75 Jahre Grundgesetz - Geburt des Streikrechts
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz feierlich verkündet, das mit diesen unmissverständlichen Worten beginnt. Einen Tag später trat es in Kraft. Es war die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland.
Ursprünglich war das Grundgesetz nur als Übergangslösung bis zur Wiedervereinigung konzipiert. Der Name sollte auf den provisorischen, vorläufigen Charakter hinweisen. Erst 1957 wurde das Saarland zehntes Bundesland der BRD. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 ist das Grundgesetz gesamtdeutsche Verfassung geworden.
Die sogenannten, damals heftig diskutierten, Notstandsgesetze (Regieren im Spannungsfall) waren zwar in der Vorbereitung zum Parlamentarischen Rat ein Thema, blieben aber zunächst außen vor. Erst 1968 wurden sie gegen den heftigen Protest der DGB-Gewerkschaften (besonders der IG Metall) in das Grundgesetz GG aufgenommen.
Die ursprüngliche Idee der arbeitnehmernahen Mitglieder war es, ein positiv formuliertes Streikrecht in das Grundgesetz aufnehmen zu lassen. Dazu hatte es ursprünglich nicht nur den heute für uns so wichtigen Artikel 9 (3) „Koalitionsfreiheit“ im Grundgesetz geben sollen, sondern auch einen weiteren (vierten) Absatz, in dem es dann geheißen hätte „Das Streikrecht wird im Rahmen der Gesetze anerkannt“. Dazu kam es aber nie. Insofern blieb es bei der Formulierung Artikel 9 (3), die heute noch Bestand hat.
Damit ist das Recht verbrieft, Gewerkschaften zu gründen und auch zu streiken. Das heißt, Streikrecht ist Richterrecht. Richter:innen interpretieren dabei das Grundgesetz, ohne dass es ein eigenes Streikgesetz gibt. Ferner gehen Arbeitgeber immer wieder zu Gericht, um dort feststellen zu lassen, dass ein bestimmter Streik ungesetzlich, unverhältnismäßig oder, oder, oder … ist.
Die Gewerkschaften hatten einen entscheidenden Anteil daran, wie mit der Notstandsgesetzgebung 1968 u.a. der weitere Einsatz von (Bundes-)Polizei und Bundeswehr innerhalb der Bundesrepublik geregelt wurde. So wurde Artikel 9 (3) GG mit einem wichtigen Nachsatz versehen. Darin heißt es, dass sich Regierungsmaßnahmen im Spannungsfall nicht gegen … Arbeitskämpfe zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen richten dürfen.
Uns ist noch wichtig festzustellen: Die ersten Streiks in Deutschland waren allesamt illegal. Das Streikrecht wurde uns nicht geschenkt, sondern es wurde erkämpft.
Auch heute gibt es mächtige Stimmen, die Streiks verbieten wollen oder aber faktisch unmöglich machen wollen (Stichwort „kritische Infrastruktur“). Das Streikrecht kann uns aber nur genommen werden, wenn wir es kampflos hergeben.