„Des deutschen Volkes großer Tag“ – Vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland erstmals ein Parlament wählen
Olympe de Gouges hatte es 1791 erstmals gefordert, Generationen von Frauen (und manche Männer…) hatten dafür gekämpft: das Wahlrecht für Frauen. In Deutschland war es am 19. Januar 1919 soweit. Frauen konnten zum ersten Mal ihr demokratisches Wahlrecht wahrnehmen: bei der Wahl zur Nationalversammlung.
In anderen Bereichen waren Frauen hingegen länger eingebunden. So war es ihnen seit 1873 erlaubt im Bahnbereich zu arbeiten und die freien Gewerkschaften hatten schon bei ihrem 1. Kongress 1890 die Aufnahme von Frauen beschlossen.
Die langen Kämpfe und Auseinandersetzungen mündeten im Jahr 1918 in Kampagnen und Protesten einer breiten Koalition für das Frauenwahlrecht. Nach dem Sturz der Monarchie griff die provisorische Regierung (Mehrheitssozialdemokraten und Unabhängige Sozialdemokraten) diese Forderung auf. Schon am 12. November erklärte sie, dass künftig alle Frauen und Männer ab 20 Jahren das gleiche, geheime und direkte Wahlrecht erhalten sollten.
In der Wahlordnung vom 30. November 1918 wurden dann Tatsachen geschaffen:
- Wahlrecht für Frauen
- und für Soldaten
- das Wahlalter wurde von 25 auf 20 Jahre gesenkt
Dies war das erste Wahlrecht, das in ganz Deutschland galt und weder nach Geschlecht noch nach materiellem Besitz unterschied. Erstmals zur Anwendung kam es bei der Wahl zur Nationalversammlung, die der jungen Republik eine Verfassung und eine ordentlich gewählte Regierung geben sollte.
Die Demokratisierung der Wahlen führte dazu, dass das Wahlrecht von Frauen und Männern gleichstark wahrgenommen wurde (82 %). Etwa die Hälfte der Stimmen wurde von Erstwähler*innen abgeben wurde. Die SPD, die das Frauenwahlrecht seit 1891 in ihrem Wahlprogramm verankert hatte, konnte allerdings kaum profitieren. Ein beträchtlicher Teil der Wählerinnen neigte zur Wahl von christlichen oder eher konservativen Parteien.
Unter den 423 Gewählten im neuen Parlament waren 37 Parlamentarierinnen - 8,7 Prozent. Bei SPD (11,6 %) und ihrer Abspaltung der USPD (13,6 %) war der Frauenanteil am höchsten, während er bei den anderen größeren Parteien zwischen 5 und 7 % lag. Einen Monat später war die SPD-Politikerin Marie Juchacz die erste Frau, die in einem deutschen Parlament eine Rede hielt.
Seitdem hat sich einiges getan, was den Frauenanteil im Bundestag betrifft und auch Reden von Parlamentarierinnen sind zum Glück keine Ausnahmeerscheinung mehr. Allerdings: Nach der letzten Bundestagswahl 2017 fiel der Frauenanteil auf 30,7 % zurück – der schlechteste Wert seit 1994.
Bei den aktuell im Bundestag vertretenen Fraktionen liegen SPD, Grüne und Linke über diesem Schnitt und FDP, Union und AfD darunter. Letztere bildet mit nur 10,8 % Frauenanteil das Schlusslicht. Weniger Frauen im Bundestag als die AfD hatte zuletzt die CDU/CSU in der Legislatur 1987-1990 und schon 1919 lag er bei der SPD höher.