Ausschreibung S-Bahn Berlin: Nicht zu Ende gedacht
Die Ausschreibung von Teilen der Berliner S-Bahn ist das wohl größte Projekt des Berliner Senats. Milliardenschwer wird das Vorhaben gerne genannt. Und, in der Tat, das ist es auch. Fast acht Milliarden Euro lässt sich das klamme Berlin das Projekt kosten, in acht Jahren soll es losgehen.
Ausgeschrieben werden Ost-West- und Nord-Süd-Netze. Mehr Wettbewerb und mehr Qualität verspricht sich die zuständige grüne Verkehrssenatorin Günther davon. Die üblichen doch recht platten Floskeln also. Gerne wird auf die längst überwundene S-Bahn-Krise von 2009 verwiesen, als der DB-eigene Sparwahn in der Tat viele Probleme verursachte.
Doch die Senatorin scheint manches zu vergessen. Die Beschäftigten haben seinerzeit die Karre aus dem Dreck geholt. Über sie wird von den politisch Verantwortlichen wenig gesprochen - zu wenig und zu wenig konkret, meint die Berliner EVG. Wir sprachen dazu mit dem Vorsitzenden des Ortsverbandes, Michael Bartl, und Robert Seifert, dem Vorsitzenden der Betriebsgruppe S-Bahn.
Michael, was ist das grundsätzliche Problem an dieser Ausschreibung?
Sie ist nicht zu Ende gedacht. Einige Beispiele: Es muss auch an die Bereiche Fahrgastinformation, Marketing, Planung und Disposition gedacht werden. Bislang geht es um Betrieb und Instandhaltung, was ist mit den anderen Bereichen? Zudem fehlt ein belastbares Betriebs- und Störungskonzept. Nach der jetzigen Planung könnten am Ende sieben unterschiedliche Unternehmen die S-Bahn betreiben, da muss vorher die Koordinierung und Verantwortlichkeiten klar geregelt sein.
Die Verkehrssenatorin sagt, sie will Lohn- und Sozialstandards wahren. Was ist das Problem?
Für uns stehen die Beschäftigten der S-Bahn an erster Stelle. Es muss festgelegt werden, dass diese Beschäftigten zu den aktuell gültigen Bedingungen von den neuen Betreibern ein Übernahmeangebot bekommen müssen. Wer aber in den Gesprächen mit uns Begriffe wie „Auffanggesellschaft“ und „Wettbewerb auch für Beschäftigte“ nutzt, hat unser Vertrauen für faire Lohn- und Sozialstands verloren.
Wie wird die Berliner EVG weiter vorgehen?
Wir werden uns den Ausschreibungstext genau ansehen und dort den Finger in Schwachstellen legen. Wenn es dann um die Angebote der Bieter geht, werden wir diese besonders zum Thema Lohn- und Sozialstands prüfen und weiterhin laut sein. Und wir werden überall versuchen, unseren Einfluss geltend zu machen- z.B. bei den Auswahlkriterien für die Vergabe.
Robert, wie ist die Stimmung unter den Beschäftigten?
Bei unseren Kolleginnen und Kollegen spürt man natürlich eine gewissen Unsicherheit, wie es jetzt weitergeht. Noch ist vieles unklar, z.B. welche Tarifverträge konkret gelten sollen. Auch wenn immer recht viel über die Bereiche Instandhaltung und Betrieb gesprochen wird, weiß niemand so recht welche weiteren Bereiche wo zugeordnet oder überhaupt vergeben werden sollen.
Wer ist besonders von der Ausschreibung betroffen?
Vermutlich unsere Kolleginnen und Kollegen durch schlechtere Arbeits- und Sozialbedingungen. Natürlich genauso die Fahrgäste, die auf einen gut funktionierenden Nahverkehr angewiesen sind. Mit dieser kleinteiligen und doch komplexen und europaweit einmaligen Ausschreibung in die vielen Lose und Fachlose, wird das sensible „System S-Bahn“ im täglichen Betrieb nicht besser. Ich erwähne da nur zusätzliche und unnötige Schnittstellen.
Was ist das Besondere an der Berliner S-Bahn und dem Berliner S-Bahn-Verkehr?
Unsere Fahrzeuge und die Infrastruktur sind tatsächlich einzigartig auf der Welt. Diese Fahrzeuge können nirgendwo anders eingesetzt werden, und andere können hier nicht fahren. Es gibt also im Vergleich zum Regionalverkehr keinen Plan B. Sollte diese Ausschreibung oder der neue Bewerber scheitern, sieht es düster aus mit dem Nahverkehr unserer Stadt.