Eisenbahn ohne Eisenbahner?
Mit Beginn des Internet-Zeitalters ploppen immer neue Businessmodelle auf. Viele sind seit Jahren erfolgreich. Parallel drohen Gesetze und Normen aufzuweichen, wenn zum Beispiel Online-Plattformen Dienstleistungen anbieten und Arbeitgeberpflichten umgehen. Mit dem Weichenstellungsprozess 2030 sorgt die EVG dafür, dass genau das nicht passiert.
Der Eine hat den Auftrag, der Andere das Werkzeug und der Dritte das Personal“, sagt Helmut Diener von mobifair. „Willkommen in der Plattformökonomie“, so der Vorsitzende des Vereins für fairen Wettbewerb in der Mobilitätswirtschaft. Aktuell bekannteste Beispiele: „Flixbus/Flixtrain“. Das Start-up vermittelt nur über das Internet Low-Budget-Tickets für Busse und Züge. Ohne eigene Busse, Fahrer, Loks, Waggons oder Servicepersonale. Alles Sache der angeheuerten Betriebe. Nur die Pünktlichkeit der Busse und Züge zählt. Gute Löhne und faire Arbeitsbedingungen verantworten die jeweiligen Arbeitgeber der der Transportunternehmen. Parallel will „Flix“ konkurrenzfähig werden und hält die Ticketpreise tief. Aber kann „Billig“ auch „sicher“? Vor allem Fernbusse stehen im Fokus von Polizeikontrollen. Immer wieder verstoßen die Fahrer*innen gegen vorgeschriebene Lenk- und Ruhezeiten oder die Busse haben technische Mängel. Im Schnitt jeder Dritte.
Jetzt will „Flix“ auch die Schiene im Low-Budget-Sektor für sich erobern. „Grundsätzlich begrüßen wir neue Angebote auf der Schiene“, sagt EVG-Chef Alexander Kirchner. Allerdings müsse Flixtrain bei den Transportunternehmen für faire Lohn- und Sozialstandards sorgen. Verdeckte Recherchen von mobifair hatten ergeben, dass auf Flixtrain-Zügen Mitarbeiter/-innen nach einer Blitzausbildung und unternehmensfremdes Personal fahren. Im „Flix“-Boot sitzen Dienstleister u.a. aus Tschechien, Schweden und Deutschland.
Dass das Zusammenspiel von vielen Unbekannten verheerende Folgen auf der Schiene haben kann, zeigte vor drei Jahren das Beispiel Mannheim. Ein Güterzug hatte ein Haltesignal überfahren und war auf einen Eurocity aufgefahren. Der Lokführer war von einem deutschen Personaldienstleister an ein niederländisches Unternehmen mit britischem Eigentümer ausgeliehen worden. Auf einer österreichischen Lok war er im deutschen Netz auf dem Weg nach Ungarn. Verantworten musste sich am Ende der Lokführer.
Grundsätzlich sind für die neuen Businessmodelle neue Beschäftigungsbedingungen nötig, so Kristian Loroch von der EVG. „Wir wollen klare Regeln, wer für Qualität, Ausbildung und Arbeitsbedingungen in der Verantwortung steht.“ Unsere sozial- und tarifpolitischen Werte dürfen nicht in Grauzonen für Werkverträge und Leiharbeit versickern. Flixtrain hat die Chance,mit uns an seiner Seite, Vorreiter tariflich geregelter Plattformökonomie zu werden“, so Loroch. „Weil wir es können!“
Die digitale Transformation hat viele positive Effekte. Ein wertefreies Niemandsland und damit Nachteile für die Beschäftigten werden wir aber verhindern. Dass die EVG in der Lage ist, die rasanten Entwicklungen im Sinne unserer Branche mitzugestalten, hat sie gezeigt: Mit einem Tarifwerk Arbeit 4.0 und dem EVG-Wahlmodell, das wir derzeit in unserem gesamten Organisationsgebiet durchsetzen. Unsere Gewerkschaft steht dafür, dass unsere sozial- und tarifpolitischen Werte im digitalen Zeitalter bestehen bleiben. „Das Thema ist fester Bestandteil unseres Weichenstellungsprozesses 2030“, sagt Kristian Loroch. „An der EVG führt kein Weg vorbei“.