Mehr Geld und mehr Ausbildung – In der Grundsatzrede zum Gewerkschaftstag werden die Ziele und Forderungen der EVG deutlich
Der wiedergewählte Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Alexander Kirchner, hat in seiner Grundsatzrede auf dem Zweiten Ordentlichen Gewerkschaftstag in Berlin, die Forderungen der EVG an die künftige Bundesregierung deutlich gemacht. In der Schienen- und Verkehrspolitik forderte er mehr Innovationsförderung auch für den Bereich Eisenbahn ein.
„Alle reden von Elektromobilität, die gibt es auf der Schiene schon seit mehr als 120 Jahren“, machte Kirchner deutlich. Dennoch habe auch die Bahntechnik noch Potentiale. Deshalb müsse der Verkehrsträger Schiene bei der Vergabe von Fördergeldern viel stärker als bisher mitberücksichtigt werden. „Die Einhaltung der vereinbarten Klimaziele erreichen wir nur, wenn die Eisenbahn als ökologisches Verkehrsmittel stärker in den Mittelpunkt rückt“, so Kirchner.
Der EVG-Vorsitzende forderte zugleich eine bessere Bundesförderung für die NE-Bahnen bei den Infrastrukturinvestitionen ein. „Wir denken Schiene als Gemeinschaft“, machte er deutlich. „Was für die bundesstaatliche Infrastrukturplanung gelte, müsse auch für die Schieneninfrastruktur, die sich im Besitz privater Eisenbahnverkehrsunternehmen befindet, Gültigkeit haben“, erklärte Kirchner.
Insgesamt forderte Alexander Kirchner die Politik, aber auch die Schienenverkehrsunternehmen auf, „in Sachen Digitalisierung die Hosen runter zu lassen“. „Wie verändern sich die Anforderungen an die Beschäftigten und welche Qualifikationen müssen diese künftig mitbringen, wenn unsere Welt immer digitaler wird“, fragte Kirchner. Nötig sei ein „gerechter Übergang“ von der analogen in die Welt der bits und bytes – „und da wollen wir mitreden“, stellte der EVG-Vorsitzende fest.
Mitreden wollten immer öfter auch die Beschäftigten selbst. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft habe darauf in der zurückliegenden Tarifrunde mit ihrem innovativen EVG-Wahlmodell reagiert. „Wir wollen unseren Mitgliedern nicht einfach etwas vorsetzen – in unseren Tarifrunden sollen sie auch künftig die Möglichkeit haben, eigenverantwortlichen zu entscheiden, welche Wahlmöglichkeit am besten zu ihrem Lebensmodell passt“, so Kirchner. Eine möglichst breite Einbindung in die jeweilige Tarifforderung schaffe dafür die Basis. „Genau das werden wir unseren Mitgliedern in der nächsten Tarifrunde wieder ermöglichen“, so Kirchner.
Auch das Thema Arbeitszeit sei eines, um das sich die EVG intensiv kümmere. „Der Wunsch nach Arbeitszeitsouveränität, Planbarkeit und Belastungsreduzierung wird unter den Beschäftigten immer größer. Deshalb wollen wir weg von starren Regelungen, hin zu betrieblichen Vereinbarungen, die den Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen“, stellte Kirchner fest. Die Lebensentwürfe der Beschäftigten würden immer vielfältiger. Darauf müssten die Betriebsparteien reagieren.
Akuten Handlungsbedarf sehe die EVG zudem im Hinblick auf die Personalsituation der Schienenbranche. Jahre- und jahrzehntelang sei in der Schienenbranche nur unzureichend ausgebildet worden. „Das rächt sich jetzt auf dem Arbeitsmarkt in Form von Fachkräftemangel“, stellte Alexander Kirchner fest.
„Deshalb brauchen wir mehr Regelausbildungsplätze in der Schienenbranche. Und wir brauchen faire Löhne, gute Arbeitszeit sowie interessanten Qualifikations- und Aufstiegsmöglichkeiten. Nur so lässt sich der Fachkräftemangel langfristig beheben. Der Politik und den Unternehmen kann nicht daran gelegen sein, ein zweites Mainz zu provozieren“, machte der EVG-Vorsitzende deutlich. Im August 2013 war es in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt zu erheblichen Zugausfällen gekommen, weil aufgrund verfehlter Personalpolitik ein Stellwerk nicht mehr ausreichend besetzt werden konnte.
„Arbeit darf nicht krank machen“, erklärte Alexander Kirchner. Das bedeute auch, dass der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkomme. „Gerade im Personenverkehr erleben wir eine zunehmende Gefährdung der Beschäftigten mit Kundenkontakt. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass der Arbeitgeber die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit Jahren reduziert hat“, so Kirchner. Nur mit ausreichendem und qualifiziertem Personal könne die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen gewährleistet werden. Für Ausschreibungen müssten deshalb klare Sicherheitskonzepte hinterlegt werden.