Holocaust-Gedenktag: Kein Vergessen - auch 76 Jahre danach
„Wer denkt, es kann sich nicht wiederholen, der irrt.“. Dieses Zitat stammt von Justin Sonder, Auschwitz-Überlebender, der im vergangenen Jahr verstarb. Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, ist weltweit an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert worden. An jenem Tag im Jahr 1945 befreiten sowjetische Soldaten die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz. Das Lager steht symbolhaft für den NS-Völkermord an Millionen Menschen.
Die EVG Berlin lud an diesem Tag zu einem digitalen Vortrag „Antisemitische Verfolgung und Zivilcourage - Biografien von Eisenbahner*innen in der NS-Zeit“ ein. Frau Dr. Susanne Kill gab Einblicke in verschiedene Biographien von Eisenbahnern dieser Zeit. Dr. Susanne Kill ist Leiterin des Unternehmensarchivs der Deutschen Bahn AG und hat unter anderem verschiedene Ausstellungen zur Rolle der Deutschen Reichsbahn im Nationalsozialismus kuratiert.
Die Deutsche Reichsbahn war in zweierlei Hinsicht an dem System der Zwangsarbeit des nationalsozialistischen Deutschlands beteiligt. Mit ihrer Hilfe wurden Zwangsarbeiter*innen aus Europa nach Deutschland verschleppt und viele der Verschleppten wurden zur Arbeit auch bei der Reichsbahn gezwungen. Aber auch die Verschleppung der europäischen Juden, Sinti und Roma in die Vernichtungslager wäre ohne die Deutsche Reichsbahn nicht möglich gewesen. Frau Dr. Kill referiert seit vielen Jahren über das System der Zwangsarbeit bei der Reichsbahn im Nationalsozialismus und unterstützt sehr aktiv die jährlichen Gedenkstättenfahrten der EVG-Jugend.
Exemplarisch stellte sie Biographien vor, hier zwei davon: Paul Joseph Levy und Fritz Wolzenburg.
Paul Joseph Levy, geboren am 17. November 1876 in Stettin und gestorben am 27. Februar 1943 im KZ Auschwitz. Er war gelernter Maschinenbauer und Eisenbahner. Im Jahr 1899 schloss er sein Ingenieursstudium ab und trat in den Dienst der Preußischen Staatseisenbahn in Danzig. Von 1905 bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg übernahm er Aufgaben bei der Hedschasbahn und in Deutsch-Ostafrika. Nach dem Weltkrieg trat er in den Dienst der Deutschen Reichsbahn und wurde 1930 zum Reichsbahndirektor ernannt. Ab 1933 wurde er als Jude diskriminiert und schließlich 1935 entlassen. 1943 wurde Levy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Fritz Wolzenburg, geboren 24. Januar 1911 in Bromberg und gestorben am 1. Oktober 1982 in Flensburg. Er war gelernter Eisenbahner und schloss sein Abitur 1929 ab. Im Jahr 1939 ist er nach Posen abgeordnet worden und kehrte 1941 zur Führung des Bautrupps 7 nach Berlin zurück. Während des Zweiten Weltkriegs versorgte er in seiner Funktion als Leiter eines Bautrupps der Deutschen Reichsbahn in Berlin verfolgte Juden mit Lebensmittelkarten und Informationen über bevorstehende Deportationen, um sie vor der Ermordung zu bewahren. Zudem organisierte er gefälschten Ausweise für das Ehepaar Rewald. Im Jahr 1971 erhielt er dafür das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.
Dem Vortrag folgten 30 Kolleginnen und Kollegen und das waren nicht nur Berlinerinnen und Berliner. Im Anschluss an den Vortrag gab es noch weitere Ausführungen und Gespräche rund um das Gedenken und den Umgang mit dem geschichtlichen Erbe durch die Deutsche Reichsbahn, Bundesbahn und Deutsche Bahn AG.
„Wir sind nicht verantwortlich für das was geschehen ist, aber wir sind dafür verantwortlich, dass sich so etwas niemals wiederholt", betonte Michael Bartl, Ortsverbandvorsitzender der EVG Berlin, der durch die Veranstaltung führte. Aus diesem Grund sei es ihm besonders wichtig, diesen Tag mit Gedenken und Erinnern zu begegnen. „Wir als Gewerkschafter*innen müssen jeden Tag im Jahr Rechtsextremismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus widersprechen. Der Holocaust gehört zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte und es gibt keinen Zeitpunkt, in dem das Erinnern aufhören darf“, so Michael weiter.
Es war ein anderes und neues Format, den Gedenktag zu begegnen. Auch wenn es ungewohnt war, hat er an seiner mahnenden Wirkung nichts verloren. Wir als EVG stellen uns entschieden gegen jegliche Form von Ausgrenzung und Diskriminierung sowie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
Dank gilt der Referentin, Frau Dr. Kill, und Erika Albers für die Gestaltung und Vorbereitung der Veranstaltung.