Green Deal und die neue EU-Verkehrspolitik: warum in der Corona-Krise noch wichtiger? Welche Position hat hier die EVG?
Die EU-Kommission hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2050 muss der CO2-Ausstoß in Europa auf Null heruntergefahren werden, über alle Bereiche der Wirtschaft hinweg. Auch der Verkehr in Europa, auf den heute rund 25% aller Treibhausgasemissionen entfallen, muss bis 2050 C02-frei sein. Die EVG begrüßt diesen sog. Green Deal und mahnt: nur mit Verlagerung der Verkehre auf die klima- und umweltfreundliche Eisenbahn, im Güter- und Personenverkehr, können die Klimaschutzziele im Verkehrssektor erreicht werden. Das System Schiene muss als Rückgrat des Verkehrssystems ausgebaut werden Um die Ziele des Green Deal zu erreichen, braucht es keine Lippenbekenntnisse, sondern Verbindlichkeit. Die EVG sagt, was jetzt getan werden muss.
Der Bundesvorstand hat Anfang Oktober 2020 das Positionspapier „Auf dem Weg zum klimaneutralen Verkehr in Europa bis 2050“ verabschiedet. Darin unterstützen wir die Vorhaben der EU-Kommission und fordern verbindliches Konzept mit gezielter Steuerung zugunsten der Eisenbahn und des öffentlichen Verkehrs. Denn wir erwarten uns davon Rückenwind für unsere langjährige Forderung nach einer Verkehrswende!
Die Ziele des Green Deals erfordern ein deutliches Umsteuern. Eine konsequente Verlagerung von Verkehren auf die Schiene setzt voraus, dass die Schiene diese auch aufnehmen kann. Also muss die Infrastruktur saniert und ausgebaut werden. Deshalb ist das Zieljahr 2050 auch nur scheinbar noch sehr lange hin. Planungs- und Entwicklungsprozesse in der Infrastruktur brauchen ihre Zeit.
Die Eisenbahnen und der kommunale öffentliche Verkehr in den Städten und auf dem Land werden vom Green Deal massiv profitieren. „In der Eisenbahnindustrie, den Bahnen selbst und im gesamten öffentlichen Verkehr müssen viele Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden, um den Zuwachs an Verkehr verkraften zu können. Planung, Entwicklung und Ausbau von Infrastruktur und Fahrzeugen bis hin zum Betrieb - es wird überall zu tun geben.
Durch Digitalisierung und Automatisierung werden sich neue Anforderungen ergeben, Berufsbilder werden sich ändern. Die benötigten Fachkräfte wird man aber nur bekommen, wenn die Bezahlung und die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen stimmen. Wir brauchen deshalb starke Interessenvertretungen und europäische und nationale Programme für Ausbildung und Qualifizierung.
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Positionspapier: Auf dem Weg zum klimaneutralen Verkehr in Europa 2050
Artikel zum Thema in der imtakt
Ein weiteres Top-Thema sind die Verhandlungen der europäischen Sozialpartner zum Thema „Frauen in der Eisenbahn“ im Sozialen Dialog. Die Sozialpartner ETF und CER haben gemeinsam haben sie Handlungsempfehlungen für eine bessere Vertretung und Integration von Frauen im Eisenbahnsektor (Joint Recommendations Women in Rail, JR WiR) erarbeitet und am 12. Juni 2007 unterschrieben.
Von 2008 - 2009 wurde die Umsetzung dieser Empfehlungen beobachtet. Von 2011 - 2012 wurde ein Projekt „Women in Rail“ realisiert, in dem gute Praxisbeispiele gesammelt und ein Leitfaden zur Umsetzung erarbeitet wurden. Seit 2013 wird ein jährlicher Bericht über die Umsetzung von Handlungsempfehlungen in den europäischen Eisenbahnunternehmen erstellt. Von 2017- 2018 wurden die Handlungsempfehlungen überprüft und geschaut, was bisher erreicht wurde, um mögliche Konsequenzen zu ziehen.
Die ETF drängte darauf, eine autonome Vereinbarung zum Thema „Frauen bei der Eisenbahn“ zu verhandeln. Der Grund ist: der Fortschritt bei der Steigerung des Frauenanteils bei den Eisenbahnen ist viel zu langsam! Um das zu ändern, braucht man stärkere Instrumente als Handlungsempfehlungen. Eine Möglichkeit ist eine autonome Vereinbarung, die Mindeststandards definiert, die europaweit anzuwenden sind. Mit der Unterschrift ist die Vereinbarung für die Sozialpartner verbindlich. Die Europäische Kommission verlangt von den Sozialpartnern, dass sie über die Umsetzung Bericht erstatten.
Die Verhandlungen haben im Oktober 2019 begonnen und werden voraussichtlich bis zum Sommer 2021 andauern.
Die Sozialpartner sind übereingekommen, dass Maßnahmen in folgenden acht Bereichen verhandelt werden sollten:
Die EVG hat eine Vertreterin in das ETF-Verhandlungsteam entsendet, die die Informationen aus den Verhandlungen mit der Bundesfrauenleitung sowie dem Arbeitskreis Europa der Bundesfrauenleitung rückkoppelt. Wir wollen konkrete Ergebnisse erzielen, die einen Fortschritt für die Arbeitsbedingungen von Frauen bei der Eisenbahn bedeuten.
Die Women in Rail Vereinbarung wurde am 5. November 2021 in Brüssel unterzeichnet und soll innerhalb von zwei Jahren durch die Arbeitgeber umgesetzt werden. In Deutschland soll die Vereinbarung bei den Unternehmen der DB AG und bei den Bahnunternehmen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) umgesetzt werden (beide sind Mitglieder der CER). Die EVG wird aktiv bleiben, die Betriebsräte über die Vereinbarung informieren und den Fortschritt der Umsetzung verfolgen. Die Betriebstäte werden auf der Unternehmensebene nachfragen.
Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche bei den Eisenbahnen in Europa und sorgt für einen tiefgreifenden Wandel in der Arbeitswelt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleben, wie sich ihre Tätigkeiten Schritt für Schritt und manchmal auch sprunghaft verändern. Mobile Endgeräte verbreiten sich, Arbeitsprozesse ändern sich, neue Anforderungen an die „Digitale Kompetenz“ werden gestellt. Digitalisierung und Automatisierung beeinflusst die Arbeitsbedingungen und künftige Berufsbilder. Daraus ergeben sich Chancen und Herausforderungen für die Beschäftigten.
Das Projekt der Sozialpartner ETF und UITP zur digitalen Transformation im ÖPNV wurde kürzlich abgeschlossen. Die Sozialpartner ETF und CER haben im April 2020 ein gemeinsames Projekt gestartet: „Beschäftigungsfähigkeit im Eisenbahnsektor im Lichte der Digitalisierung und Automatisierung (EDA Rail)“. Sie wollen ihre „Gemeinsame Empfehlung“ zum „Konzept der Beschäftigungsfähigkeit im Eisenbahnsektor“ von 2007 aktualisieren und ggf. Folgemaßnahmen wie z. B. verbindliche Vereinbarungen daraus abzuleiten. Den Themen Digitalisierung und Automatisierung sowie den damit einhergehenden Veränderungen in Wirtschaft und Arbeitswelt wird dabei besonders große Bedeutung zugemessen. Die Projektergebnisse sollen u.a. dazu dienen, die politische Diskussion rund um die Digitalisierung und Automatisierung mitzugestalten sowie Verkehrsunternehmen und betroffenen Gewerkschaften Möglichkeiten aufzuzeigen, attraktive Arbeitsbedingungen in der Branche aufrechtzuerhalten.