Mehr Gleichstellung, mehr Vereinbarkeit, mehr Parität - die Bundesfrauenleitung der EVG geht mit einem starken Arbeitsprogramm in die neue Legislaturperiode. Die 3. Bundesfrauenkonferenz der EVG verabschiedete insgesamt 21 Anträge an den Gewerkschaftstag und den Bundesvorstand, darunter einen Leitantrag unter dem Motto „Wandel gestalten - Fortschritt einfordern“.
Einen ersten Ausblick auf die zentralen Themen gab Nadja Houy, wiedergewählte Vorsitzende der Bundesfrauenleitung, am Ende der Veranstaltung, die genau wie die Konferenz der Senior:innen als virtuelle Veranstaltung durchgeführt wurde. „Das Thema Parität wird uns in den kommenden fünf Jahren begleiten - im Arbeits- und Berufsleben, in der Gesellschaft insgesamt, aber auch innerhalb der EVG“, so Nadja. „Dafür müssen Formen der Vereinbarkeit möglich gemacht werden, nicht nur für Pflege und Erziehung, sondern auch für individuelle Weiterbildung. Ich freue mich, mit euch gemeinsam diese Themen in den kommenden fünf Jahren abzuarbeiten.“ Neben Nadja wurden auch ihre Stellvertreterinnen Vera Argauer und Angelika Neufert auf der konstituierenden Sitzung der Bundesfrauenleitung in der Konferenzpause wiedergewählt.
Für die Konferenz waren die Besprechungsräume in der Berliner Zentrale der EVG in eine Art Fernsehstudio verwandelt worden. So professionell die Atmosphäre in der Berliner Reinhardtstraße während der Konferenz ist, so professionell sind auch die rund 100 Konferenzteilnehmerinnen bei der Sache, die aus ganz Deutschland über einen Teilnahmelink zugeschaltet sind. Der Abstimmungsmarathon über die 21 Anträge aus der Bundesfrauenleitung selbst und aus den Landesverbänden wird abgewickelt, als wäre es Tagesgeschäft und am Ende kann eine durch und durch positive Bilanz gezogen werden.
„Wir setzen uns“, so heißt es im einstimmig verabschiedeten Leitantrag, „auf allen politischen Ebenen für eine gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter ein. Frauen müssen einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, die ihren eigenständigen Lebensunterhalt (auch im dritten Lebensabschnitt) sicherstellt. Dazu braucht es eine gerechte Aufteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern, eine bessere Vereinbarkeit in unterschiedlichen Lebensphasen/-situationen und eine echte Gleichstellung aller Menschen.“
Dafür werden konkrete Maßnahmen gefordert, u.a.:
Die Themen der weiteren Anträge zeigen das große Spektrum, mit dem sich die Frauen in der EVG befassen. Da geht es z.B. um Arbeitsbefreiung für die Begleitung bei Untersuchungen von zu pflegenden Personen bzw. bei der Vorsorgeuntersuchung von Kindern, um die Schließung der zeitlichen Lücke zwischen Elterngeldbezug/Elternzeit und der Aufnahme in eine Kindereinrichtung, um mehr Anreize für die Inanspruchnahme von Vätermonaten im Rahmen der Elternzeit, um die Schließung der Rentenlücke bei 450-Euro-Jobs etc.
Angetan von der Themenfülle, aber auch von den Schwerpunkten der Anträge zeigt sich DGB-Vorstandsmitglied Elke Hannack, die nicht nur für ein Grußwort zugeschaltet wird, sondern die ganze Konferenz am Bildschirm verfolgt. „Besonders beeindruckt mich, dass ihr die Freistellung für Arztbesuche und Pflege auch euren Tarifkommissionen ins Stammbuch schreibt. Das ist großartig. Denn damit zeigt ihr auf, dass bei Fragen der Gleichstellung nicht nur der Gesetzgeber in der Pflicht ist, sondern auch wir als Sozialpartner.“
„Ihr Frauen in der EVG“, so Elke, „seid sichtbar, das finde ich klasse. Ihr seid durchsetzungsstark und ungemein wichtig für den DGB. Lasst uns gemeinsam weitermachen, mutig und unüberhörbar. Wir alle sind das W im Wandel.“
Auch die DGB-Vorstandsfrau geht auf die Herausforderungen durch die aktuelle Situation insbesondere für die Gleichstellungspolitik ein. „Weder Pandemie noch Krieg machen alle gleich“, so Elke. „Es sind vor allem Frauen, die die Lasten der Familien- und Sorgearbeit tragen. Bestehende Ungleichheiten werden verstärkt.“ Nur wenn die Geschlechterperspektive beachtet wird, „können wir den Wandel gerecht gestalten.“ Laut Koalitionsvertrag wollen die Ampelparteien in diesem Jahrzehnt noch die völlige Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen. „Das ist gut uns richtungweisend. Aber wir haben den Eindruck, dass das bisher noch nicht alle in der Ampelkoalition verinnerlicht haben. Derzeit müssen wir immer noch mal dran erinnern, dass bei geplanten politischen Maßnahmen der Gleichstellungs-Check gemacht wird.“
Politischen Input steuerten bei der Bundesfrauenkonferenz auch die Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes der EVG bei. EVG-Vize Martin Burkert ging auf die aktuelle politische Situation ein: z.B. auf die dramatisch steigenden Energiepreise in Deutschland. Der DGB fordert u.a., die Stromsteuer auf das europarechtlich gebotene Minimum abzusenken, eine Deckelung der Endverbraucherpreise bei Strom und Gas und gezielte Unterstützung für Geringverdiener:innen, vor allem für Familien mit Kindern. „Und wir fordern statt der Pendlerpauschale ein Mobilitätsgeld, das unabhängig vom Einkommen und vom Verkehrsmittel gezahlt wird.“ Auch müssten die Extraprofite abgeschöpft werden. „Wir kritisieren aufs Schärfste die Mondpreise, die derzeit verlangt werden.“ Langfristig sei es auch energiepolitisch entscheidend, dass die Schiene massiv gefördert werde. Insofern sei der aktuell vorliegende Entwurf des Bundeshaushalts enttäuschend. „Die Mittel für die Schiene sind um 15 % gekürzt worden. Wenn wir Anfang April ein erstes Gespräch mit dem neuen Bundesverkehrsminister Wissing haben, wird das ein Thema sein.“
„Studien zeigen: Vielfalt ist ein positiver Treiber in vielen Unternehmen und Organisationen“, knüpfte Cosima Ingenschay an das Motto der Konferenz an. Da gebe es auch in der EVG noch Potenzial: Denn im Verlauf von 20 Jahren konnte der Frauenanteil in der Mitgliedschaft nur um einen knappen Prozentpunkt gesteigert werden – von 20,0 auf 20,8 %; in der Jugend liegt der Frauenanteil bei 16,6 %. „Wir müssen also sehen, wie wir für Frauen – insbesondere für junge Frauen – attraktiver werden.“ Die „Frauen-imtakt“ im März sei hier insofern ein guter Anfang gewesen. Positiv wertete Cosima, dass für den Ordentlichen Bundeskongress des DGB im Mai Anträge vorliegen, die Frauenthemen in allen Bereichen berühren. „Hier hat die EVG mitgewirkt und ich freue mich besonders, dass die EVG-Delegation zum OBK zu mehr als 50 Prozent aus Frauen besteht.“
Auch bei der Aufstellung der Listen für Betriebs- und Aufsichtsratswahlen legt die EVG Wert auf Geschlechterparität, so Kristian Loroch. „Der Mix muss stimmen.“ Die neu im Bundesvorstand verabschiedete Kandidaten-Richtlinie zur Aufsichtsratswahl „geht da in die richtige Richtung, hat aber auch noch Verbesserungspotenzial.“ In der Pandemie hätten viele Kolleginnen und Kollegen insofern gelitten, als sie in alte, bereits überwunden geglaubte Rollenbilder zurückgedrängt wurden. Hier versucht die EVG gegenzusteuern: „An der innovativen Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen z.B. durch das Wahlmodell sollten sowohl Männer als auch Frauen partizipieren.“
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