Hermine (Heusler-)Edenhuizen - die erste deutsche Frauenärztin
„Du musst es wagen. Lebenserinnerungen der ersten deutschen Frauenärztin"- diesen Titel tragen die Lebenserinnerungen der ersten deutschen Frauenärztin Hermine Edenhuizen, die sie Anfang der 1950er-Jahre aufschrieb, um den kommenden Generationen eine Vorstellung von den Anfängen weiblicher Bildungsgeschichte zu vermitteln.
Sie wurde 1872 unter dem Namen Harmina Egberta Edenhuizen (nannte sich aber später Hermine) als Tochter eines Landarztes in einem kleinen Dorf (Pewsum) in Ostfriesland in der Nähe von Emden geboren. 1893 beschloss sie, das Abitur zu machen, erst ein Jahr vorher waren Frauen erstmalig zur Reifeprüfung zugelassen worden. Gegen die Widerstände ihrer Familie setzte sie sich durch und ging nach Berlin, wo die Politikerin, Pädagogin und Frauenrechtlerin Helene Lange Gymnasialkurse für Frauen und Mädchen abhielt. Dies war für sie die einzige Möglichkeit, eine Reifeprüfung abzulegen, denn Mädchen war der Zugang zu den Gymnasien verwehrt. Als „Externe“ legte sie 1898 an einem Gymnasium das Abitur ab.
Edenhuizen war eine der ersten Studentinnen, die in Deutschland eine Vorlesung besuchte. Nach zahlreichen Petitionen wurden in den Universitäten Göttingen und Berlin Frauen geduldet. Jeder einzelne Dozent musste allerdings persönlich um Hörerlaubnis gebeten werden.
1903 legte sie das Staatsexamen ab, spezialisierte sich auf Gynäkologie und ließ sich 1909 als erste in Deutschland ausgebildete „Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ nieder. Die Praxis florierte, obwohl sie, wie ihre wenigen Kolleginnen, heftigen Widerständen ausgesetzt war. So verbot die Ärztekammer die Zulassung von Frauen zu den Krankenkassen, was aber nicht lange erfolgreich war. Vielfach erschienen Zeitungsartikel gegen weibliche Frauenärzte, in denen behauptet wurde, die Frau sei dem ärztlichen Beruf weder körperlich noch seelisch gewachsen. So wurde unter anderem angeführt, die Frau sei zur Zeit der Menstruation nicht „ganz zurechnungsfähig“.
1912 kehrte sie nach Berlin zurück, trat aus der Kirche aus und heiratete den Arzt Otto Heusler (ab da Hermine Heusler-Edenhuizen). Das Ehepaar adoptierte zwei Kinder, aber Helene bleibt weiter berufstätig, was damals sehr ungewöhnlich war. Mit einem Ehevertrag sicherte sie sich gegen allgemeines Recht die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen und behielt so die Entscheidungsgewalt über ihre Berufstätigkeit. Das sowie der Umstand das Heusler sich vorher scheiden ließ, galten damals als unerhörter Skandal.
Politisch galt Edenhuizens entschiedenster Kampf dem § 218, der in Deutschland auch heute noch Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich als Straftat behandelt und sie nur unter bestimmten Bedingungen straffrei stellt.
Ihr ging es dabei um das Lebensrecht von Frauen und Kindern. Insbesondere prangerte sie an, dass der § 218 nur die Mütter bestrafe, eventuell auch die Ärzt:innen, aber nicht die Väter, die ihre Frauen zum Abbruch zwingen könnten. Gemeinsam mit anderen Ärzt:innen brachte sie eine Petition im Reichstag ein, den Paragraphen 218 zu streichen. Sie forderte stattdessen die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln durch Krankenkassen und Fürsorgeverbände sowie eine Preisregelung für den Schwangerschaftsabbruch bzw. bei Mittellosen die Kostenübernahme durch den Versicherungsträger.
Sie trat aktiv für die Rechte der Frauen ein und wehrte sich gegen den erstarkenden Antisemitismus. Noch in der Weimarer Republik gründete das Ehepaar Heusler-Edenhuizen gemeinsam den „Deutschen Alpenverein Berlin“ um den 1925 aus dem Deutsch-Österreichischen Alpenvereins ausgeschlossenen Jüd:innen eine neue Anlaufstelle zu bieten. Von 1924 bis 1928 war Hermine Edenhuizen Gründungsvorsitzende des Verbandes deutscher Ärztinnen.
Während des NS-Regimes trat sie nicht öffentlich hervor, äußerte sich im privaten aber deutlich und führte trotz Verbot weiter Hausbesuche bei jüdischen Patient:innen durch. Nach Kriegsende praktizierte sie eine Weile in ihrem Heimatdorf bevor sie nach (West-)Berlin zurückkehrte, wo sie am 26. November 1955 verstarb. Sie wurde neben ihrem 1943 verstorbenen Ehemann, in der Nähe der Grabstätte von Helene Lange beigesetzt.
Ihre Lebenserinnerungen wurden erst 1997 veröffentlicht. In den 1950er-Jahren fand sich kein Verlag, der bereit war, ihr Manuskript zu veröffentlichen. Seit 2013 existiert auch eine Theateradaption ihres Lebensweges. Außerdem erinnern mehrere Gedenktafeln (u.a. in Berlin-Charlottenburg und Pewsum) und Straßennamen an ihr Leben und Wirken.
2010 & 2012 verlieh die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ zu ihren Ehren den Hermine Heusler-Edenhuizen-Preis für herausragende journalistische Arbeiten. Seit 2018 gibt es einen Preis gleichen Namens der Universität Oldenburg, der für herausragende wissenschaftliche Publikationen an Angehörige der Medizinischen Fakultät verliehen wird.
Hintergrund:
Heute hat der Deutsche Bundestag beschlossen, den §219a StGB in Deutschland zu streichen. Dieses sogenannte „Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche“ war vor allem ein Informationsverbot und kriminalisierte Ärtz:innen die Abtreibungen durchführten.
Die EVG begrüßt diese Streichung und fordert darüber hinaus, dass endlich der §218 in seiner bisherigen Form gestrichen wird.
Diese Gesetzesänderung hat der AK Geschichte der Bundesfrauenleitung zum Anlass genommen, um an Hermine Edenhuizen zu erinnern.