EVG im Dialog mit Wissing: „Vieles habe ich so noch nicht gesehen“
Der Dialogfaden ist geknüpft - und er soll weitergesponnen werden. Rund 15 Kolleg:innen aus verschiedenen Bereichen unseres Organisationsgebietes trafen sich am Donnerstag mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Ihr Thema: Was ist schief gelaufen beim 9-Euro-Ticket – und was muss bei seinem Nachfolgemodell, dem 49-Euro-Ticket, besser gemacht werden?
„Die EVG begrüßt das Deutschland-Ticket ausdrücklich und wir wollen, dass es ein Erfolg wird – für die Kund:innen, aber auch für die Beschäftigten. Und dafür müssen die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen stimmen“, so umriss der EVG-Vorsitzende Martin Burkert den Anspruch unserer Gewerkschaft. „Wenn es richtig gemacht wird, kann das 49-Euro-Ticket einen echten Schub für die sozial-ökologische Verkehrswende bringen. Dafür muss der ÖPNV vor allem langfristig finanziert und ausgebaut werden. Dazu müssen die zukünftigen Mittel deutlich erhöht werden, damit eine Angebotsausweitung mit mehr Personal und Fahrzeugen möglich ist.“
Kolleg:innen von DB Regio, DB Station&Service, DB Sicherheit und DB Services, Transdev, Netinera und DB RegioBus warfen in eindrücklichen Schilderungen noch einmal einen Blick auf die drei Monate des 9-Euro-Tickets. Dieses Ticket sei „Fluch und Segen zugleich“ gewesen, so eine Kollegin. Fluch, „weil wir viel zu wenig Personal hatten für die überfüllten Züge und Bahnhöfe; und Segen, weil es mehr Menschen in die Züge gelockt hat - auch Menschen, die vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben mit der Bahn gefahren sind.“
Wenn das verstetigt werden soll, muss an mehreren Punkten nachgesteuert werden, so der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von DB Regio, Ralf Damde. „Wir haben aktuell ein Personalthema, ein Fahrzeugthema und ein Infrastrukturthema.“ Damde schlug u.a. einen Fahrzeugpool vor, aus dem die Verkehrsunternehmen Fahrzeuge beziehen könnten, um Lastspitzen zu bewältigen. Kolleg:innen aus den NE-Bahnen schnitten das Thema an, inwiefern die erwartbaren Einnahmeausfälle der EVU ausgeglichen werden könnten. Problematisch sind hier insbesondere die sogenannten Netto-Verträge, bei denen die EVU sich vor allem aus den Fahreinnahmen finanzieren, so Torsten Leuschner, Vorsitzender des Teil-Konzernbetriebsrats Transdev.
Thomas Pfeifer, Sprecher der Zentralen Fachgruppe NE-Bahnen, forderte zusätzliche Gelder für mehr Sicherheit: unter anderem für Bodycams, Doppelbesetzung der Züge und Deeskalationstrainings. Für den Busbereich forderte Achim Schraml, Sprecher der Zentralen Fachgruppe Bus, eine Abkehr von der Billigheimer-Mentalität in den Ausschreibungen: „Wenn nur noch der billigste Preis zählt, sinkt die Qualität.“ Und Ralf Damde schlug vor, die Wertschätzung für die Beschäftigten im ÖPNV und SPNV auf besondere Weise auszudrücken: Das 49-Euro-Ticket müsse für sie kostenlos sein.
Heike Moll, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Station&Service, thematisierte die Situation an den Bahnhöfen in hochfrequentierten Zeiten: insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen ist das Reisen dann kaum möglich. Grundsätzlich werde mehr Personal an den Stationen benötigt, auch aus Sicherheitsgründen. Mangelnde Sicherheit wurden von allen Bereichen angesprochen und sie gilt es zum Schutz der Beschäftigten und Reisenden zu verbessern.
Die EVG-Delegation brachte auch einen weiteren wichtigen Punkt zur Sprache: Das Deutschland-Ticket darf nicht nur mit digitalen Endgeräten wie Smartphones nutzbar sein, es muss auch in einer analogen Variante zur Verfügung gestellt werden. „Wir sprechen hier auch für unsere rund 70.000 Senior:innen“, so Martin Burkert. „Ihnen ist wichtig, dass niemand abgeschnitten wird.“ Hier machte der Minister eine klare Zusage: Das Deutschlandticket wird es auch als Chip-Karte geben, die App wird nicht die einzige Möglichkeit sein, es zu erwerben.
Vieles habe er „so noch nicht gesehen“, bedankte sich Volker Wissing bei den EVG-Kolleg:innen ausdrücklich für die Inneneinblicke in den Bus- und Bahn-Alltag. Er habe bisher „ein anderes Bild gehabt“ und bot ausdrücklich an, den Dialog fortzuführen. Ziel sei, so griff der Minister eine Aussage aus dem Kreis aus, „dass das Deutschlandticket nicht Fluch und Segen, sondern reiner Segen wird."