Bahn. Und „seine Leute“ ihn. Wenn neue Mitarbeiter/innen dazu kommen, ist das gewissermaßen Routine. Aber nicht immer. Seit einem Jahr lernen 21 rumänische Lokführer auf das deutsche System um. Ziel ist eine Zukunft in Deutschland.
Die Geschichte, wie es dazu kam, ist so kurios wie bis jetzt einmalig: Es begann mit dem Sommerurlaub von zwei Kollegen und ihren Familien in Rumänien. Das Land befindet sich im Umbruch. Bereits vor Antritt der Reise hatten sie die Information, dass viele Lokführer dort ihren Job verlieren würden und ohne berufliche Zukunft sind. Nach Rücksprache nutzten sie spontan die Gelegenheit, um am Strand (!) mit Flyern für einen Jobwechsel nach Bayern zu werben. Ergebnis: Einhundert Bewerbungen. Die bayerischen Kolleginnen und Kollegen waren von der Reaktion überwältigt.
Ich habe großen Respekt vor den Kollegen. Sie sind fleißig und enorm motiviert.
Ein Drittel der Rumänen war bereit, den großen Schritt in ein neues Leben als Lokführer in Bayern zu gehen. Neben der Ausbildung in München besuchen sie jeden Mittwoch und Samstag einen Deutschkurs. „Ich habe großen Respekt vor den Kollegen. Sie sind fleißig und enorm motiviert“, sagt Rudi. Nur alle vier Wochen gehe es für ein Wochenende heim zu Frau und Kindern. Zudem haben sie teilweise ihren Beamtenstatus bei der rumänischen Staatsbahn aufgegeben. Das verdiene hohe Anerkennung, so Rudi Frank.
Diese zeigen die Bayern ihren rumänischen Kollegen auch gern mal bei gemeinsamer Freizeit. Mittlerweile haben sich einige der „Neuen“ gut eingelebt; sie stehen auf eigenen Füßen und haben ihre Familien hergeholt. „Für uns war das ein großartiger Erfolg“, so der Betriebsrat. Hier zeige sich Europa. Dass wir alles richtig gemacht haben, zeige uns der Erfolg und 21 neue, künftige Lokführer. Anfang Mai fängt die nächste Gruppe aus dem osteuropäischen Land an, in Deutschland zu lernen. „Darauf sind wir stolz“, sagt Rudi Frank.
Für ihn sei das ein Beispiel gelebter Gemeinschaft, europäischer Gemeinschaft, so Frank. „Wenn Du mi froagst“, so der Bayer in seinem landestypischen Dialekt, „müss ma Europa unbedingt erholden“. Er weiß auch sonst, was er an den Freiheiten hat, die die EU bietet.