Digitalisierung: Morgen- oder Abendrot?
Der Prozess der Digitalisierung der Arbeitswelt ist nicht zu stoppen - er kann und muss aber im Interesse der Beschäftigten gestaltet werden. Damit befasste sich eine gemeinsame Konferenz der EVG-Fach- und Berufsgruppen aus dem Bereich Infrastruktur. Fazit: „Es kommt wesentlich auf uns an, in welche Richtung es geht“, so Dirk Möller vom Konzernbetriebsrat der DB AG. „Wir entscheiden am Ende, ob wir gerade das Morgenrot oder das Abendrot erleben.“
Der Prozess der Digitalisierung der Arbeitswelt ist nicht zu stoppen - er kann und muss aber im Interesse der Beschäftigten gestaltet werden. Damit befasste sich eine gemeinsame Konferenz der EVG-Fach- und Berufsgruppen aus dem Bereich Infrastruktur. Fazit: „Es kommt wesentlich auf uns an, in welche Richtung es geht“, so Dirk Möller vom Konzernbetriebsrat der DB AG. „Wir entscheiden am Ende, ob wir gerade das Morgenrot oder das Abendrot erleben.“
Roland Bosch, Vorstandsmitglied der Netz AG, hatte zuvor an fünf Projektbeispielen die derzeitige Bandbreite der Digitalisierung aufgezeigt. So sollen fortschreitend immer mehr Stellwerke mit BKU-Anschlüssen ausgestattet werden. Das soll die Kommunikationskosten senken und zugleich die Basis für weitere Funktionalitäten bieten, z.B. Zugriff auf Intranet und Gruppenlaufwerke, das digitale Führen von betrieblichen Unterlagen etc.
Ein anderes Beispiel ist die „mayday-App“. Sie soll dem Instandhalter in der Fläche ermöglichen, bei einem Störungsfall auf elektronischem Wege mit einem stationären Experten in Kontakt zu treten. Über die App können schnell Informationen, Fotos etc. ausgetauscht und so schnelle eine Lösung gefunden werden. Weitere Beispiele sind die Zustandsbewertung von Tunneln, Brücken und Weichen über elektronische Tools. Die Erwartungen der Arbeitgeberseite sind groß: Wegfall von lästigen Arbeiten und stattdessen Konzentration, Minimierung unproduktiver Zeiten, eine höhere Attraktivität der Arbeitsplätze.
Mit all dem sind aus Arbeitnehmersicht Chancen, aber auch Risiken verbunden. Damit befasste sich der Vortrag des Arbeitsrechtlers Peter Wedde. Chancen sind dabei eine bessere Anpassung von Arbeitszeiten und -orten an individuelle Bedürfnisse, neue Formen von Projekt- und Teamarbeit, Reduzierung von Reisezeiten durch Videokonferenzen. Die Kehrseite: Entgrenzung on Arbeitszeiten, zunehmende Arbeitsverdichtung, Risiken für den Arbeitnehmerdatenschutz, mehr Kontrollmöglichkeiten. Durch diese Faktoren steigt auch die Gefahr psychischer Risiken durch die Arbeitssituation. „Mit der Digitalisierung kommt einiges auf euch zu - sie verändert die Arbeitswelt so wie der Übergang vom Papier zur E-Mail.“
Brauchen wir also ein „Recht 4.0“, um diese neue Situation für betriebliche Interessen-vertreter beherrschbar zu machen? Wünschenswert wäre das vielleicht, aber gefährlich, so Prof. Wedde. Denn die Novellierung von Gesetzen falle nicht immer zum Vorteil der Beschäftigten aus. So bestehe z.B. die Gefahr, dass im Zuge einer Novellierung des BetrVG auch der § 87 Abs. 1 Nr. 6 (Mitbestimmung bei der Einführung technischer Einrichtungen) gekippt wird - wie von den Arbeitgeber gewünscht. Besser sei eine „Mitbestimmung 4.0“: also belastbare kollektivrechtliche Regelungen, z.B. projektbezogene Betriebs-vereinbarungen. „Diese lassen sich auf Basis der bestehenden gesetzlichen Regelungen entwickeln und umsetzen.“
Das sahen allerdings die versammelten Betriebsräte und EVG-Vertreter in Teilen anders. Schließlich stammt das Betriebsverfassungsgesetz im Wesentlichen aus dem Jahr 1972. Aber man kann und darf nicht auf den Gesetzgeber warten. Die EVG und ihre Bildungsgesellschaft sind aktiv am Thema dran. Peter Tröge von der Bildungsgesellschaft verwies auf die Aktivitäten der EVA zum Thema, Vincent Chomyn aus der EVG-Tarifabteilung umriss kurz den Ansatz unserer Gewerkschaft zum Tarifvertrag „Arbeit 4.0“.
Zusammengekommen waren in Fulda Vertreter der Fachgruppen Infrastruktur, Personenbahnhöfe und Bahnbau sowie der Berufsgruppen Meister/Wagenmeister und Ingenieure. Die Fach- und Berufsgruppen sind ein elementarer Bestandteil der Struktur unserer Gewerkschaft und unserer Arbeit. Das wird auch so bleiben, so EVG-Vorstand Reiner Bieck. „Wir brauchen die Fachgruppen, wir brauchen euren fachlichen Input. Deswegen wollen wir sie weiter führen.“ Fachgruppenarbeit könne aber nicht auf dem Papier verordnet werden. „Sie lebt vom Engagement der Leute, die sich einbringen wollen. Und die müssen deshalb gehegt und gepflegt werden.“
So soll die bisherige Arbeit in den Fachgruppen inhaltlich und strukturell bestehen bleiben. „Was gut funktioniert, brauchen wir nicht verändern.“ Neben die Struktur der dauerhaften Fachgruppen soll aber gleichberechtigt eine zweite treten: die der themenbezogenen Fachgruppen (tFG). „Wir wollen damit schnell auf die Themen reagieren, die unseren Mitgliedern auf den Nägeln brennen.“ Die Digitalisierung z.B. zieht sich querbeet durch die Arbeitswelt. Mit einer themenbezogenen Fachgruppe „Arbeit 4.0“ könnte die EVG das Thema zielgerichteter bearbeiten als in den bestehenden Strukturen.
Die tFG sollen projektbezogene Arbeit möglich machen und können daher auch zeitlich begrenzt agieren. Ihre Struktur soll flexibel und durchlässig sein, die Entsendung von Mitgliedern einfach und transparent. Die Bildung von themenbezogenen Fachgruppen soll auf allen Ebenen möglich sein, auch auf der betrieblichen. „Die EVG ist eine Mitmachgewerkschaft. Und jeder, der sich einbringen will, soll dafür auch die Möglichkeit haben.“ Die satzungsmäßigen Voraussetzungen dafür soll der Kleine Gewerkschaftstag im November schaffen.
Die Beschäftigung der EVG und ihrer Bildungsgesellschaft mit der Thematik geht weiter. Am 21. Und 22. Oktober wird die EVA in Berlin eine Fachkonferenz zum Thema durchführen.
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