Die EVG trauert um Peter Lind
In vielem war Peter Lind sehr klar, in einem besonders: Nie wieder darf es geschehen, dass eine demokratische Gesellschaft vor ihren Gegnern kapituliert oder ihnen nichts entgegenzusetzen hat. Gerade heute sah er diese Gefahr wieder heraufziehen.
„Diese Kräfte wollen unsere demokratische Gesellschaft zerstören und erneut ein verbrecherisches Regime errichten. Dem gilt es sich entgegenzustellen“, sagte er 2022 anlässlich einer Stolperstein-Verlegung in Berlin. Jetzt ist Peter Lind im Alter von 84 Jahren gestorben.
„Wir verlieren einen Kämpfer für die Gewerkschaftsarbeit, einen Streiter für die Demokratie, einen leidenschaftlichen Arbeiter für das Wohl anderer Menschen“, erklärte der Vorsitzende der Berliner EVG, Michael Bartl. Er verwies auf das große Engagement des Verstorbenen. „Er war immer da, wenn man ihn brauchte und er wusste, wann er gebraucht wird“, so Bartl. Peter Lind war beliebt in der EVG. Häufig war er Redner auf Jubilar-Ehrungen, half mit bei Sommerfesten und den Veranstaltungen zum 1. Mai. Er unterstütze auch den Aufbau neuer Gewerkschaftsstrukturen, war ein Verfechter der Einheitsgewerkschaft. Von 1992 bis 2000 war Peter hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär - in der OV Berlin und später in der Region Nord-Ost. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählten die Betreuung mehrerer Ortsverwaltungen sowie Sonderaufgaben in der Regionalleitung Berlin und der Branche. Peter Lind wäre auch am 17.10.24 auf der Jubilarehrung der Berliner EVG zu Gast und Jubilar gewesen. „Wäre. Denn sein Kämpferherz schlägt nicht mehr. Er wird fehlen. Nicht nur heute. Danke für alles, Peter“, so Michael Bartl. „Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.“
Dem überzeugten Gewerkschafter war der Antifaschismus in die Wiege gelegt: 1940 wurde Peter Lind in England geboren - seine Familie war vor den Nazis aus Deutschland geflohen. In den 60er Jahren begann er bei der Reichsbahn in West-Berlin, erlebte als Eisenbahner die Wende in der DDR und das Zusammen-wachsen beider deutscher Staaten mit. 1990 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Gewerkschaft der Eisenbahner (GdE) und baute den Ortsverband Berlin mit auf. 1994 wurde er Gewerkschaftssekretär und wirkte in Berlin bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben 2004.
Danach widmete er sich seinem eigentlichen Lebensthema: der Geschichte der Gewerkschaften, insbesondere der bei der Eisenbahn, und hier wiederum im Besonderen der Gewerkschaften unter dem Nationalsozialismus. Eine Quintessenz dieser Beschäftigung sprach er im EVG-Podcast „Durchsage“ im Jahr 2021 aus. Wenn wir auf Erfolge und Niederlagen der Gewerkschaften zurückblicken, „dann lässt sich daran ablesen, was alles möglich ist, wenn ge- und entschlossen, vor allem: nicht gespalten gehandelt wird. Auch das ist eine Erfahrung aus den Kämpfen der 1920er Jahre gegen die Nazis.“
Als einer der tatkräftigsten Mitglieder des Arbeitskreises EVG Geschichte hat Peter zahlreiche Schicksale von verfolgten Gewerkschafter:innen recherchiert, aber auch Detailinformationen über Eisenbahner:innen, die in den Widerstand gegen die Nazis gingen. Peter Lind ist Autor von zwei Broschüren zum Thema und hat immer wieder den Anstoß gegeben, Stolpersteine zu verlegen. So wurde er auch einer der Mentoren des Gedenkortes in der Berliner EVG-Zentrale.
Im EVG-Podcast „Durchsage“ hat Peter Lind sich 2021 optimistisch über die Zukunft der EVG geäußert. „Unsere Stärke heute liegt auch, aber nicht nur in einer zunehmenden Vernetzung mit Partnern, denen an einer Änderung der Verhältnisse gelegen ist.“ Ausdrücklich freute ihn die Zusammenarbeit mit Fridays for Future. „Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann, dass wir unseren Einfluss geltend machen bei der Auswahl eines Verkehrsministers, der die Bahn als notwendigen Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge betrachtet. Dann wären wir einen gewaltigen Schritt weiter.“
Was werden wir von Peter Lind in Erinnerung behalten? Sein kräftiger Händedruck, sein weißer Schnauzbart, sein entschlossener Blick; sein immenses Wissen, seine klare Meinung und seine Fähigkeit, diese auch garniert mit viel trockenem Humor auszudrücken. Wir werden ihn nicht vergessen. Danke, Peter!