EVG-Verkehrsausschuss blickt nach Thüringen
Zu seiner digitalen Sitzung in dieser Woche hatte sich der EVG-Verkehrsausschuss wieder politischen Besuch eingeladen. Diesmal zu Gast: Laura Wahl, Mitglied des Thüringer Landtages, gerade wiedergewählte Erfurter Stadträtin - und EVG-Mitglied.
Kurz nach der Kommunalwahl in Thüringen und vier Monate vor der nächsten Landtagswahl gab Laura Wahl den Ausschussmitgliedern einen spannenden Einblick in die schwierige politische Gemengelage im Freistaat.
Der Verkehrsausschuss der EVG diskutiert regelmäßig mit Politiker:innen aller demokratischen Parteien. Zu Gast bei der Mai-Sitzung des Gremiums war Laura Wahl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Mitglied im Thüringer Landtag und dort unter anderem Sprecherin für Verkehrspolitik. Seit ihrer Zeit als Werkstudentin bei DB Systel ist Laura Wahl außerdem EVG-Mitglied - und fühlt sich in ihrer gewerkschaftlichen Heimat nach wie vor sehr wohl, da sie große Schnittmengen zu ihrer politischen Arbeit sieht.
Im Thüringer Landtag regiert eine rot-rot-grüne Koalition aus LINKE, SPD und GRÜNEN - allerdings als Minderheitenregierung, also ohne eigene Mehrheit. Durch einen sogenannten Stabilitätsmechanismus, bei dem Beschlüsse vorab mit der CDU als Opposition abgestimmt worden waren, konnten in den vergangenen Jahren trotzdem Kompromisse und wechselnde Mehrheiten gefunden worden, ohne auf die Stimmen der AfD angewiesen zu sein. Dies habe über Jahre gut funktioniert: Zum Beispiel habe man eine Reform der Thüringer Landesverfassung erreicht, die seitdem unter anderem Nachhaltigkeit als Staatsziel und mehr Schutz für das Ehrenamt vorsieht. Die Zusammenarbeit mit der demokratischen Opposition werde aber in jüngster Zeit immer schwieriger. „Bei Themen wie dem Landesvergabegesetz“, so Laura Wahl, „hätten wir uns mehr gewünscht.“ Hier habe die rot-rot-grüne Regierung einen Vorschlag gemacht, der zu zahlreichen Verbesserungen geführt hätte, der aber dann daran scheiterte, dass die CDU nicht dazu bereit gewesen wäre.
Nach den Kommunalwahlen werde es „nun nochmal ein Stückweit schwieriger für Menschen, die aus einer solidarischen Grundhaltung heraus Politik machen.“ Zwar hat die AfD weniger direkte Mandate gewonnen, als zuvor erwartet worden war, „aber das kann uns nicht beruhigen. In den Kreistagen hat es klare Zugewinne für die AfD gegeben.“ Die Grünen hätten - ebenso wie andere demokratische Parteien - in vielen Kommunen herbe Verluste einstecken müssen. Deswegen sei es in Zukunft noch wichtiger, Kompromisse zu machen, um demokratische Mehrheiten zu sichern. Es komme nun noch mehr als zuvor auch darauf an, wie sich die CDU positioniert. Laura Wahl rechnet außerdem damit, dass man zukünftig aus der Politik heraus stärker außerparlamentarisch mit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen zusammenarbeiten müsse.
Bei allen Negativschlagzeilen sei Thüringen aber auch „ein tolles Land mit tollen Menschen.“ So berichtet Laura von positiven Erlebnissen im Kommunalwahlkampf: „Vielerorts sind Leute an den Infoständen auf uns zugekommen und haben gesagt: Schön, dass ihr euch ehrenamtlich engagiert!“ Sie verwies auch auf die mittlerweile fast 8.000 Unternehmen, Organisationen und Initiativen, die sich im Netzwerk „Weltoffenes Thüringen“ engagieren, darunter auch der EVG-Landesverband Thüringen.
Verkehrspolitisch gab es zum Ende der Diskussion noch etwas Erfreuliches: Sowohl Laura Wahl als auch die EVG bewertet es positiv, dass bei den Grünen auf Bundesebene scheinbar Bewegung beim Thema Trennung von Netz und Betrieb gibt. Diese wird von der Partei inzwischen nicht mehr als notwendig erachtet, wenn sich die neue Struktur mit der gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte InfraGO innerhalb des DB-Konzerns bewähre. „Es ist bedauerlich, dass dieser Punkt uns in letzter Zeit getrennt hat,“ sagte Laura Wahl. Sie ist auch Mitglied der „Grünen EVG’lerinnen“, die sich parteiintern für den integrierten Konzern und andere Interessen der EVG-Mitglieder einsetzen.
Neben dem Gespräch mit Laura Wahl widmete sich der EVG-Verkehrsausschuss in seiner Online-Sitzung natürlich auch noch weiteren Themen: Die Mitglieder berichteten zu verkehrspolitischen Neuigkeiten aus ihren Landesverbänden, außerdem wurde gemeinsam ein Blick in Richtung EU-Wahl und auf aktuelle bundespolitische Themen wie etwa die Reform des Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) geworfen.