EVG kritisiert Landesregierung: Drohender Personalmangel im Nahverkehr ist „hausgemacht“
Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, hat den absehbaren Personalmangel bei den neuen Betreibern von Nahverkehrsverbindungen in Baden Württemberg als „hausgemacht“ bezeichnet.
„Angesichts von drohenden Lohneinbußen und Abstrichen bei der betrieblichen Altersvorsorge gibt es für die bisher bei der DB AG Beschäftigten keinen Anreiz zu den neuen Anbietern zu wechseln“, stellte Kirchner fest. Abellio und Go Ahead hatten in einem Bieterverfahren den Zuschlag für Nahverkehrsverbindungen auf der Schiene erhalten, die bislang von der DB Regio bedient wurden.
„Nun rächt es sich, dass das Land Baden Württemberg seine Gestaltungsmöglichkeiten nicht genutzt und keine Vorgaben für den politisch gewollten Betreiberwechsel gemacht hat“, kritisierte Alexander Kirchner. „Wir fordern ein schnelles Umdenken der Landesregierung in dieser Frage und erwarten, dass Verkehrsminister Winfried Herman die Notbremse zieht. Ansonsten droht im nächsten Jahr ein Chaos auf der Schiene“, machte der EVG-Vorsitzende deutlich.
Kirchner begrüßte in diesem Zusammenhang Äußerungen aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium, der so genannten Besitzstandswahrung nun Priorität einzuräumen. „Wir fordern, dass bei einem Betreiberwechsel klar geregelt sein muss, dass Beschäftigte, die aufgrund von Ausschreibungsverlusten zum neuen Anbieter wechseln, nicht schlechter gestellt werden dürfen, als bisher. Leider hat es der Tariftreueausschuss des Landes Baden Württemberg abgelehnt, Weiterbeschäftigungs- und Besitzstandsgarantien abzugeben“, kritisierte Kirchner. Jetzt sollen die Tarifparteien einen Betreiberwechsel-Tarifvertrag für die Branche ausarbeiten.
Im Rahmen des „Runden Tisches“, zu dem die Landesregierung im Hinblick auf den drohenden Personalmangel eingeladen hatte, äußerten die Vertreter der EVG die Erwartung, dass auch die privaten Wettbewerber verstärkt in die Ausbildung von Mitarbeitern investieren. „Es müssen umgehend die Kapazitäten vorgehalten werden, die benötigt werden, um absehbare Engpässe zu verhindern“, machte Alexander Kirchner deutlich. Dabei dürfe es keine „Eisenbahner light“ geben, die nur in einer mehrmonatigen Kurzausbildung und möglicherweise von fachfremden Ausbildungseinrichtungen fit für ihren Einsatz gemacht werden.
„Die Probleme waren absehbar; es darf nicht sein, dass der dreieinhalb-jährige Ausbildungsberuf zum Lokführer oder Zugbegleiter in Frage gestellt wird, weil plötzlich eine Schnellbesohlung offensichtliche Fehlentscheidungen der Politik zu kaschieren scheint. „Die Sicherheit im Eisenbahnverkehr geht vor und da bedarf es auch künftig einer soliden Ausbildung“, so Kirchner.