Pflege und Gesundheit: Koalitionsvertrag mit Stärken und Schwächen
Die neue Ampelregierung will in der anstehenden Wahlperiode eine Reihe von Vorhaben im Bereich Pflege und Gesundheit auf den Weg bringen - so sieht es der Koalitionsvertrag vor. Geplant sind Verbesserungen für die häusliche Pflege. Die Chance auf einen Einstieg in die Pflegebürgervollversicherung wurde aber vertan.
Ab 2022 soll das Pflegegeld regelmäßig erhöht werden. Auch das Pflege- und Familienpflegezeitgesetz sollen reformiert werden. Nach Plänen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist Schluss mit starren Modellen und der Frage, wie pflegende Angehörige die Auszeit finanzieren sollen. Vorgesehen ist mehr Zeitsouveränität und eine Lohnersatzleistung. „Das sind richtige und notwendige Schritte. Sie verbessern die Situation in der häuslichen Pflege und bedeuten eine konkrete Unterstützung für Familien, die die schwere Arbeit der Pflege zu Hause übernehmen“, sagt EVG-Vize Martin Burkert.
„Dagegen geht die Ampelkoalition beim Thema Eigenanteile in der stationären Pflege nicht weit genug. Diese sollen begrenzt werden, ohne das jedoch im Koalitionsvertrag mit konkreten Zahlen oder Maßnahmen zu belegen“, so Martin Burkert. „Geplant ist auch, die Ausbildungskostenumlage aus den Eigenanteilen herauszunehmen. Wünschenswert wäre für die EVG gewesen, das auch für die Investitionskosten zu beschließen und die Bundesländer zu verpflichten, diese Kosten zu tragen.“
„Zu begrüßen sind die Pläne der neuen Regierung beim Thema 24-Stunden-Betreuung. Haushaltsnahe Dienstleistungen sollen künftig durch ein Zulagen- und Gutscheinsystem gefördert werden, angelehnt an das belgische Modell. Somit werden pflegende Angehörige, Familien mit Kindern und Alleinerziehende entlastet und mehr sozialversicherte Arbeitsplätze geschaffen, vor allem für Frauen“, bewertet Martin Burkert die Vorhaben.
Die Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung zu ergänzen, die alle Pflegekosten absichert und vergleichbare Möglichkeiten für die private Pflegeversicherung zu schaffen, kritisiert die EVG hingegen scharf. „Eine ergänzende freiwillige betriebliche Lösung für alle und das Einrichten einer privaten Säule zur zusätzlichen Finanzierung der Pflege lehnen wir ab. Hier ist die Handschrift der FDP deutlich erkennbar. Die am häufigsten von schwerer Pflegebedürftigkeit betroffenen, nämlich Beschäftigte im Niedriglohnbereich sowie in kleinen und mittelgroßen Betrieben könnten sich am wenigsten eine solche Lösung leisten und gingen leer aus. Vielmehr geht aus dem Vorschlag die Intention hervor, die Geschäftsmodelle der privaten Versicherungswirtschaft zu unterstützen“, kritisiert Martin Burkert. Die EVG fordert eine Pflegebürgervollversicherung, in die alle einzahlen und die sämtliche pflegerischen Kosten übernimmt.
„Leider sieht der Koalitionsvertrag auch keine Regulierung von Gewinnmaximierung im Gesundheitswesen vor. Nach wie vor können so private Betreiber von Pflegereinrichtungen hohe Renditen aus Sozialversicherungsbeiträgen und Steuermitteln erwirtschaften“. Die EVG hatte gefordert, Gewinne auch für eine gute pflegerische und personelle Versorgung zu reinvestieren.
Bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bekennt sich die Ampel zu einer stabilen und verlässlichen Finanzierung, der Bundeszuschuss zur GKV soll regelhaft dynamisiert werden. „Die aufgeführten Maßnahmen reichen jedoch bei weitem nicht aus. Das strukturelle GKV-Finanzdefizit ist damit nicht zu schließen. Inwiefern dies bedeuten kann, dass Defizite über Beitragserhöhungen finanziert werden sollen, ist offen“, so Burkert.
„Manches liest sich gut, was zu Pflege und Gesundheit im Koalitionsvertrag steht. Jetzt muss die Ampel liefern und die Vorhaben in Gesetze umwandeln. Gemeinsam mit dem DGB werden wir die konkrete Umsetzung kritisch begleiten und bewerten“, so Burkert abschließend.