Der Eisenbahngewerkschafter Hans Jahn dürfte vielen Kolleg:innen, die mit der Geschichte der EVG und dem Widerstand der Eisenbahner:innen gegen das NS-Regime vertraut sind, ein Begriff sein. Weniger oft steht Frieda Jahn, seine Ehefrau im Fokus. Dabei spielte sie beim Widerstand gegen die Nationalsozialisten, insbesondere nach der Verhaftung von Hans Jahn, eine wesentliche Rolle.
„Friedel“, wie sich auch genannt wurde, wurde als Frieda Richter am 28. Februar 1904 in der Kleinstadt Dahlen in Sachsen als Kind des Eisenbahners Hermann Richter (Mutter namentlich nicht bekannt) geboren. Über ihr Leben vor 1933 ist relativ wenig bekannt. Zu einem unbekannten Zeitpunkt trat sie der SPD bei und arbeitete von 1930-1932 als Stenotypistin beim Deutschen Eisenbahner Verband (DEV) bzw. beim Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands (EdED) in Leipzig. Zuletzt war sie dort als Sekretärin von Otto Endorf tätig (1884-1948), der ebenfalls im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv war.
Durch die Arbeit lernte sie Hans Jahn kennen. Am 03. Oktober 1932 heirateten sie beide und zogen kurz darauf nach Berlin.
1934 wurde ihr gemeinsames Kind Marion Jahn (1934-1984) geboren. Aus erster Ehe brachte Hans bereits zwei fast erwachsene Kinder mit in die Familie. Käthe Jahn (geb. 04. Juli 1914) arbeitete zwischen November 1928 und August 1931 als Kontoristin beim EdED. Im Zuge der Ermittlungen gegen Friedel und Hans Jahn wurde sie am 30. Juli 1935 kurzzeitig von der Gestapo verhaftet und verhört.
Nach der Machtübernahme des NS-Regimes unterstütze Friedel Jahn aktiv den Widerstand. Während dieser Zeit taucht auch ihr Tarn-/Deckname Lisa in Briefen auf. Das Widerstandsnetzwerk, dem sie angehörte, wurde von Hans Jahn im engen Kontakt mit der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) und dessen Generalsekretär Edo Fimmen organisiert. 1937 umfasste dieses über 1.300 Eisenbahner:innen. Der Schwerpunkt des Netzwerks lag im Rhein-Ruhrgebiet, Sachsen und Schlesien.
Die Gruppenmitglieder schleusten illegale Literatur nach Deutschland und sammelten Informationen über die Arbeits- und Lebensbedingungen bei der Deutschen Reichsbahn. Nach Kriegsbeginn 1939 gingen sie auch dazu über, Sabotageakte u. a. gegen Transportzüge zu begehen und versuchten den Funkverkehr der Reichsbahn zu stören. In den Jahren 1936-1938 wurde auch eine illegale Oppositionszeitschrift für Reichsbahner:innen herausgegeben.
Frieda Jahn war für den Fall der Verhaftung oder Ermordung von Hans Jahn als Leiterin dieses Widerstandsnetzwerkes vorgesehen. Sie war die Einzige, die außer Hans Jahn alle wichtigen Einzelheiten und Aktivitäten kannte.
Nach seiner Verhaftung wurde Hans Jahn im Mai 1935 im KZ Columbia verschleppt, aber bereits im Juni wurde er aufgrund eines Versehens wieder entlassen. Er musste ins Ausland flüchten. Frieda Jahn löste die gemeinsame Wohnung in Berlin auf und flüchtete über die Niederlande und Antwerpen (Belgien) spätestens 1938 nach Luxemburg, wo das Ehepaar in Luxemburg-Stadt wohnte.
Von dort aus reiste Frieda Jahn mehrfach nach Deutschland, um illegale Tätigkeiten des ITF-Netzwerkes zu koordinieren. Sie fertigte einen umfangreichen Bericht über die Stimmung in der deutschen Bevölkerung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Reichsgebiet an.
Am 14. Mai 1940 wurde sie nach dem Überfall der Wehrmacht auf die BeNeLux-Staaten und der Besetzung von Luxemburg-Stadt verhaftet. Bereits einen Monat vorher hatte es einen Versuch der Gestapo gegeben, Hans Jahn aus dem neutralen Luxemburg zu entführen. Während er entkommen und über mehrere Stationen nach London flüchtete, blieb Frieda mit der erkrankten, nicht reisefähigen Tochter Marion zurück.
Der Volksgerichtshof verurteile Frieda Jahn beim gemeinsamen Prozess gegen sie, Wilhelm Bode und Arie Treuerniet im April 1942 wegen Beihilfe zur „Vorbereitung von Hochverrat“ zu drei Jahren Zuchthausstrafe. Sie hatte während des Prozesses stets behauptet, nicht wissentlich illegale Ziele verfolgt zu haben und auch keine Kenntnis darüber gehabt zu haben, dass die ITF ihre Reisen nach Deutschland bezahlt habe.
Ihre Haft saß sie in Einzelhaft in Gefängnissen in Luxemburg, Trier, Düsseldorf und Berlin-Moabit ab. Nach Ende ihrer Haftzeit wurde sie ins KZ Ravensbrück verschleppt, wo sie Zwangsarbeit im Instandsetzungswerk und dem Industriehof Cottbus leistete. Sie überlebte die Haft und wurde am 23. April 1945 durch die Rettungsaktion Weiße Busse des schwedischen roten Kreuzes gemeinsam mit weiteren fast 7.400 Gefangenen aus den BeNeLux-Ländern und Skandinavien nach Schweden überführt und somit gerettet.
Friedels weiterer Werdegang nach 1945 ist unklar. Es scheint, dass sie nicht mehr aktiv an der Gewerkschaftsarbeit beteiligt war. Fotoaufnahmen belegen aber, dass sie bei der Neugründung der GdED vor Ort war und 1948 mit zu einer ITF-Konferenz nach Oslo reiste.
In der Literatur wird Friedel Jahn als „typische Vertreterin der zweiten Reihe“ bezeichnet, deren Rolle oft verkannt und nicht beachtet wird. Dies gilt für sie insbesondere deshalb, da ihre Nazi-Verfolger:innen sie lange Zeit unterschätzten und sie so relativ unbehelligt agierten konnte.
Sie verstarb am 18. Februar 1984 in Frankfurt/Main.
Hinweis: Dies ist ein Artikel des AK Geschichte/Frauengeschichte der Bundesfrauenleitung anlässlich des 90. Jahrestags der Stürmung der Gewerkschaftshäuser durch die SA am 02. Mai 1933. Weitere Artikel zu Eisenbahnerinnen im Widerstand folgen.