Verkehrspolitik: 10 Gründe für den integrierten Konzern
Der integrierte Konzern DB AG steht wieder in der Debatte. Einige politische Parteien wollen Netz und Betrieb voneinander trennen und den Konzern damit zerschlagen. Die EVG warnt entschieden vor einem solchen Schritt. Für uns ist der integrierte Konzern nicht verhandelbar.
Zehn Gründe, warum er das beste Modell ist, um die großen Herausforderungen in den kommenden Jahren zu meistern und die ökologische Verkehrswende zu gestalten.
Der integrierte Konzern ist wichtig,
1. Weil er sichere und gute Arbeitsplätze garantiert.
Die EVG bzw. ihre Vorläufergewerkschaften haben in den Jahrzehnten seit Einleiten der Bahnreform den konzernweiten Arbeitsmarkt entwickelt. Er stellt sicher, dass die Arbeitsplätze der Eisenbahner*innen geschützt werden. Berufsbilder ändern sich durch technische Innovationen, Arbeitsplätze verschwinden durch Rationalisierung oder Ausschreibungsverluste, ein*e Kolleg*in kann die persönliche Tauglichkeit für eine bestimmte Tätigkeit verlieren. Man wechselt aus persönlichen Gründen den Arbeitsort oder man möchte sich verändern. In all diesen Fällen ist es nur im integrierten Konzern möglich, an anderer Stelle eingesetzt zu werden oder sich neu zu qualifizieren und dadurch zu halten. Damit wird auch das Know-how im System erhalten.
2. Weil er neue Beschäftigung schafft.
Bei der Deutschen Bahn arbeiten Menschen in über 100 Berufsbildern. Der integrierte Konzern hat bessere Möglichkeiten, Menschen für die Vielfalt der Eisenbahnberufe zu begeistern. In den kommenden Jahren müssen Tausende neue Kolleginnen und Kollegen gewonnen werden, um den gestiegenen Bedarfen und neuen Anforderungen gerecht zu werden. Mit unserem jüngsten Tarifabschluss zum „Bündnis für unsere Bahn“ haben wir erreicht, dass die DB AG pro Jahr mindestens 18.000 neue Beschäftigte einstellt, darunter mindestens 4.000 Nachwuchskräfte. Eine große Neueinstellungsoffensive lässt sich durch einen großen Konzern effektiver steuern als durch mehrere kleinen Gesellschaften, die womöglich noch um Fachkräfte konkurrieren müssten.
3. Weil er den Strukturwandel gestaltet.
Der integrierte Konzern ist auf Grund seiner Größe ein industriepolitischer Faktor. In Zeiten des Strukturwandels hat er eine enorme Bedeutung zur Schaffung neuer Beschäftigung. Ein gutes aktuelles Beispiel ist das Werk Cottbus der DB Fahrzeuginstandhaltung. Hier entstehen in den kommenden Jahren 1.100 neue Industriejobs auch für jene Beschäftigten, die bislang in der Braunkohle tätig waren. Das zeigt: Der integrierte Konzern kann durch eine kluge Ansiedlungs- und Strukturpolitik dazu beitragen, den sozial-ökologischen Wandel der deutschen Wirtschaft zu gestalten.
4. Weil er ein verlässliches Mobilitätsangebot gewährleistet.
Ein großer Konzern bietet durch seine Personal- und Materialreserven bessere Möglichkeiten, die Mobilität im Krisenfall abzusichern. Dies hat sich auch in der Corona-Krise oder nach zahlreichen Ausfällen im SPNV unter Beweis gestellt. Die „Nudelzüge aus Italien“ haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Versorgungssicherheit auch im tiefsten Lockdown erhalten geblieben ist.
5. Weil man mit ihm Prioritäten für eine Schiene mit Zukunft setzen kann.
Eine neue Trennungsdebatte würde die Eisenbahnbranche auf Jahre lähmen und Ressourcen binden. Diese Zeit haben wir nicht - angesichts eines ungebremst fortschreitenden Klimawandels. In den kommenden Jahren stehen viele Aufgaben an, um die Schiene nach vorne zu bringen: Die Verkehrsleistung von Personen und Gütern soll stark erhöht und ein Deutschlandtakt eingeführt werden. Die Umrüstung auf ECTS und die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung sind technische Mammutaufgaben, die es zu stemmen gilt. Dringende Projekte sind auch die weitere Elektrifizierung des Schienennetzes, die Einführung von neuen, CO2-freien Antriebstechnologien, die Reaktivierung von stillgelegten Strecken, die Sanierung, Neu- und umfassender Ausbau der Eisenbahninfrastruktur sowie die Änderung der immer noch unfairen Wettbewerbsbedingungen zwischen Straße und Schiene. Die Trennungsdebatte lenkt von den großen, realen Problemen der Eisenbahn- und Verkehrspolitik ab und behindert ihre Lösung.
6. Weil er ein wichtiger Faktor ist, um den Deutschlandtakt einzuführen.
Entwicklung von Fahrplänen, Ausbau der Infrastruktur, Ausbau der Fahrzeugkapazitäten – der geplante Deutschlandtakt erfordert viel und genaue Abstimmung. Erfolgreiches Vorbild für die Einführung eines Taktfahrplans ist die Schweiz. Und dieses Beispiel zeigt, dass Planung, Durchführung und Betrieb eines landesweiten Taktfahrplans am besten im integrierten Modell möglich sind.
7. Weil Segmentierung Schäden erzeugt.
Eine Trennung zwischen Eisenbahn-Infrastruktur und Verkehrsbereich bietet keine betrieblichen oder verkehrspolitischen Vorteile gegenüber der heutigen Struktur. Die wesentlichen Probleme, vor denen die Eisenbahnen in Deutschland und Europa stehen, werden durch eine Trennung weder gelöst noch angegangen. Im Gegenteil: Sie werden verschärft. Dafür muss man z.B. nur nach Frankreich oder Großbritannien schauen. Eine weitere Segmentierung wäre schädlich für das System Eisenbahn; einige der Probleme des Schienenverkehrs sind gerade auf die bereits erfolgte Segmentierung zurückzuführen.
8. Weil man aus internationalen Erfahrungen lernen sollte.
Die Praxis in anderen Ländern zeigt eine Tendenz zu integrierten Eisenbahnunternehmen: Erfolgreiche Eisenbahnländer (z.B. Schweiz, Japan, Russland) haben integrierte Bahnen. Eine weitergehende Trennung der Eisenbahn in Großbritannien führte zu vielen Pannen und großer Unzufriedenheit. In Frankreich wurde die Eisenbahn-Infrastruktur vor wenigen Jahren wieder in die nationale Bahngesellschaft SNCF integriert.
9. Weil er innovationsfreundlich ist.
Der integrierte Konzern schafft durch seinen Verbund nicht nur ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl in der Eisenbahner*innenfamilie. Er fördert durch die Vielfalt unterschiedlicher Kompetenzen und Tätigkeiten auch Innovationen. Denn klar ist: Wissen und Ideen entstehen oft im gemeinsamen Arbeitsalltag und im informellen Austausch.
10. Weil man in einem integrierten System Synergien nutzen kann.
Wir Eisenbahner*innen wissen: Das System Schiene ist komplex und der Betriebsablauf wird durch starke funktionale Abhängigkeit der einzelnen Tätigkeiten voneinander bestimmt. Das Zusammenwirken im Gesamtsystem Schiene kann nur erfolgreich funktionieren, wenn alle Fachbereiche in der Bahn offen und vertrauensvoll zusammenarbeiten. In einem zu stark getrennten wettbewerblichen Umfeld hingegen würde jeder Bereich seine Optimierung auf Kosten anderer Bereiche anstreben und Wissen abschotten.