Deutscher Arbeitsgerichtsverband in Halle: Zukunft des Betriebsrates und des Datenschutzes

Am vergangenen Donnerstag hat die 3. Landestagung Sachsen-Anhalt des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes stattgefunden. Tagungsort war die ehrwürdige Leopoldina in Halle.

Das Who is Who des deutschen Arbeitsrechts war in Halle zusammengekommen, um zu dem Thema „Mitbestimmung, der Datenschutz & ihre Zukunft" kontrovers zu diskutieren. Seit 2010 hatte die Landestagung nicht mehr in Sachsen-Anhalt stattgefunden, insofern war die Veranstaltung in den historischen Räumen der nationalen Wissenschaftsakademie ein absolutes Highlight.

Ist die Arbeits-Juristerei trocken? Ganz klar nein! Aber wie so oft bei Juristen kamen auf leisen Sohlen, Schritt für Schritt, gut versteckt und zum Teil ganz am Ende die heftigen Gefechte. Nachfolgend werden einige Highlights dargestellt, um das Ausmaß der Kämpfe und der Neuigkeiten etwas zu verdeutlichen.

Dr. Johanna Wenckebach vom gewerkschaftsnahen Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht verteidigte die aktuelle Form der Mitbestimmung gegen heftige Angriffe des arbeitgebernahen Anwaltes Prof. Georg Annuß. Dieser hatte, eingerahmt durch allerlei spannend klingende Theorien, die Alleinentscheidung des Unternehmers propagieren wollen - wobei alle Mitarbeiter sich gehört fühlen, aber bloß nichts zu sagen haben sollen. 

Dem hat sich Dr. Wenckebach entschieden entgegengestellt und dabei auch den Rückhalt aus der EVG-Mitbestimmungskonferenz in Köln betont. Die Mitbestimmung durch Betriebsräte sichert die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen. Zufriedenere und in ihren Bedürfnissen ernst genommene Mitarbeiter sind eben in der Lage, auch die großen Herausforderungen der vor uns liegenden Transformationen zu meistern. In ihrem Impulsreferat zu der abschließenden Podiumsdiskussion hatte sie auch aufgezeigt, wie wichtig für Menschen die Demokratieerfahrung in den Betrieben ist, um immer autoritärere Stimmungen in der Gesellschaft zu verhindern. Diese Stimmungen zeigen sich bedrohlich in der Leipziger Autoritarismus-Studie 2022.

Gleichzeitig hatte Prof. Annuß dem Entwurf für ein reformiertes Betriebsverfassungsgesetz, das unter Mitarbeit vieler Gewerkschafter entstanden ist, vorgeworfen, dass er an der Realität vorbeiginge. Prof. Olaf Deinert aus Göttingen hat sich daraufhin gewünscht, dass man doch bitte seriös und konkret diskutieren solle. Das ist im juristischen Diskurs schon ein sehr harter Angriff. Diese harte Kritik ist aber schon dadurch verständlich, dass Prof. Deinert die neuen Ideen umfangreich dargestellt hat, welche auch durch die aktuelle Bundesregierung derzeit aufmerksam durchgearbeitet werden. Keine einzige dieser Ideen hatte er auch nur ansatzweise bewertet, alles sei schon falsch angepackt. 

Es blieb ein wortgewaltiger Generalangriff, der aber durch die fehlende Auseinandersetzung mit der Reform in sich zusammenfiel. So wurde dieser schnell als schlichter Arbeitgeberlobbyismus mit dem Wunsch zum unmündigen losen Arbeitnehmerhaufen enttarnt. 

Zum Thema Datenschutz zeigte die arbeitgebernahe Anwältin Dr. Haußmann vielerlei Probleme, aber wenig Lösungen auf. Nicht jede Software solle in eine Betriebsvereinbarung gegossen werden. Man solle sich lieber auf die Verarbeitungsvorgänge konzentrieren. Im Wesentlichen war ihre Aussage, dass schon alles von den vielen Gesetzen geregelt sei, so dass für eine ernsthafte gestaltende Mitbestimmung wenig Raum bliebe. Alles sei nur noch sehr technisch, Sachverständige würden sich eine goldene Nase verdienen.

In ein ähnliches Horn bliess Kenneth Köth, Personalleiter der VEM-Gruppe. Das Betriebsverfassungsgesetz sei zu kompliziert und am Ende säßen zwei Laien am Tisch (Arbeitgeber und Betriebsrat) und diskutieren über unverständliche Regelungen. Was solle denn dabei herauskommen?

Diesen beiden Extrempositionen der Arbeitgeberseite nahm der Konzernbetriebsratsvorsitzende der enviaM, René Pöhls, den Wind aus den Segeln. Er stellte kurz und knapp dar, dass aktuell mit den Technik-Profis im eigenen Haus diskutiert würde, um gute Datenschutz- und Rechtslösungen für die Mitarbeiter zu finden. Zudem seien andere Konzernbetriebe aus anderen Nationen stets neidisch auf die weitreichenden Möglichkeiten der deutschen Betriebsräte, weshalb er ein Zurückfallen auf ein Weniger an Mitsprache und Regelung nicht nachvollziehen könne.

Sehr spannend war ein Vortrag des einzigen Nichtjuristen auf dem Podium: Dr. Florian Buttolo. Im Wesentlichen führte er auf, was Künstliche Intelligenz ist und wo Betriebsräte bei der Mitbestimmung ansetzen können, um für die Kollegen schlechte Arbeitsbedingungen zu verhindern. 

Für seine herausragende Doktorarbeit zu Betriebsvereinbarungen im Datenschutzrecht wurde Dr. Markus Wünschelmann der Dissertationspreis verliehen. In der Laudatio wurden besonders die Beispielvereinbarungen aus seiner Arbeit gelobt.

Für die EVG waren Inka Wunderling (Gewerkschaftssekretärin in Magdeburg) und David Dvořák (Mitglied im Landesverbandsvorstand Sachsen-Anhalt, Vorsitzender des Örtlichen Personalrates beim Eisenbahn-Bundesamt Halle) vertreten. Vom DGB Rechtschutz war nahezu die gesamte Region Ost dabei.