EVG will das Berufsbild des Lokführers stärken / Deutliche Kritik am „Ausschreibungswahnsinn“
Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Torsten Westphal, hat sich dafür ausgesprochen, das Berufsbild des Lokführers zu stärken. Auf dem EVG-Lokführer-Infotag in Nürnberg sagte er vor über 100 Lokführerinnen und Lokführern: „Ich möchte, dass der Beruf des Lokführers wieder zu einer echten Berufung wird. Deshalb brauchen wir einen dauerhaften Personalaufbau, bei dem nicht die Frage ‚Wie kriegen wir am schnellsten neue Lokführer‘, sondern eher der Anspruch ‚Wie kriegen wir die besten Lokführer‘ im Vordergrund steht“. Davon wären die Eisenbahnverkehrsunternehmen noch weit entfernt.
Die Veränderungen im Berufsbild, die immer weiter zunehmende Arbeitszeitverdichtung aber auch irrwitzige Schichtpläne seien Herausforderungen, denen sich die EVG annehmen werde. „Ich möchte, dass wir uns bei den Lokführerinnen und Lokführern wieder auf das besinnen, was diesen Beruf ausmacht“, erklärte Torsten Westphal. Für die EVG bedeute das: „Die Besten gewinnen wir nicht über Billig-Crashkurse, die Besten bekommen wir nur über eine Ausbildung, die ihren Namen auch verdient“, so der EVG-Vorsitzende.
Sicher sei es möglich, eine Lok auch nach einer kurzen Funktionsausbildung zu fahren. „Wer aber möchte, dass wir dauerhaften Personalzuwachs bekommen, wer das Ziel hat, den Beruf des Lokführers aufzuwerten und wer dafür einsteht, dass sich das Berufsbild verbessert, der muss den Ausbildungsberuf stärken“, stellte Torsten Westphal fest.
Nur so sei ein umfassendes Verständnis und eine große Identifikation mit dem Gesamtsystem Eisenbahn gewährleistet; nur eine fundierte Ausbildung ermögliche den Beschäftigten einen Berufswechsel im „System Bahn“, wenn dieser erforderlich oder gewünscht sein sollte. „Dafür werden wir uns als EVG weiterhin stark machen“, erklärte Torsten Westphal.
Gleichzeitig kritisierte der EVG-Vorsitzende den augenblicklichen „Ausschreibungs-Wahnsinn“ bei Bus und Bahn im Personennahverkehr. „Der wird immer öfter auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen; das können und das werden wir nicht zulassen“, machte Torsten Westphal deutlich. Auch die Reisenden bekämen zunehmend die Folgen eines Wettbewerbs zu spüren, der mit den ursprünglichen Zielen nichts mehr zu tun habe. „Statt die Angebote zu verbessern, geht es heute fast immer nur darum, dem billigsten Anbieter den Zuschlag zu erteilen. Dass das nicht gut gehen kann, zeigt sich immer häufiger“, so der EVG-Vorsitzende.
So musste in Nordrhein-Westfalen der Betrieb einer S-Bahn-Linie von Keolis/eurobahn aufgrund von Personalmangel wieder zurück an die DB übertragen werden. Personalmangel war auch der Grund, warum das Land Niedersachen die Nordwestbahn erneut abgemahnt hat. In Baden-Württemberg und Bayern sind mangelnde Zuverlässigkeit und veraltete Technik der Grund für Beschwerden. „Und im Saarland beklagen meine Kolleginnen und Kollegen, dass das Unternehmen Vlexx die Beschäftigten in ihren Pausen – ohne entsprechende Räume – im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen lässt“, erläuterte Torsten Westphal.
Die Forderung der EVG an die politisch Verantwortlichen sei vor diesem Hintergrund ganz klar: „Wer in diesem Land eine Bahn betreiben will, muss Sorge für gute Beschäftigungsbedingungen tragen, weil es ansonsten nicht gelingen wird, ausreichend neues Personal einzustellen. Dazu gehört, dass bei einer Personalübernahme die bestehenden Einkommen und Beschäftigungsbedingungen gesichert werden, dazu gehört aber auch, dass insgesamt gute Löhne gezahlt werden und das ausgebildet wird“, forderte Torsten Westphal auf dem Lokführer-Infotag in Nürnberg.