Nationalrat und Bundesrat in Österreich haben die Rückkehr zum 12-Stunden-Tag abgenickt. Voraussichtlich ist das erst der Auftakt zu einer gesellschaftlichen Umwälzung – sagt Günter Blumthaler, Vorsitzender der Sektion Eisenbahn unserer österreichischen Schwestergewerkschaft vida.
Günter, wie wollt ihr als österreichische Gewerkschafter/innen auf das Arbeitszeitgesetz reagieren?
Wir werden diese Regierung belagern und über den Sommer im Rahmen von Betriebsversammlungen weiter informieren sowie konkrete Aktionen setzen. Im Herbst gibt es dann erstmalig eine österreichweite Konferenz aller VerhandlerInnen der Kollektivverträge, bei der weitere Schritte beschlossen werden. Dies ist insofern bedeutsam, als in Österreich die KV-Abdeckung mit 98 Prozent sehr hoch ist. Darüber hinaus wollen wir weiterhin mehr Gewerkschaftsmitglieder gewinnen, denn: Mitgliedschaft ist Widerstand.
Was bedeutet das Gesetz z.B. konkret für österreichische Eisenbahnerinnen und Eisenbahner?
Alleine bei den ÖBB sind 16 verschiedene Kollektivverträge in Anwendung. Derzeit analysieren wir die Auswirkungen des Gesetzes in Bezug auf Kollektivverträge und Berufsgruppen. In jedem Fall müssen Verschlechterungen für die Belegschaft verhindert werden. Darüber hinaus müssen die Arbeitszeitbestimmungen im Sinne der ArbeitnehmerInnen weiterentwickelt werden. Für die Umsetzung unserer Forderungen werden wir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen. Insgesamt sind die Gesetzesänderungen ein einziger Murks mit massiven Auswirkungen auf die Beschäftigten. Ein wesentlicher Punkt ist auch die Aushebelung der betrieblichen Mitbestimmung, da Betriebsvereinbarungen nunmehr nicht mehr notwendig sind und die Mitsprache durch Betriebsräte nicht mehr vorgesehen ist.
Hat die Regierung noch weitere Vorhaben dieser Art in der Pipeline?
Ja, z.B. soll der durch das Arbeitsverfassungsgesetz geregelte Jugendvertrauensrat abgeschafft und unter dem Stichwort Gold Plating Sozialschutz abgebaut werden. Die hohen Standards für Beschäftigte werden nicht mehr als Vorteil, sondern als Klotz am Bein begriffen. Eine von Wirtschaft und Industrie erstellte Wunschliste zählt Bereiche auf, wo das österreichische Niveau über den europäischen Mindestvorgaben liegt und heruntergefahren werden soll. Konkret geht es da um die 5. Urlaubswoche oder die Entsenderichtlinie, die ja Lohn- und Sozialdumping verhindern soll. Durch eine gewünschte Ausnahme kurzfristiger Entsendungen von einem Monat sind per Kollektivverträge festgelegte Mindestlöhne in Gefahr.
Ein gutes halbes Jahr regiert jetzt die Koalition aus ÖVP und FPÖ. Welche Bilanz kann man bisher aus Arbeitnehmer- und Gewerkschaftersicht ziehen?
Diese Regierung setzt den sozialen Frieden bewusst aufs Spiel. Alle bisherigen Änderungen gehen ausschließlich zu Lasten der sozial Schwachen und auf Kosten der Beschäftigten. Der große Plan dieser Regierung ist eine fundamentale Systemänderung, die auch die Zerschlagung von Betriebsräten und Gewerkschaften zum Ziel hat. Dies wird in parlamentarischen Debatten und Interviews auch offen ausgesprochen.
Die Wahlkämpfe der vergangenen Jahre haben Österreich nach unserer Wahrnehmung stark polarisiert. Wie würdest du die gesellschaftliche Stimmung heute einschätzen?
Es tritt nun offen und gnadenlos zu Tage, dass dieser Regierung die arbeitenden Menschen egal sind und der Sozialstaat nicht mehr gewünscht ist. Immer mehr Menschen werden jetzt politisch aktiv, wollen etwas gegen diese Konzernregierung tun und treten der Gewerkschaft bei. Gemeinsam werden wir uns gegen die Kürzungen im Sozialsystem und den Sozialabbau stemmen und uns gegen die Angriffe auf die arbeitenden Menschen zur Wehr setzen. Wir haben den Kampf aufgenommen