Vor 70 Jahren: Im April 1952 beginnt in der GdED die gewerkschaftliche Frauenpolitik
Während des zweiten Weltkrieges hatten Frauen bei der Bahn in vielen Funktionen gearbeitet: Als Schaffnerinnen und Fahrdienstleiterinnen, als Rangiererinnen, als Bremserinnen auf den Güterzügen. Als die Männer nach und nach aus dem Krieg und aus den Gefangenenlagern zurückkehrten, sollten zumindest die verheirateten Frauen wieder weichen.
„Ich bin vom Bahnhof zur Direktion gegangen, als mir eine Schaffnerin in Uniform entgegenkommt und sagt: „Jetzt entlassen sie uns wieder.“ Ich habe furchtbar geschimpft.“ So erinnert sich Gretel Rabic später an diese Tage. Sie war eine, die blieb. Und die ein Stück Gewerkschafts-Geschichte schrieb.
1920 geboren, begann Gretel Rabic, geborene Meier, 1939 als Reichsbahngehilfin in der Direktion Nürnberg. Als Mitarbeiterin im „Betriebsbüro“, also im Innendienst, blieb sie auch nach dem Krieg dort, wurde 1947 in den Betriebsrat gewählt und trat im selben Jahr in die Gewerkschaft ein. Allerdings: Von Frauenpolitik, schrieb sie später, „hat in den Jahren 1947/48 noch keiner gesprochen.“
Das änderte sich in der GdED Anfang der 1950er Jahre - allerdings langsam und mühsam. 1950 beschloss der Gewerkschaftstag in Gelsenkirchen die Einrichtung einer Abteilung „Frauen“ beim Hauptvorstand. Es folgte die Ausarbeitung einer entsprechenden Richtlinie und 1952 die Ausschreibung einer Stelle „Frauen-sekretärin“ beim Hauptvorstand in Frankfurt/M. Gretel Rabic bewarb sich – und bekam die Stelle. Ab April 1952 baute sie, übrigens als einzige Gewerkschafts-sekretärin der GdED, die Frauenstrukturen in der Gewerkschaft auf und konnte fast genau zwei Jahre später, im April 1954, die erste Bundesfrauenkonferenz der GdED eröffnen. „Männerkonferenzen sind in unserer Gewerkschaft keine Seltenheit. Nun tagen einmal wir Frauen“, schrieb sie anlässlich dessen in der Verbandszeitschrift „Der deutsche Eisenbahner“. „Manche Probleme sind nach dem Krieg diskutiert und einer Lösung nähergebracht worden. Die Probleme der Frauen blieben bisher vielfach noch unbeachtet und standen oft im Hintergrund.“
Ihr Artikel gibt auch einen bemerkenswerten Einblick in das gesellschaftliche Klima der frühen 50er Jahre: „Immer noch gibt es Menschen, die fragen, ob es „fraulich“ ist, sich auf einen Beruf vorzubereiten oder einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Dies ist ein Zeichen, dass die Frau noch einen weiten Weg bis zur Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes, der im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert ist, zu gehen hat.“
Gretel Rabic leitete die Abteilung Frauen beim Hauptvorstand bis zu ihrem Wechsel in den Ruhestand 1980. Als Ruheständlerin erlebte sie, wie erstmals eine Frau in den Geschäftsführenden Vorstand (GV) der GdED einzog. Die damals 38-jährige Renate Toewe nahm am 2. Mai 1991 ihre Arbeit im GV auf. „Mit der Wahl der Berlinerin Renate Toewe trug der Beirat dem hohen weiblichen Mitgliederanteil Rechnung“, berichtete der „Eisenbahner“, wie unsere Zeitschrift mittlerweile hieß. „Nach der Bildung einer einheitlichen Interessenvertretung für die Beschäftigten bei der Bundesbahn und Reichsbahn in der GdED hatte sich der Anteil der in der GdED organisierten Frauen wesentlich erhöht.“ Renate Toewe übernahm die Zuständigkeit für Frauen und für betriebliche Mitbestimmung und nahm ihr Mandat bis 1996 wahr. Seitdem ist immer mindestens eine Frau Mitglied im GV unserer Gewerkschaft.
„Wir mussten erst einmal wahrgenommen werden“, resümierte Gretel Rabic im Jahr 2007 in einem Interview die Anfänge der Frauenarbeit in unserer Gewerkschaft. Kaum jemand hat dafür mehr geleistet als sie. 2008 ist Gretel Rabic gestorben; sie wurde 88 Jahre alt.