Gewerkschaftliche Solidarität und Widerstand: Die gewerkschaftliche Interessenvertretung hat als ursprünglicher Zusammenschluss schutzloser Arbeiter von Anbeginn an mehr als einen materiellen Inhalt gehabt. Sie hat eine kulturpolitische und eine staatspolitische Aufgabe von Rang erfüllt und mit Recht wurde von einem auf dem Gedanken der Solidarität beruhenden „Gewerkschaftsethos“ gesprochen.
Für die Initiative selbstbewusster Arbeiter und eine aus ihrem eigenen Wollen geschaffene Gewerkschaftsbewegung hatten die Führer der nationalsozialistischen Arbeiterpartei jedoch keinen Sinn. Sie lehnten das Mitbestimmungs- und Streikrecht ab:
Wer sich der Arbeitsdienstpflicht entzieht, verliert den Anspruch auf Existenz, wer verlangte Arbeit verweigert, wird erschossen, hieß es in den berüchtigten Boxheimer Dokumenten des Jahres 1931.
Der kollektive Arbeitsvertrag, Ziel und Inhalt jeder Gewerkschaft, war mit dem nationalsozialistischen Programm ebenso unvereinbar wie der Ideengehalt einer Massenorganisation unter dem Gesetz des Füreinander-Einstehens. Der Konflikt wäre deshalb auch ohne die enge Verbindung zwischen der gewerkschaftlichen und der politischen Arbeiterbewegung unvermeidlich gewesen.
In den ersten Monaten nach der Machtübernahme der Nazis gingen die Meinungen nur noch über die Methoden auseinander, die zur Ausschaltung der Gewerkschaften angewandt werden sollten. Alfred Hugenberg bot die von ihm begünstigten „wirtschaftsfriedlichen“ Fachvereine als Nachfolge an. Die „Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation“ (NSBO) wollte selbst das Erbe antreten. Einigen Führern der NSDAP schwebte eine Gleichschaltung der bestehenden Gewerkschaften vor, andere drängten auf eine halbstaatliche „Organisation der Arbeit“.
Die Übergriffe auf Gewerkschaften
Zu gleicher Zeit häuften sich tätliche Übergriffe. Nach den Angaben einer Denkschrift, die der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes am 5. April 1933 der nationalsozialistischen Regierung überreichen ließ, waren bis zum 25. März 1933 in 39 Orten die Gewerkschaften und deren Büros durch SA, SS oder Polizei besetzt worden. In weiteren Städten waren Beschlagnahmen erfolgt. Berichte aus 18 Städten in den Tagen vom 25. März bis 3. April ergänzten die Zusammenstellung, in der es abschließend hieß: „es tritt insbesondere auch eine Störung der Unterstützungsanweisungen und -Auszahlungen an arbeitslose, kranke und invalide Mitglieder ein.
Durch die Besetzung der Büros wurden Auskunft und Beratung für Mitglieder in allen arbeitsrechtlichen und beruflichen Angelegenheiten völlig unterbunden. Hinzu kommt der ungeheure Terror, der sich insbesondere in der Zeit nach den abgeschlossenen Wahlen in fast allen Gebieten Deutschlands gegen die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Funktionäre der Gewerkschaften auswirkte. Die Zahl der ohne Angabe von Gründen Verhafteten geht in die Hunderte. Zahlreiche Fälle wurden gemeldet, wobei die Betroffenen in der Regel nachts aus ihren Wohnungen verschleppt und teilweise unmenschlich verprügelt wurden. Diese Menschen hatten Angst vor weiteren Strafexpeditionen. Deshalb hüteten sie sich schriftliche Angaben zu machen. Die Polizei lehnte in der Regel ein Eingreifen für die Verschleppten und Geprügelten ab. Die nationalsozialistische Regierung wurde gebeten alles einzusetzen, um Recht und Gerechtigkeit in Deutschland wieder zur Geltung zu bringen. Vergebens!
Die Gewerkschafter waren sich nicht einig
Trotz solcher Ereignisse hatte ein Teil der Gewerkschaftsführer geglaubt, im vermeintlichen Interesse der Arbeiterschaft ihre Verbandsgemeinschaften dem neuen Regime angleichen zu wollen, um „zu retten, was noch zu retten war“. Der 1. Mai 1933, der als nationalsozialistischer Feiertag proklamiert wurde, forderte neben anderen Gewerkschaftsbünden sogar der Vorstand des ADGB die Mitgliedschaft auf, diesen Tag die bisher auch als eigenen Feiertag zu betrachten. Doch am Tage darauf wurde der gleiche Vorstand mit brutaler Gewalt beiseitegeschoben.
Goebbels trägt in sein Tagebuch am 17. April 1933 ein:
„Hier, auf dem Obersalzberg, habe ich mit dem Führer die schwebenden Fragen eingehend durchgesprochen. Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden wir dann die Gewerkschaftshäuser besetzen. Gleichschaltung also auch auf diesem Gebiet. Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, aber dann gehören sie uns. Man darf hier keine Rücksicht mehr kennen … Sind die Gewerkschaften in unserer Hand, dann werden sich auch die anderen Parteien und Organisationen nicht mehr lange halten können“.
Die „Deutsche Arbeitsfront“ wird von den Nazis installiert
Den geplanten Gewaltakt führte die SA am 2. Mai 1933 durch. Damit wurden zunächst die freien, sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften aufgelöst und am 24. Juni 1933 formell auch die christlichen Gewerkschaften, die vorher jedoch schon ähnlichen Bedrängnissen ausgesetzt waren. Nach entsprechendem Druck auf die übrigen Verbände entstand als staatliche Zwangsvereinigung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern die „Deutsche Arbeitsfront“ unter dem Kommando des Dr. Robert Ley.
Bei den parteiinternen Kämpfen hatte er seinen Kontrahenten Schumann, der die Gewerkschaften als „Nationalsozialistische Arbeiter-Organisation“ fortführen wollte, überspielt.
Die „deutsche Arbeitsfront“ sollte im Innern und in enger Zusammenarbeit mit der Gestapo - nach den Worten Leys - als Kontrollsystem dienen, um Gegner oder auch nur abseits stehende entlarven zu können. Nach außen jedoch wollte Ley selbst als legitimer Vertreter der deutschen Arbeiterschaft erscheinen. Leys Versuch, sich bei der Tagung des Internationalen Arbeitsamtes in Genf im Juli 1933 auf das Ansehen des international renommierten deutschen Gewerkschaftsvertreter Wilhelm Leuschner stützen können schlug fehl. Leuschner, der seit dem 2. Mai verhaftet war und plötzlich wieder aus dem sogenannten Todesblock in dem Zuchthaus Berlin-Plötzensee herausgeholt wurde, um als internationaler Mandatsträger den Leiter der deutschen Arbeitsfront bei der Genfer Versammlung einzuführen. Leuschner trotzte dort Ley durch sein mutiges Schweigen.
Dies trug ihm nach der Rückkehr an der deutschen Grenze seine erneute Verhaftung durch die Gestapo und eine mehrjährige KZ-Haft ein. Wie er wurde fast die ganze Gewerkschaftsführung durch Haft und Verfolgung ausgeschaltet oder durch berufliche Einschränkungen jeglicher Wirksamkeit beraubt. Diese Maßnahmen, denen freilich auch einige Gewerkschaftsfunktionäre durch Loyalitätserklärungen oder Einordnung in die Arbeitsfront zu entgehen versuchten, sollten den Widerstandswillen der Mitgliedschaft weitgehend brechen.
Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund zählte nach dem Stand von 1930 fast 5 Millionen Mitglieder, der mit ihm verbundene Allgemeine Freie Angestelltenbund 500.000. Die christlichen Gewerkschaften, die vor allem im katholischen Westen verankert waren, hatten etwa 1 Million, der Deutsch Nationale Handlungsgehilfenverband 300.000 und die liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften 150.000 Mitglieder. Daneben gab es verschiedene Beamtenverbände und eine Reihe sonstiger kleinerer Gruppen.
Die Frage, welche Chancen für die Demokratie noch Ende 1932 gegeben waren, wurde viel diskutiert. Vor allem in der Zeit, als General von Schleicher während seiner kurzen Kanzlerschaft Verbindung zu den Gewerkschaften suchte. Weniger bekannt wurde die Tatsache, dass dann sogar noch im Februar 1933 der Kreis um den Reichspräsidenten von Hindenburg Kontakt mit dem ADGB aufgenommen hatte. Er wollte wissen, ob die Gewerkschaften bereit sind bei einem etwaigen offenen Staatsstreik der Nationalsozialisten, man sprach von einem Marsch auf Berlin, in den Generalstreik zu treten. Jedoch die Möglichkeiten, durch die Schlagkraft der Gewerkschaften Hitler den Weg zur totalen Macht zu verbauen, waren außerordentlich beschnitten. Die große Wirtschaftskrise mit der erdrückenden Arbeitslosigkeit hatte die Gewerkschaften bereits vorher empfindlich geschwächt und zu einer gefährlichen Trennung der beschäftigten Arbeiter und Angestellten von ihren erwerbslosen Kollegen geführt.
Terror und Gewalt verhindern Generalstreik
Das ehemalige ADGB-Vorstandsmitglied Franz Spliedt schilderte die Lage später in einem Brief vom 6. Februar 1956: „Bei sechs ein halb Millionen Langzeitarbeitslosen und Millionen Kurzarbeitern, bei schwer bewaffneten, den offenen Kampf suchenden SA-Banden war praktisch ein Generalstreik unmöglich. Der Generalstreik hätte Tausende nutzlos in den Tod gejagt. Und doch wollten die Gewerkschaften den Versuch wagen. Unsere Organisation in Sachsen glaubte hier an günstige Voraussetzungen für einen Generalstreik. Sie erhielt von uns Vollmacht. Der Versuch blieb jedoch in der Vorbereitung stecken, weil auch hier die Massenarbeitslosigkeit jeden Elan verhinderte“.
Die Entschlusskraft zu einem Generalstreik war zudem auch dadurch gelähmt, dass die Kommunisten einen großen Teil der Verzweifelten in ihre „Rote Gewerkschafts- Opposition“ (RGO) aufgenommen hatten.
Immerhin hatten die Betriebsrätewahlen im Jahr 1931 bewiesen, dass den Nationalsozialisten der Einbruch in die Betriebe nicht gelungen war. Von insgesamt 138.000 gewählten Vertretern entfielen danach auf:
Freie Gewerkschaften: 115.671
Christliche Gewerkschaften: 10.956
Hirsch-Dunckersche Gewerkschaften: 1.560
Kommunisten: 4.664
Nationalsozialisten: 710
Selbst die wenigen Zahlen, die von den unter nationalsozialistischem Terror abgehaltenen Betriebsrätewahlen im März und April 1933 gerettet wurden, ergaben noch ein ähnliches Bild der abgegebenen Stimmen wie oben dargestellt.
Nicht selten wurden die Betriebsvertretungen gezwungen, zugunsten nationalsozialistischer Kollegen zurückzutreten.
An manchen Stellen war eine sehr geringe Beteiligung zu verzeichnen und vielfach mussten plumpe Fälschungen das negative Wahlergebnis der Nazis verdecken.
Widerstand an der Basis
Relativ schnell hatten sich aus den in der Gewerkschaft geformten Gemeinschaften auf betrieblicher, branchenmäßiger oder beruflicher Basis, kleinere Zirkel gebildet. Diese wollten sich weder beugen noch in die völlige Vereinsamung zurückziehen. Die Zusammenkünfte, häufig in Form von Sonntagsausflügen, konnten den Nachrichtenhunger und das Bedürfnis nach Aussprache im vertrauten Kreis realisieren. Dies hatte jedoch wiederholte Verhaftungsaktionen durch die Nationalsozialisten zur Folge. Getroffen hat es zum Beispiel auch den stellvertretenden Vorsitzenden des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands Matthäus Hermann. Es waren Menschen, die bereit waren, für ihre Prinzipien und Ziele Opfer zu bringen. Andere Gewerkschafter haben ihre Überzeugung mit dem Tode bezahlt. Dokumente gewerkschaftlicher Gesinnungstreue waren auch die Aufklärungsschriften, die in den Betrieben von Hand zu Hand weitergereicht wurden.
Eine wesentliche Rolle haben auch die gewerkschaftliche Opposition wie im sozialdemokratischen Widerstandsbereich die Verbindungen mit emigrierten und ausländischen Gesinnungsfreunden gespielt.
Dabei erwies sich der Wert der inneren Einheit zwischen politischer und gewerkschaftlicher Tätigkeit, die sich nach der Zerschlagung der alten Arbeiterorganisationen vor allem in jenen deutschen Kreisen entwickelt hatte, in denen die Partei-oder Gewerkschaftszugehörigkeit zu einer häufig bewusst gepflegten Familientradition geworden war. Diese innere Einheit fand über die Grenzen Deutschlands hinaus ihren Zuspruch.
Dies zeigte sich gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur, als die internationalen Bemühungen darauf gerichtet waren, Exilstellen mit möglichst festen Arbeitskontakten zu den Oppositionsgruppen in Deutschland zu organisieren.
Die Unterstützung „von außen“ wurde zu einer lebenswichtigen Sache. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) schuf Außenstellen und verschiedene Stützpunkte und führte eine Reihe von Geheimkonferenzen in den europäischen Nachbarländern durch. Die sogenannten Berufsinternationalen des IGB gaben den Mitgliedern der deutschen Verbandszweige Hilfestellung. Eine besondere Stütze der deutschen Hitlergegner war die Internationale Transportarbeiter Föderation (ITF) unter Leitung von Edo Firmen in Amsterdam. Seine Organisation leistete eine umfassende publizistische und organisatorische Arbeit. Sie führte zahlreiche Grenzbesprechungen mit Freunden aus Deutschland durch mit dem Vorteil, sich dabei auf die Mitarbeit von Eisenbahnern, Binnenschiffern und Seeleuten stützen zu können. Hierdurch wurde auch eine Reihe politisch besonders gefährdeter Deutscher vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt.
Widerstandsgruppen um Hans Jahn und weitere
1937 hatte eine Gruppe von Eisenbahnern im Rheinland über Hans Jahn Verbindung mit der ITF in Holland aufgenommen. Die Widerständler flogen auf und wurden vom Volksgerichtshof mit bis zu 15 Jahren Zuchthaus bestraft. In der Anklageschrift wurde ihnen vorgeworfen:
„Jede gewerkschaftliche Betätigung könne nur für Sozialdemokraten und Gewerkschafter einen Sinn haben. Jeder Wiederaufbau der Gewerkschaften und damit zusammenhängenden Fragen ist Hochverrat.“
Schon zuvor hatte der Volksgerichtshof in anderen Gruppen-Prozessen ähnliche Feststellungen getroffen. Wenn auch in der schmähenden Form der Verurteilung, so bestätigten sie die Wahrheit, dass sich nach dem Verlust der Vereinigungsfreiheit Gewerkschafter und Sozialdemokraten vielerorts in dem Geist solidarischen Widerstandes zusammengefunden hatten. Und parallel dem alten solidarischen Gedanken gab es gerade auf dem Boden der Arbeiterbewegung viele unvergessliche Beweise ausländischer Solidarität mit dem deutschen Widerstand.
Spätestens ab 1940 sind aus Deutschland Widerständler und andere in die westeuropäischen Länder geflüchtet. Sie waren durch den Vormarsch der Nazis erneut dem Zugriff der Nazis ausgesetzt.
Die amerikanischen Gewerkschaften intervenierten bei Präsident Roosevelt und erreichten, dass diesen Gefährdeten unter Fortfall der üblichen Einwanderungsformalitäten Not-Asyl in den USA gewährt wurde.
Wesentliche Unterstützung erfuhr diese Hilfsaktion durch das „jüdische Arbeiterkomitee und seine Arbeiter“ Sie spendeten Tausende von Dollar. Dadurch konnten zahlreiche Hitlergegner gerettet werden, die sonst zugrunde gegangen wären.
Weiter versuchten Vertreter der amerikanischen Gewerkschaften sich rechtzeitig über die Zustände in Europa zu informieren und für den Tag nach dem Sturz des Unrechtssystems eine Zusammenarbeit mit den demokratischen Kräften in Deutschland vorzubereiten.
Information der Opposition stark eingeschränkt
Um die innerdeutsche Opposition hatten Faschismus, Diktatur und Krieg einen fast undurchdringlichen Sperrkreis gelegt. Damit entfielen die notwendigen gegenseitigen Informationsmöglichkeiten. Die vereinzelten Begegnungen auf dem Boden neutraler Länder konnte kaum eine ausreichende Basis bieten. Auch auf den Ebenen der internationalen Arbeiterbewegung traten Zweifel auf an der Standfestigkeit der ehemaligen deutschen Gewerkschaftskollegen und Parteifreunde. Diese Zweifel wurden auch durch den Aufstand vom 20. Juli 1944 nicht überwunden, weil das Hitler Regime sofort alle Mittel der totalen Diktatur aufgeboten hatte, um die Wahrheit der Geschehnisse zu verwischen.
Es war jedoch kein Zufall, wenn sich die Vertreter der verschiedenen Widerstandsrichtungen darauf geeinigt hatten, dass in der kommenden deutschen Regierung, die für den Tag nach der Beseitigung Hitlers geplant war, der Gewerkschaftler Wilhelm Leuschner das Amt des stellvertretenden Kanzlers übernehmen sollte. Zweifellos wollten die Beteiligten dadurch die staatspolitische Bedeutung der Gewerkschaften bei der demokratischen Neuordnung Deutschlands unterstreichen. Sie sahen aber auch in Leuschner, aufgrund seiner politischen Standfestigkeit und seiner weitreichenden gewerkschaftlichen Beziehungen als Bindeglied zu jenen Männern und Frauen, die dem Ideengehalt der Arbeiterbewegung innerlich treu geblieben waren.
Doch ein gefahrvoller und mühseliger Weg musste zurückgelegt werden, bis das Netz gewerkschaftlicher Vertrauensleute über ganz Deutschland gespannt war.
An zahlreichen Orten wurden erfahrene und bewährte Gewerkschafter ausgewählt, um unverzüglich als „politisch Beauftragte“ der künftigen demokratischen Regierung in Aktion zu treten. Dazu gehörten auch unter anderem die Eisenbahn-Gewerkschafter Hans Jahn, Franz Apitzsch, Lorenz Breunig, Hermann Jochade usw..
Der Mut vieler Gewerkschafter im Faschismus ist vergleichbar dem Geist zur Gründung der Arbeiterorganisationen, der auch nicht nach Risiken und Erfolgschancen fragen ließ. Über die damaligen Auseinandersetzungen hinaus verlangte diesmal jedoch der Kampf um das Arbeiterrecht auf freies solidarisches Bündnis den Einsatz des Lebens und von vielen das letzte Opfer, den Tod.
Auszug aus dem Buch „Das Gewissen entscheidet“, Bereiche des deutschen Widerstandes von 1933-1945 in Lebensbildern, von Annedore Leber, Mosaik Verlag 1957, 1958 2. Aufl.
Anmerkungen:
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus……so lautete der Schwur der Überlebenden des Unrechtssystems.
Keine Macht mehr von Menschen über Menschen wie sie der Faschismus zwölf Jahre praktiziert hat. Freiheit und Demokratie für das deutsche Volk!
Dazu gehören zweifelsohne freie und demokratisch aufgebaute Gewerkschaften.
Forschungsprojekt:
Eisenbahngewerkschafter im NS-Staat:
Verfolgung-Widerstand-Emigration (1933-1945)
Von Professor Dr. Siegfried Mielke, Dr. Stefan Heinz, beide Berlin und Eberhard Podzuweit, EVG Berlin
Die unrühmliche Rolle der Deutschen Reichsbahn im Nationalsozialismus ist weitgehend bekannt. Das gleiche gilt jedoch nicht für den Widerstand gewerkschaftlich organisierter Eisenbahner gegen das NS-Regime. Politologen, Historiker in Deutschland vertreten dazu unterschiedliche Auffassungen. Es geht darum, wie denn der Widerstand der Eisenbahngewerkschafter und somit der Eisenbahnerrinnen und Eisenbahner zu werten sei, war er unbedeutend oder effektiv?
Professor Mielke hat sich, wie kaum ein anderer in Deutschland, über wissenschaftliche Forschungen mit dem Thema Widerstand auseinandergesetzt und sehr viele Publikationen darüber veröffentlicht. Er hatte sich zur Aufgabe gestellt unter anderem den Widerstand der Eisenbahngewerkschafter im NS Staat wissenschaftlich aufzuarbeiten und zu publizieren. Dabei hat ihn die EVG Geschichte unterstützt. Sein Forschungsprojekt kommt zu dem Ergebnis, dass die Eisenbahner* innen in wesentlich größerem Umfang am Widerstand beteiligt und von den Verfolgungen durch den NS-Staat betroffen waren, als es in der Fachwissenschaft und in der Öffentlichkeit bisher wahrgenommen wurde.
Die EVG ist dankbar, dass das Ergebnis dieses Forschungsprojekts auf dem zweiten ordentlichen Gewerkschaftstag der EVG vom 12. bis 16. November 2017 in Berlin von den Autoren vorgestellt wurde.
Eine EVG-Sonderauflage dieses Buches steht Mitgliedern kostengünstig zur Verfügung. Das Buch kann auch über den Buchhandel bezogen werden.
In den Büchern der EVG Geschichte ist das Thema „Gewerkschaftlicher Widerstand gegen den Faschismus“ umfangreich dargestellt.
Die EVG Geschichte empfiehlt das Buch: „Der Ständige Kampf“, 2. Aufl. 2018.Es steht allen EVG-Kolleg*innen kostenlos zur Verfügung.
Weiterer wichtiger Hinweis:
Die ARD lässt zurzeit einen Dokumentationsfilm durch den bekannten Filmemacher Hermann Abmayr erstellen (SWF) erstellen. Diese Fernseh-Dokumentation soll den Titel tragen: „Widerstand und Verfolgung von Eisenbahnern in der NS-Zeit“ (Arbeitstitel).
Voraussichtlicher Sendetermin März/April 2022.
Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Katholiken holten,
habe ich nicht protestiert;
ich war ja kein Katholik.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
Martin Niemöller
Lied einer deutschen Mutter
Mein Sohn, ich hab dir die Stiefel
und dies braune Hemd geschenkt:
Hätt ich gewusst, was ich heute weiß
hätt ich lieber mich aufgehängt.
Mein Sohn, als ich deine Hand sah
erhoben zum Hitlergruß,
wusste ich nicht, daß dem, der ihn grüßet
die Hand verdorren muss.
Mein Sohn, ich hörte dich reden
von einem Heldengeschlecht.
Wusste nicht, ahnte nicht, sah nicht:
du warst ihr Folterknecht. Mein Sohn, und ich sah dich marschieren
hinter dem Hitler her
und wusste nicht, dass, wer mit ihm auszieht
zurück kehrt er nimmermehr.
Mein Sohn, du sagtest mir, Deutschland
wird nicht mehr zu kennen sein.
Wusste nicht, es würd werden
zu Asche und blutigem Stein. Sah das braune Hemd dich tragen,
hab mich nicht dagegen gestemmt.
Denn ich wusste nicht, was ich heut weiß:
Es war dein Totenhemd.
Bertold Brecht
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Friedrich Rewinkel, EVG Geschichte, im Februar 2022