Die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) und die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER) widmen sich derzeit im Rahmen eines gemeinsamen Projektes den Themen Digitalisierung, Automatisierung und Beschäftigungsfähigkeit. Beim ersten Workshop des durch die EU-Kommission geförderten Projektes „EDA Rail“ wurde in Kopenhagen nun die Aus- und Weiterbildung im Bahnbereich in den Fokus genommen. Auch Vertreter*innen der EVG waren mit dabei.
Digitalisierung und Automatisierung - es gibt wohl nur wenige Themen, denen in Gesellschaft, Politik, Arbeitswelt und Wirtschaft derzeit größere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie, die 2020 dafür sorgte, dass sich zahlreiche Arbeitnehmer*innen quasi über Nacht im Homeoffice wiederfanden, hat den digitalen Wandel in der Arbeitswelt noch einmal in den Fokus gerückt.
Auch ETF und CER beschäftigen sich seit längerer Zeit damit, wie man Digitalisierung und Automatisierung im Sinne der Sozialpartner gestalten und die Arbeit in der europäischen Bahnbranche in die Zukunft führen kann. Ein wichtiger Teil dieses Vorhabens ist das Projekt „Employability in the Railway Sector in the Light of Digitalisation and Automation (EDA Rail)“ („Beschäftigungsfähigkeit im Eisenbahnsektor vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Automatisierung“), im Rahmen dessen eine „Gemeinsame Empfehlung“ von ETF und CER aus dem Jahr 2007 aktualisiert werden, die sich mit dem Konzept der Beschäftigungsfähigkeit in der Bahnbranche befasst. Je nach Fortgang des Projekts soll außerdem die Grundlage für weitere Folgemaßnahmen abgeleitet werden. Den Themen Digitalisierung und Automatisierung und den mit ihnen einhergehenden Veränderungen in Arbeitswelt und Wirtschaft werden dabei besonders große Bedeutung zugemessen.
Dreh- und Angelpunkt des Projektes sind insgesamt vier Workshops, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Gesamtthemas befassen und bei dem Vertreter*innen der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite Projekte, Vereinbarungen und andere Musterbeispiele, sogenannte Best Cases, vorstellen und diskutieren. In Kopenhagen fand nun kürzlich der erste Projektworkshop statt, der sich insbesondere mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Aus- und Weiterbildung im Eisenbahnsektor befasste. Neben Vertreter*innen aus Dänemark, Schweden und Österreich waren auch zwei EVG-Kolleg*innen aus Deutschland vor Ort, um Themen aus ihren Bereichen vorzustellen.
Michaela Dankers, Betriebsratsvorsitzende bei DB Vertrieb GmbH in Hamburg, stellte gemeinsam mit Matthias Rohrmann, Geschäftsführer der AGV Move den TV Arbeit 4.0 sowie die digitale Lern-Plattform des Konzerns „DB Lernwelt“ vor. Diese wird bei der DB Vertrieb für das sogenannte Blended Learning angewendet - also das Lernen mit Unterstützung von digitalen Hilfsmitteln. Gerne ging sie auf Fragen der Teilnehmer*innen zu örtlichen „Spielregeln“ ein und verwies auch auf die sehr gute Vereinbarung auf gesamtbetrieblicher Ebene. Um ihren Vortrag nicht auf trockene Theorie zu beschränken, hatte Michaela auch einen kleinen digitalen „Appetithappen“ für die Workshopteilnehmer*innen dabei und präsentierte einen „Learning Snack“, mit dem die Anwesenden einen Vorgeschmack auf das digitale Lernen bei DB Vertrieb erhalten konnten.
Es gilt dafür Sorge zu tragen, dass bei aller Begeisterung für Digitalisierungsthemen der Fokus auf die Menschlichkeit und die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen nicht verlorengeht.
Michaela: „Ich bin sehr stolz auf unsere Entwicklung rund um das digitale Lernen und glaube, dass mit klaren Regelungen die bestmöglichen Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass meine Kolleg*innen ihr Fachwissen zeitgemäß, bedarfsgerecht und flexibel weiterentwickeln können. Generell ist es aus meiner Sicht als Betriebsrätin von enormer Bedeutung, dass wir uns in Digitalisierungsthemen einbringen und sie umfassend mitbestimmen - nicht zuletzt deshalb, weil sich die Arbeit im Vertrieb wohl wie in kaum einem anderen Geschäftsbereich der Bahn im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung verändern wird.“
Mit einem Vortrag in Kopenhagen dabei war auch Felix Lenz, Vorsitzender der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (GJAV) bei der DB Cargo AG und stellvertretender Vorsitzender der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung (KJAV) der DB AG. Felix gab einen Überblick über den Einfluss der Digitalisierung auf die Ausbildung bei der DB und beendete seinen Beitrag mit einem eindrücklichen Apell: „Es gilt dafür Sorge zu tragen, dass bei aller Begeisterung für Digitalisierungsthemen der Fokus auf die Menschlichkeit und die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen nicht verlorengeht. In Bezug auf Auszubildende heißt das insbesondere, die Qualität, aber auch die Vielfalt und Anzahl der Ausbildungsberufe zu erhalten und jedem jungen Menschen eine faire Chance auf einen hochwertigen Ausbildungsplatz zu bieten.“
Neben den deutschen Beiträgen gab es auf dem EDA Rail-Workshop natürlich weitere Vorträge aus anderen Ländern: Aus Dänemark wurden Digitalisierung- und Automatisierungsstrategien insbesondere in der Ausbildung sowohl von Unternehmens- als auch von Gewerkschaftsseite beleuchtet, aus Österreich gab es Einblicke in eine 3D-Druck-Werkstatt für Lehrlinge und die schwedische Staatsbahn stellte ein Projekt vor, bei dem Ausbildungsinhalte per Virtual-Reality-Brille vermittelt werden. Ein Überblick über wissenschaftliche Aspekte des EDA Rail-Projekts, Gruppenarbeiten sowie selbstverständlich zahlreiche Diskussionen rundeten den Workshop ab.
Bereits Ende November geht das EDA Rail-Projekt mit einem Workshop in Frankfurt/Main in die nächste Runde, im kommenden Jahr folgen weitere Workshops in Prag in Tschechien und im französischen Lille. Im Juni 2022 findet dann die große Abschlusskonferenz in Brüssel statt, bei der die Ergebnisse des Projektes präsentiert werden.