Mehr Bahn für die Menschen: „Die Bahn muss wieder überzeugen“
Die Deutsche Bahn wird in der Ursache für das aktuelle Schienendilemma verantwortlich gemacht. Darunter leiden auch die anderen Bahnbetreiber im Personen- und Güterverkehr sowie die Schieneninfrastrukturbetreiber. Das muss sich dringend ändern, sagt Iris Janßen, Vorsitzende des Betriebsrates Osthannoversche Eisenbahnen AG, einem Unternehmen der Netinera Deutschland GmbH.
Wie stark wirkt sich das Bahndilemma aktuell auf euch als privatwirtschaftliches Eisenbahnunternehmen aus?
Das Material wird bis „zur letzten Rille“ ausgefahren. Immer wieder müssen wir mit Signalstörungen, Schienenbrüchen und abgerissenen Oberleitungen kämpfen. Das Netz gehört nun der DB AG. Wir sagen: Hört auf mit Notoperationen. Hier hilft nur eine rigorose Grundsanierung. Aktuell verzeichnet die Netinera Deutschland GmbH enorme Zuwächse. Das zeigt uns, die Menschen wollen „Mehr Bahn“ als Alternative zum Auto. Allerdings müssen dafür das Angebot und die Kapazitäten ausreichend vorhanden sein. Ein Beispiel: IC und ICE der DB haben auf den Strecken Vorrang. Wir stehen dann mit unseren Zügen hinten an, weil heute die zusätzlichen Gleise fehlen, die seit der Gründung der DB rigoros rückgebaut wurden. Den Ärger der Fahrgäste bekommen wieder unsere Beschäftigten vor Ort ab, weil der Zug nicht pünktlich ist.
Vor 20 Jahren wurde das Schienennetz für private EVUs geöffnet. Was hat sich seitdem für „Euch“ getan? Gibt es echten Wettbewerb?
Alle Bahnunternehmen sollten das gesamte Netz gleichermaßen (aus-) nutzen. Das würde die Abläufe beschleunigen. Würde die DB wie auch andere EVUs mit ihren Zügen die privaten Schieneninfrastrukturen wie z. B. für den Seehinterlandverkehr nutzen, könnten somit wichtige Schienenmagistralen entlastet werden. Da die Netze immer irgendwo zusammenlaufen, könnten wir gemeinsam wachsen und verlässlichere Qualität liefern. Überlegungen, den NE-Bahnen Ländermittel nicht mehr zu gewähren, sind absurd und wären der falsche Weg. Die Zahlen zeigen es, die Menschen wollen mehr Bahn. Deswegen brauchen auch die NE-Bahnen die Unterstützung des Bundes.
Beim Bund liegen Pläne zu einem „Deutschland-Takt in der Schublade. Wie steht ihr zu diesem Projekt?
Im SGV lag der Marktanteil der Wettbewerber vor einigen Jahren noch bei gut 30 Prozent. Im SPNV hingegen kommen Transdev, Abellio und Netinera, auf einen Marktanteil von ca. 20 Prozent. Den Rest der Schiene beansprucht die DB für sich. Hier ist der Fehler im System. Ich halte es für wichtig, dass wir nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ein Deutschland-Takt ist mehr als sinnvoll: Die Vertaktung des Fahrplans im gesamten Netz mit kurzen Umsteigezeiten unter Einbeziehung aller Verkehrsträger, also auch der Regionalzüge und Buslinien. Darin sehe ich eine zukunftsorientierte Bahnpolitik. Die Mobilitätsnachfrage wird immer größer. In den ländlichen Regionen noch gravierender, weil dort der ÖPNV fehlt. Unterm Strich dient ein Deutschlandtakt mit Fokus auf die umweltfreundliche Schiene auch der Umwelt enorm.
Wo siehst Du die Zukunft der Schiene in Deutschland?
Eines ist klar: Die Eisenbahn ist das klimafreundlichste Verkehrsmittel. Voraussetzung, wir arbeiten wieder alle daran, dass es so werden kann. Das Positionspapier der EVG tragen wir inhaltlich voll und ganz mit. Aktuell sehen Reisende, Pendler oder die Wirtschaft nicht wirklich eine attraktive Alternative für ihre Ansprüche und Belange. Dieser Verkehrsträger Schiene muss jetzt für das 21. Jahrhundert fit gemacht werden, wie uns die Schweiz es vorlebt. Dafür müssen wir jetzt die richtigen Weichen stellen. Für die Menschen. Für die Zukunft. Für Europa.