Ampel hör die Signale
Es kommt nicht alle Tage vor, dass Unternehmen und Beschäftigtenvertreter Seit an Seit stehen, um ihren Unmut deutlich zu machen. In Anbetracht massiver Kürzungspläne der Bundesregierung im Bereich der Schiene rückt die Branche nun zusammen und demonstriert bei einer Protestkation im Berliner Regierungsviertel Geschlossenheit. Ganz vorne mit dabei: Die EVG.
„Die Empörung der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ist riesengroß und lässt sich kaum in Worte fassen“, sagte EVG-Vorsitzender Martin Burkert aufgebracht. „Tausende Arbeitsplätze sind gefährdet und es drohen täglich 40.000 mehr LKW auf unseren Straßen. Dabei hat sich diese Bundesregierung den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben.“
Hintergrund des Unmuts sind die Kürzungspläne der Bundesregierung nach dem Karlsruher Haushaltsurteil, die nach dem Prinzip Rasenmäher auch den Verkehrssektor betreffen - 380 Millionen Euro sollen dort eingespart werden. Der Großteil der Kürzungen soll jedoch ausgerechnet beim für Industrie und Klimaschutz entscheidenden Schienengüterverkehr erfolgen. Allein 250 Millionen Euro sollen bei der Förderung der Trassen- und Anlagenpreise eingespart werden. Das würde die Kosten für die Güterbahnen massiv in die Höhe treiben, während im Bereich des Straßenverkehrs keine nennenswerten Einsparungen erfolgen sollen.
Entsprechend aufgebracht reagierten auch die Vertreter der Güterbahnen. Neele Wesseln, Geschäftsführerin vom „Netzwerk Europäischer Eisenbahnen“ (NEE): „Die Güterbahnen wollen wachsen, aber die Regierung legt uns nun große Steine in den Weg.“ Wesseln gab an, dass viele Unternehmen massiv in Personalaufwuchs investiert hätten und nun schlagartig existenzgefährdende Preissteigerungen von um die 113 % kompensieren müssten.
Jörg Hensel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von DB Cargo, nannte die Kürzungspläne entsprechend eine „Vollkatastrophe“ und machte deutlich: „Diese Rechnung müssen wir alle, die Bürgerinnen und Bürger, bezahlen, weil der Lieferverkehr und damit die Verbraucherpreise teurer werden. Die Regierung fährt sehenden Auges in eine klima- und industriepolitische Sackgasse“, unterstrich Hensel und betonte, dass die angekündigten Maßnahmen ein „Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“ seien.
Unisono forderten Bahn- und Beschäftigtenvertreter daher, die Kürzungspläne zurückzunehmen. Hoffnungen liegen derzeit auf die Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag. „Jetzt ist die Stunde des Parlaments. Wir verhandeln hart, um Ungleichgewichte zulasten der Schiene auszugleichen“, versicherte Detlef Müller, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion. In Anbetracht der derzeit viel beachteten Bauernproteste sagte der ausgebildete Lokführer mit einem Augenzwinkern: „Ich hätte mir gewünscht, dass Tausende Lokomotiven die Innenstadt blockieren.“
Zumindest teilweise wurde dieser Wunsch an diesem Tag Wirklichkeit. Die Güterbahnen haben anlässlich der Haushaltsberatungen im Bundestag einen Protestzug aus über einem Dutzend Lokomotiven durch die Berliner Innenstadt fahren lassen. Die Lautstärke des Warnsignals war an diesem Tag ohrenbetäubend. Ein unüberhörbares Zeichen des Protests, aber auch Ausdruck einer selbstbewussten Branche, die sich in Zeiten der Krise unterhakt.