Erinnerungskultur heute - Ortstermin der EVG-Frauen Stuttgart im „Hotel Silber“
Am vergangenen Dienstag trafen sich die EVG-Frauen Stuttgart zu einer Führung im „Hotel Silber“ in der Stuttgarter Innenstadt. Das umgangssprachlich als „Hotel Silber“ bezeichnete Gebäude in der Dortheenstraße 10 war ein Ort des NS-Terrors in Stuttgart und Württemberg.
Das Gebäude beherbergte zwischen 1937 und 1945 die Staatspolizeileitstelle Stuttgart und die Gestapozentrale für Hohenzollern und Württemberg. Bei einer Führung erfuhren wir viel über die Opfer der NS-Diktatur, die Täter:innen und die Mitläufer:innen, über die Institution der Polizei und ihrer Rolle in den politischen Systemen.
Am 3. Dezember 2018 eröffnete der Erinnerungsort, der die Verfolgungsgeschichte der Polizei im Hotel Silber zum Gegenstand hat und seitdem ein wichtiger Bestandteil antifaschistischer Erinnerungskultur in Stuttgart ist.
Auch wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen, mit Zeitzeugen oder Jugendlichen werden organisiert. Ein Arbeitskreis beschäftigt sich z.B. mit dem in Stuttgart noch vielerorts unerforschtem Thema der Zwangsarbeit in der Nazizeit und auch die Zusammenarbeit mit der Stolperstein-Initiative wird gepflegt, um möglichst viele Lebensgeschichten von Opfern weiterhin aufzudecken und für die Nachwelt sichtbar zu machen.
Während des Nationalsozialismus war das „Hotel Silber“ Dienstgebäude der Politischen Polizei. Ab Oktober 1936 wurde die Politische Polizei Teil der nationalen Gestapo. Eugen Bolz, der letzte Staatspräsident des Landes Württemberg in der Weimarer Republik, wurde 1933 hier vorgeladen und unter Misshandlungen in Schutzhaft genommen.
Im Keller des Gebäudes befanden sich bis zum Herbst 1944 drei Verwahrzellen. Bekannte Gefangene waren Kurt Schumacher, der spätere Vorsitzende der SPD, sowie die Kommunistinnen Liselotte (Lilo) Herrmann und Lina Haag.
Eine stählerne Zellentür mit zahlreichen eingeritzten Botschaften von Gefangenen befindet sich seit 1970 im Besitz des Stuttgarter Stadtarchivs. Sie wurde zu Beginn der 80er-Jahre in einer Ausstellung über die Geschichte Stuttgarts im Dritten Reich gezeigt und kommentiert. So wurden hier kurzzeitig einige Häftlinge des KZ Leonberg und auch Häftlinge der zeitweise in Stuttgart stationierten „Rollenden KZ“ , auch bekannt als Eisenbahnbaubrigaden, inhaftiert und vermutlich auch gefoltert.
Nach den Luftangriffen durch die britische Luftwaffe im September 1944 wurde die Gestapo-Zentrale in die Heusteigstraße verlegt. Da auch das bisherige Polizeigefängnis in der Büchsenstraße zerstört worden war, wurde der Keller des „Hotel Silber“ als Gefängnis ausgebaut und bis zum 19. April 1945 benutzt. Noch am 13. April 1945, wenige Tage vor der Übergabe der Stadt an die französische Armee, wurden hier vier Gefangene von der Gestapo erhängt. Alle dort befindlichen Dokumente der Gestapo wurden am Ende des Krieges verbrannt.
Im Jahr 2007 wurde der Plan zur Neuordnung des Areals, das an das Kaufhaus Breuninger angrenzt, vorgestellt. Das Land Baden-Württemberg und die Firma Breuninger wollten dort 270 Millionen Euro investieren, um Ministerien, Läden, Bars, Kneipen, Restaurants und ein Luxushotel zu bauen. Das Hotel Silber, ein Bürogebäude im Besitz der Landesstiftung, sollte abgerissen werden. Im Neubau sollte eine Gedenkstätte des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg über die NS-Vergangenheit des Hotel Silber entstehen.
Die „Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber“ setzte sich seit Februar 2009 zusammen mit der „Gruppe der Fünfzig“ für den Erhalt des Gebäudes ein, was letztendlich Erfolg hatte. Die 2011 neu gewählte Landesregierung beschloss den Erhalt des Gebäudes.
Weitere Informationen, Angebote und Veranstaltungen sind nachlesbar unter:
www.geschichtsort-hotel-silber.de
Als Gewerkschafterinnen der EVG ist es unsere Aufgabe, das Wissen um die Vergangenheit in die heutige Zeit zu übertragen und rechtem, rassistischem, queer- und frauenfeindlichem Gedankengut keinen Raum zu geben. Zu empfehlen ist daher auch das „neue“ Bündnis gegen Rechts in Stuttgart: