EVG Frauen Berlin auf 140-jähriger Zeitreise

In der Fichtestraße 6 in Berlin-Kreuzberg steht ein runder Klinkerbau. Die Fenster sind zugemauert. Doch dieses Gebäude birgt eine spannende Geschichte. Auf Einladung der Ortsfrauenleitung Berlin nahmen viele interessierte Kolleginnen der EVG an einer Zeitreise durch 140 Jahre Geschichte des Gebäudes teil.

Einst als Gasspeicher nach Plänen Schinkels gebaut, erfolgte 1940, nachdem die ersten Bomben auf Berlin gefallen waren, der Umbau zum Bunker. 

Der Bunker wurde gebaut als Mutter-Kind Bunker mit 6.000 Plätzen und einem eigenen Kinderwagenparkplatz. Daneben gab es weitere Besonderheiten: 5 Eingänge, 771 Türen, Toiletten mit Wasserdruckspülung, eine Luftfilteranlage und ein Notstromaggregat - die beide noch heute funktionieren - gefliester Boden und einen Fahrstuhl mit Fahrstuhlführer. Im Sanitätsraum ist ein Kinderbett zu entdecken, mit Christel, einer großen Puppe. Die Tochter der Krankenschwester hat viel Zeit hier verbracht, wenn ihre Mutter Dienst hatte und hat ihre Puppe mitnehmen können. Später hat sie die Puppe dem Verein Bunkerwelten zur Verfügung gestellt.

Aus Klaus, der die Frauen durch den Bunker führt, sprudeln die Informationen nur so heraus. Der Bunker mit seiner Ausstattung diente der NS-Propaganda, um die Menschen in Sicherheit zu wiegen, dass sie vor allen Angriffen geschützt und die Nazis unbesiegbar sind. Doch durften gar nicht alle Frauen in den Bunker. Zunächst sollten hier vor allem berufstätige Frauen mit Kindern unterkommen, anschließend schwer kriegsbeschädigte Frauen und erst dann „sonstige“ Frauen mit Kindern. Juden, Sinti und Roma wurde der Zugang verwehrt. Auf einem anderen Schild war zu lesen: „Männer von 16 bis 60 Jahren gehören in den Einsatz, nicht in den Bunker“. Gegen Kriegsende wurden die Bombardements immer stärker und 30.000 Menschen wurde Zuflucht im Bunker gewährt.

In einem Bereich sehen die Frauen Gefängniszellen, die schon von den Nazis genutzt wurden, später von der Roten Armee und schließlich bis 1952 sogar für Jugendliche zur Abschreckung. Einzelheiten konnte Klaus nicht erzählen, weil es keine weiteren Informationen gibt. 

Als Berlin-Kreuzberg am 27. April von der Roten Armee befreit wurde, wurde aus dem Bunker eine Notunterkunft. Viele Wohnungen waren zerstört. Zudem mussten die Flüchtlinge aus dem Osten untergebracht werden. Bis 1947 durften sie sich für eine Nacht im Bunker ausruhen, bevor sie weiterziehen mussten. Zwischenzeitlich gab es ein Altersheim, ein Mädchenwohnheim und auch einen Kindergarten im Gebäude. 

Nach dem 17. Juni 1953 kamen viele Menschen aus der DDR in den Westen. Das Durchgangslager Marienfelde platzte aus allen Nähten. So wurde der Bunker zum Durchgangslager. Später wurden auch Obdachlose einquartiert, der Bunker wurde zum Bunker der Hoffnungslosen. 

Noch 18 Jahre nach Kriegsende war der fensterlose Bunker bewohnt, danach wurde er als Lagerraum beispielsweise für die Senatsreserve genutzt, die Westberlin nach der Blockade vorhielt. 

Heute befinden sich auf dem Dach des Bunkers Luxuswohnungen, ein Teil wird als Proberaum genutzt, andere als Lagerräume und ein Teil als Bunker-Museum.

Mit vielen Eindrücken und Informationen gehen die Frauen auseinander. Schon jetzt planen wir weitere Führungen in die Berliner Unterwelten und freuen uns auf eure Teilnahme.