Tarifrunde 2023 abgeschlossen: 11 Fakten zum Abschluss
Der Tarifabschluss bei der Deutschen Bahn ist unter Dach und Fach. 52 % der Teilnehmenden an der Urabstimmung haben sich für die Annahme der Schlichtungsschlussempfehlung ausgesprochen.
Damit geht eine der komplexesten Tarifrunden in der Geschichte unserer Gewerkschaft zu Ende. In der Öffentlichkeit werden Tarifabschlüsse gerne auf eine Prozentzahl und die Laufzeit reduziert. Doch in dem Paket, das wir nun abschließen, steckt viel mehr drin. 11 Fakten, die jede und jeder bedenken sollte, die/der den Tarifabschluss einordnen will.
- Die gemeinsame Tarifrunde hat die EVG langfristig vorbereitet. Schon ab 2016 haben wir die Laufzeiten der Tarifverträge bei der DB AG und den NE-Bahnen synchronisiert, um eine gemeinsame Tarifrunde zu ermöglichen. Von der Systematik, dass die DB AG als Branchenführer einen Abschluss macht und alle anderen nachziehen, wollten wir wegkommen. Tatsächlich haben diesmal am Ende die NE-Bahnen den Takt vorgegeben.
- Konkret sind wir im Frühjahr 2022 in die Vorbereitung eingestiegen. Mit mehreren gemeinsamen Zukunftswerkstätten und der „Tariftour“. Das gipfelte in der gemeinsamen Sitzung von 50 Tarifkommissionen im Februar 2023. Dort war Konsens: Wir stellen drei Kernforderungen für alle Unternehmen auf – plus weitere unternehmensspezifische Forderungen. Bei der DB AG betrug die Liste 25 Punkte, darunter Mindestlohn, ein Ende der regional unterschiedlichen Bezahlung, strukturelle Verbesserungen in den Funktionsgruppen. Und hier haben wir viel erreicht.
- Eine unserer zentralen Forderungen war die soziale Komponente. Der geforderte Mindestbetrag sollte dafür sorgen, dass besonders die Kolleg:innen in den unteren Entgeltgruppen profitieren sollten. Damit war von Anfang an verbunden, dass Kolleg:innen in den höheren Entgeltgruppen relativ gesehen weniger, aber auch profitieren. Die AB AG hat diese Forderung anfangs negiert und stattdessen prozentuale Erhöhungen angeboten. Es dauerte mehrere Monate, bis der Arbeitgeber endlich verstanden hatte, dass wir auf einem Festbetrag beharrt haben und warum.
- Ein wichtiger Punkt für uns war die Sicherung des Mindestlohns. Dieses Thema haben wir „vor die Klammer gezogen“, damit die Lohnerhöhungen, die wir in dieser Tarifrunde erkämpft haben und in allen künftigen erkämpfen werden, zu 100 % auch bei den Kolleginnen und Kollegen im Mindestlohnbereich ankommen. Es ist damit endgültig Schluss mit den Tricksereien, dass ausgerechnet ein Unternehmen, das sich im Eigentum des Bundes befindet, den gesetzlichen Mindestlohn nur über Zulagen erreicht.
- Zu jeder Tarifverhandlung gehören zwei Seiten. Die Arbeitgeberseite kam auch mit Gegenforderungen auf uns zu. Und die hatten es in sich. Die meisten konnten wir verhindern. So wollte der Arbeitgeber DB Cargo und die Busgesellschaften aus der gemeinsamen Tarifrunde herausnehmen und getrennt verhandeln. Dies hätte hier nur einen geringeren Abschluss bedeuten können. Das haben wir verhindert. Die beiden Fonds wurden gekündigt und werden nun wieder in Kraft gesetzt. Die Besondere Teilzeit im Alter wollte der Arbeitgeber ganz abschaffen. Auch das haben wir verhindert.
- Von Anfang an hat es die Arbeitgeberseite an Verständnis und Wertschätzung für den Verhandlungspartner EVG fehlen lassen. Unsere Forderungen lagen drei Wochen vor Beginn der Verhandlungen auf dem Tisch. Statt bei der ersten Runde ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, inszenierte die DB dann doch die übliche Tariffolklore, vor der wir vorher noch ausdrücklich gewarnt hatten. Das erste Angebot war in Struktur und Volumen meilenweit von unseren Forderungen entfernt. So ging gleich am Anfang wertvolle Zeit verloren. Und auch im weiteren Verlauf spielte der Arbeitgeber auf Zeit, eskalierte unnötig, stellte Gegenforderungen auf, versuchte zu spalten und reiste einmal sogar von den Verhandlungen ab.
- Jedes Tarifergebnis ist ein Kompromiss. Bei keiner Tarifrunde ist es jemals gelungen, die Forderungen 1:1 durchzubringen. Im Schlichtungsverfahren konnten noch weitere Verbesserungen erzielt werden; die Schlichtungsempfehlung enthält auch Entgegenkommen an die Arbeitgeberseite. Das ist bei neutralen Schlichtenden auch nicht zu vermeiden.
- Wir steigen mit diesem Tarifabschluss ein in die notwendige Weiterentwicklung der Funktionsgruppenspezifischen Tarifverträge. Für die FGr1 und 3 hatten wir strukturelle Anpassungen gefordert. Das Prinzip hinter den Funktionsgruppen lautet: Im Quervergleich (also z. B. die 109 zur 509) sollen vergleichbare Tätigkeiten auch vergleichbar bezahlt werden. Aus verschiedenen Gründen liegt die Funktionsgruppe 4 höher als die anderen Funktionsgruppen. Ziel der Strukturforderung war es deshalb u. a., die Funktionsgruppen auf das Level der FGr 4 anzuheben. Der Arbeitgeber hat die Angleichung der Tabellen bis kurz vor Schluss ganz abgelehnt. Gegen Ende der Verhandlungen war er bereit, die Gruppen 1 und 3 anzugleichen. In der Schlichtung ist von den Schlichtern die Funktionsgruppe 5 hinzugenommen worden, mit Wirkung zum 31. März 2025. Der Bundesvorstand hat dies bestätigt und beschlossen, dass die Funktionsgruppen 2 und 6 in der nächsten Tarifrunde ebenfalls angehoben werden sollen, und dies rückwirkend zum 1. April 2025. Wenn alle Funktionsgruppen auf einem Niveau angekommen sind, steht als nächstes die Überarbeitung oder „Modernisierung“ des Entgeltgruppenverzeichnisses an. Das ist notwendig nach 15 Jahren, in denen dieses System jetzt besteht.
- Für die Dienstleistungsunternehmen haben die Schlichter darüber hinaus Vorschläge für die Reduzierung der Regionen gemacht. Für die meisten ist das gelungen, indem wir künftig nicht mehr bis zu acht Regionen, sondern eine einheitliche Bundestabelle haben. Noch nicht ganz unseren Vorstellungen entspricht die Struktur künftig bei DB Services, wo wir immer noch drei Regionen haben. Dennoch ist es gelungen, die regional unterschiedliche Bezahlung weitgehend anzupassen.
- Somit war die Tarifrunde 23 von Anfang an und durchgehend durch eine große Solidarität und ein großes Gemeinsamkeitsgefühl geprägt. Das haben vor allem die beiden bundesweiten Warnstreiks gezeigt. 32.000 Kolleg:innen haben am ersten Warnstreik teilgenommen, 25.000 am zweiten. Mit Dutzenden Veranstaltungen haben wir an diesen beiden Tagen unsere berechtigten Forderungen in die Öffentlichkeit getragen. Zum solidarischen Gesamtbild gehört auch, dass unsere Senior:innen die Tarifforderungen und den Arbeitskampf unterstützt haben, durch Soli-Botschaften und ganz praktisch durch Unterstützung vor Ort.
- Für Lokführer werden wir einen neuen Tarifvertrag erarbeiten. Dieser wird vor allem die Belastungen durch Schicht- und Wechseldienst gerechter als bisher honorieren. Außerdem wird der Tarifvertrag die Qualifikation und die Leistung ehrlicher bewerten. Ziel ist es, den Lokführerberuf wieder lukrativ und zu etwas Besonderem zu machen. Wichtig dafür sind die beste Ausbildung, attraktive Beschäftigungsbedingungen und ein angemessenes Entgelt, das der großen Verantwortung gerecht wird.