S-Bahn Berlin: „Es liegt bis jetzt kein schlüssiges Verkehrskonzept vor“
"Investieren statt Zerschlagen!" Mit diesem und anderen Rufen hatten am Mittwoch rund 100 Teilnehmer vor dem Amtssitz der Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther protestiert. Anlass war die aktuelle (Teilnetz-) Ausschreibung für die Berliner S-Bahn.
Vertreter*innen von Students for Future, dem Verein Gemeingut für Bürger*innen, dem DGB, der IG Metall sowie der EVG hatten die Aktion gemeinsam geplant. Vor Ort hatten sich außerdem Beschäftigte der S-Bahn selbst und der BVG solidarisch gezeigt. Unterstützt wurde der Protest auch vom BUND und den Naturfreunden Berlin.
„Wie eine S-Bahn Berlin mit bis zu 6 Betreibern nahtlos funktionieren soll, ist uns schleierhaft“, sagte Robert Seifert, Vorsitzender der Betriebsgruppe der Berliner S-Bahn. Die Verkehrssenatorin habe sich bis jetzt noch nie fachkundig und sachlich geäußert, so Seifert in seiner Rede. „Es liegt bis jetzt kein schlüssiges Verkehrskonzept der Senatorin vor“. Bleibe die Ausschreibung so bestehen, wie aktuell, sei mit diesem Chaos-System im schlimmsten Fall kein stabiler und sicherer Betrieb möglich.
„Die Menschen dieser Stadt erwarten ein langfristiges und nachhaltiges Konzept für eine dauerhaft funktionierende S-Bahn“, so Simon Herrmann, Sprecher von Students for Future Berlin. Was niemand wolle, sei eine nicht zu Ende gedachte, kleinteilige Ausschreibung.
Scharfe Worte fand der Vertreter vom Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“ Karl Wasmuth. Senatorin Günther zerstöre willentlich die Berliner S-Bahn zugunsten der Straße. Es gehe um 8 Milliarden Euro, die Kapitalinvestoren für sich generieren wollen. Regine Günther mache sich mit ihrem Vorgehen mehr zu deren Verbündeten, als zur Verbündeten der Fahrgäste oder des Klimas.
Students for Future haben einen Protestbrief für Verkehrssenatorin Regine Günther übergeben. Neben den hauptsächlichen Forderungen zum Erhalt der S-Bahn, wurde darin auch mehr Transparenz in den Vorgängen angemahnt. Die Grünenpolitikerin selbst war nicht in ihrem Amtssitz. Deswegen hatte ihr Presseverantwortlicher das Schreiben entgegengenommen.
Erst Anfang Dezember haben Gewerkschaften und Umweltverbände massive Kritik an der geplanten S-Bahn-Ausschreibung in Berlin geübt. DGB, EVG, BUND und Naturfreunde Berlin hatten dazu eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. „Die geplante Ausschreibung ist nicht geeignet, den Ausbau des Schienenpersonen-Nahverkehrs (SPNV) voranzubringen“, heißt es darin. SPNV und ÖPNV insgesamt blieben das „Rückgrat einer klimagerechten Verkehrswende“. Deswegen sagen wir als Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft: So nicht, Frau Günther!
Für die EVG ist das bislang geplante Ausschreibungskonzept nicht akzeptabel. Wir befürchten erhebliche Nachteile für Beschäftigte und Fahrgäste durch große Gefahren bei der Zuverlässigkeit des S-Bahn-Betriebs. Daher fordern wir, die Ausschreibung zu ändern: Beschäftigtenabsicherung durch verpflichtende Übernahme aller betroffenen Arbeitnehmer*innen zum bestehenden EVG-Tarifvertrag, möglichst wenig Schnittstellen, die zu Problemen und Chaos führen können durch weniger Betreiber und keine Verpflichtung eine neue Werkstatt auf Kosten der Länder zu bauen, um diese Mittel sinnvoller einsetzen zu können.
Die EVG setzt sich dafür ein, dass die Interessen der Beschäftigten und auch der Kund*innen nicht unter die Räder kommen. Eine S-Bahn aus einer Hand ist die beste Lösung: für die Beschäftigten und für die Berliner*innen.