Entwicklungsgeschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland

Der Ursprung der deutschen Arbeiterbewegung wird von der Geschichtsschreibung meist in die Periode der ersten Organisationsgründungen in den 1830er Jahren gelegt, als sich im Ausland erste Geheimgesellschaften, wandernde Handwerker wie etwa der Bund der Gerechten bildeten.

Oft aber auch erst im Revolutionsjahr 1848, als mit der allgemeinen Arbeiterverbrüderung erstmals auch in Deutschland selbst Arbeiterorganisationen aktiv waren. Proteste von Arbeitenden sind jedoch durchaus älter und reichen zurück ist in die frühe Neuzeit, etwa die Beteiligung der Bergarbeiter an den Bauernkriegen der Jahre 1524 und 1525.

Ursprung

An die Frage des Ursprungs der Arbeiterbewegung knüpft sich auch die Frage nach dem Wesen. Bezeichnet sie allein die organisierte Bewegung in Form fester Vereinigungen oder auch unorganisierte Proteste, wie etwa wilde Streiks der Maschinenstürmer? Historiker wie Karl-Heinz Roth bejahen dies entschieden, die Mehrheit der historischen Darstellungen konzentriert sich auf die Organisationsgeschichte.

Am Anfang der organisierten Arbeiterbewegung standen zumeist Arbeiterbildungsvereine, die Bildungsarbeit mit kulturellen Angeboten und politischen Zielen verbanden. In Deutschland war es maßgeblich Ferdinand Lassalle der immer wieder demokratische und sozialökonomische Reformen zum Wohl der Arbeiterklasse forderte, die sich mehrheitlich aus Lohnabhängigen und zumeist ungelernten Arbeitern, Tagelöhnern und verarmten Handwerkern zusammensetzte. Lassalle gründete als ersten zentralen Verein 1863 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), der von dem Grundsatz ausging, dass die Durchsetzung des gleichen und allgemeinen Wahlrechts eine parlamentarische Vertretung der sozialen Interessen der Arbeiter und die Beseitigung der Klassengegensätze ermöglichen würde. Demgegenüber vertrat die 1869 unter Führung von August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach gegründete sozialdemokratische Arbeiterpartei strenger die an Marx orientierten revolutionären Grundsätze. Die darstellende Kunst bildete mit Gemälden wie „Der Sozialist“ eine Bühne zur Formung des Selbstverständnisses der sozialdemokratischen Bewegung nach der Reichseinigung 1871.

Neben dem Leipziger Vorwärts und dem Hamburg - Altonaer Volksblatt gehörte die ab 1876 erscheinende Berliner Freie Presse zu den drei größten sozialdemokratischen Tageszeitungen im Deutschen Reich. Die Titelbegriffe Freiheit und Gerechtigkeit standen allerdings in krassem Widerspruch zu Lebenswirklichkeit politisch engagierter Arbeiter: Hausdurchsuchungen, Verbote, Beschlagnahmungen und Verhaftungen waren auch schon vor Erlass des Sozialistengesetzes 1878 an der Tagesordnung. Sie steigerten die Unzufriedenheit und den Hass vieler Arbeiter und anderer Menschen auf den konservativen Staat und seine Gesellschaftsordnung.

Die Arbeiterbewegung ist politisch nicht gewollt

Unter dem Eindruck gemeinsamer politischer Verfolgung durch den Reichskanzler Otto von Bismarck hatten sich der ADAV und die sozialdemokratische Arbeiterpartei 1875 in Gotha trotz programmatischer Differenzen zur sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zusammengeschlossen. Aufgrund des Sozialistengesetzes wurde die SAP 1878 verboten, gründete sich aber nach dessen Aufhebung 1890 als sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) neu. Noch immer bestand ein deutlicher Widerspruch zwischen den bei vielen Arbeitern auf Sympathie stoßen den revolutionären Theorien von Marx und den realen Möglichkeiten ihrer Umsetzung. Innerhalb der SPD Führung setzte sich in den 1890 er Jahren die Überzeugung durch, eine revolutionäre nicht aber Revolutionen machende Partei zu sein.

Innerhalb der Arbeiterschaft sah sich die SPD einem starken Gegner in Gestalt der christlichen Gewerkschaften gegenüber. Viele Arbeiter fühlten sich von sozialistischen Ideen angezogen und hatten sich von der Kirche abgewandt. Die Kirchen unternahmen daher Anstrengungen, diesen Tendenzen entgegenzuwirken: mit Wanderarbeiterstätten, Arbeiterkolonien und karitative Unterstützung versuchte sie, Arbeiter an sich zu binden. Sozialpolitische Aktivitäten ließen den deutschen Katholizismus nach der Sozialdemokratie zur zweiten großen Kraft innerhalb der Arbeiterbewegung werden. Die ab 1894 gegründeten christlichen Gewerkschaften besaßen annähernd 350.000 Mitglieder. Ihre Hochburgen lagen in den Industriezentren an Rhein, Ruhr und Saar sowie in Schlesien. Aufgrund der starken konfessionellen Bindungen an die katholische Kirche waren viele dort ansässige Arbeiter auch Mitglied in einem der christlichen Arbeitervereine.

Die Forderungen der Arbeiterbewegung galten vor allem sozialen Maßnahmen, denen häufig auch durch Streiks Nachdruck verliehen wurde. Gegenüber Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit waren Arbeiter nicht abgesichert. Sie raubten den Menschen ihre Existenzgrundlage und konnten Familien schnell in den Ruin treiben. Als die Forderungen nach Schutz vor dem Abstieg in die Armut immer lauter wurden, reagierte Bismarck ab 1883 mit der Einführung von Sozialgesetzen. Bismarck hatte erkannt, dass die unübersehbare soziale Not in Deutschland ein staatliches Eingreifen erfordere. Zugleich wollte er mit der Sozialgesetzgebung die Arbeiter der Sozialdemokratie entfremden und an den Staat binden. Ein Hauptziel der Arbeiterschaft war die Einführung des Achtstundentages. Diese Forderung wurde allerdings erst im Zuge der Revolution von 1918/19 verwirklicht.

Gewerkschaften und Arbeiterbewegung

Neben den Arbeiterparteien bildeten sich schon seit 1848 Gewerkschaften heraus, die ihre Ursprünge zunächst in den Handwerkervereinen des ausgehenden Mittelalters hatten, in ihrer moderneren Form jedoch als Anhang der verschiedenen Parteien neu entstanden. So gab es in den 1860er Jahren lasalleanische, marxistische aber auch der liberale Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine. Seit den 1890er Jahren kamen die christlichen Gewerkschaften hinzu. Die freien Gewerkschaften waren bis zum Ende 1933 die mit Abstand stärkste Gewerkschaftsausrichtung. Während die Parteien auf politischer und parlamentarischer Ebene aktiv waren, sahen sich die Gewerkschaften vor allem als ökonomische Interessenvertretung der arbeitenden Menschen und führten Streiks und Lohnkämpfe durch. In Deutschland war diese Trennung von Politik und Ökonomie besonders stark, während in Frankreich die Tradition des Syndikats dominierte, in der auch die Gewerkschaften durch politische Streiks und ähnliche Maßnahmen gesellschaftliche Gegenentwürfe einforderten.

Zu den wichtigsten Forderungen der frühen Arbeiterbewegung gehörten neben freien Wahlen sowie Presse-und Meinungsfreiheit soziale Forderungen: ein menschenwürdiges Dasein, also Mindestlöhne, der Achtstundentag, die Fünftagewoche, Arbeitsschutz, der Kündigungsschutz und die Sicherung bei Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit. Daneben spielte die Arbeiterbildung eine wichtige Rolle. Diese Errungenschaften wurden mit Streiks Stück für Stück erkämpft, blieben jedoch immer umstritten: Der in der Novemberrevolution erstmals errungene Achtstunden Tag wurde Mitte der 1920er Jahre von Unternehmerseite wieder aufgekündigt, ebenso die 1927 eingerichtete Arbeitslosenversicherung, die schon 1930 von Regierungsseite nicht mehr unterstützt wurde. Dieser Wechsel von Erfolgen und Rückschlägen führte dazu, dass sich neben der Sozialreform die Idee einer sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft lange hielt und heute wieder neu diskutiert wird.

Quellenverweis

Dokumentationen der EVG Geschichte, Wikipedia

Friedrich Rewinkel

EVG Geschichte, im Februar 2022

E-Mail: geschichte@evg-online.org