Er ist eine feste Größe im Veranstaltungskalender der EVG und der Landespolitik in Bayern: der Eisenbahnertag des Landesverbandes Bayern der EVG. Zum 13. Mal bereits kamen in diesem Jahr Hunderte Kolleginnen und Kollegen auf dem Nürnberger Volksfest zusammen, um mit Landespolitikern zu diskutieren.
Beherrschendes Thema diesmal: die bevorstehende Landtagswahl. Und hier interessiert die DGB-Gewerkschaften in Bayern, und somit auch die EVG. Vor allem eine Frage: Wann wird der Freistaat endlich die Rote Laterne bei der Tariftreue los?
Denn nur zwei Bundesländer - Bayern und Sachsen - haben kein Tariftreue- bzw. Vergabegesetz. Die DGB-Gewerkschaften fordern daher ein „Faire-Löhne-Gesetz“. Den Ton der Diskussion in Nürnberg gab der Vorsitzende des DGB Bayern, Bernhard Stiedl, in seinem Grußwort vor. „Das sind wichtige Landtagswahlen auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir wollen, dass mit unseren Steuergeldern nur Firmen unterstützt werden, die gute Löhne zahlen und gute Beschäftigungsbedingungen bieten. Das erwarten wir von der neuen Staatsregierung."
Menschen müssen für ordentliche Arbeit auch ordentlich bezahlt werden.
Auf dem Podium nahmen Spitzenvertreter der Parteien hierzu Stellung. „Wir haben einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht“, so Florian von Brunn, Spitzenkandidat der SPD. „Wir werden nicht lockerlassen, bis es ein solches Gesetz gibt. Menschen müssen für ordentliche Arbeit auch ordentlich bezahlt werden.“
Markus Büchler von den Grünen verortete seine Partei „an der Seite der SPD.“ Dass es ein solches Gesetz in Bayern noch nicht gibt, liege daran, „dass der Freistaat bei der Schiene nur sparen will.“ Skeptisch zeigte sich dagegen Sebastian Körber von der FDP. Tariftreue und die von der EVG geforderte verpflichtende Übernahme der Beschäftigten bei Betreiberwechsel „würde viel zusätzliche Bürokratie bedeuten, die manches kommunale Unternehmen wohl überfordern würde.“ Er sei aber „gesprächsbereit“.
Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert wies darauf hin, dass im Bund gerade das Bundesvergabegesetz überarbeitet wird. Ziel: Alle Vergaben des Bundes (und auch bundeseigener Unternehmen wie der DB AG!) dürften nur noch an tarifgebundene Unternehmen erfolgen. „Das wäre ein Riesenfortschritt für die Beschäftigten. Ich hoffe, das scheitert nicht an der FDP.“
Was hätten wir erst für ein Chaos, wenn die DB nicht ihre Beschäftigten hätte!
Martin Burkert ging auch auf weitere Top-Themen ein, die die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner nicht nur zwischen Zugspitze und Rhön interessiert. „Jeden Tag gibt es neue Meldungen über die Bahn und meistens sind es keine guten. Aber was hätten wir erst für ein Chaos, wenn die DB nicht ihre Beschäftigten hätte! Ihr haltet den Laden zusammen.“ Das sei auch im vorigen Jahr beim 9-Euro-Ticket erkennbar gewesen. Nun aber wolle die CSU Netz und Betrieb trennen und damit den DB-Konzern zerschlagen. „Nicht mit uns! Wir sind das Bollwerk, wir stehen zum Integrierten Konzern.“ Wenn man Netz und Betrieb trennen würde, müssten die Dienstleistungen rund um die Schiene europaweit ausgeschrieben werden, „und das würde die relativ gut bezahlten Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich bedrohen. Martin nahm damit über die bayerische Landtagswahl bereits die Bundestagswahl 2025 in den Blick. „Wer als Eisenbahner:in die Parteien wählt, die Netz und Betrieb trennen wollen, muss wissen, dass er mit seinem eigenen Arbeitsplatz spielt."
Nicht mit uns! Wir sind das Bollwerk, wir stehen zum Integrierten Konzern.
Das wollten Markus Büchler und Sebastian Körber so nicht stehen lassen. Der Begriff von der Zerschlagung sei „zu schwarz-weiß gedacht“, so die Politiker von Grüne und FDP. Eine Trennung könne der Bahn „die Chance geben, zu wachsen.“ Eine klare Position, die aber auch klare Antworten aus dem Publikum hervorrief. „Als Eisenbahner in der 4. Generation sage ich: Eine Zerschlagung ist einfach nur falsch“, so Gerald Horst, Vorsitzender des Hauptpersonalrates bei der Präsidentin des Bundeseisenbahnvermögens. Er verwies darauf, dass man mit gewerkschaftlichen Argumenten bereits eine entsprechende Mehrheit im EU-Parlament gekippt habe. „Die Zerschlagung wäre eine Katastrophe für unser soziales Netz“, so eine weitere Kollegin mit Blick auf den konzernweiten Arbeitsmarkt. Sie erinnerte daran, dass „die Bahn dem Volk gehört - unseren Kundinnen und Kunden, die tagtäglich unsere Züge nutzen."
Durch Nachfragen des Nürnberger EVG-Geschäftsstellenleiters Matthias Birkmann und vor allem auch durch Diskussionsbeiträge aus dem Publikum kamen weitere Themen zur Sprache, die den Eisenbahner:innen auf den Nägeln brennen. So signalisierten alle drei klare Zustimmung zu der Forderung der EVG, dass die EVU sich gegenseitig die Mitarbeiterfahrkarten anerkennen. Einigkeit herrschte auch darin, dass die zunehmende Aggressivität in den Zügen nicht hinnehmbar ist und ein besserer Personal-schlüssel und insbesondere mehr Sicherheitspersonal in den Ausschreibungen vorgegeben werden muss. Unterschiedliche Aspekte kamen beim Thema zur Sprache, wie die ÖPNV-Versorgung auf dem Lande und die Qualität des Schienennetzes verbessert werden kann:
Sebastian Körber (FDP): „Der Freistaat kann in Vorleistung gehen und z.B. Planungsleistungen vorfinanzieren. Außerdem fordern wir mehr Mut bei der Reaktivierung stillgelegter Strecken."
Markus Büchler (Grüne): „Ich fahre zum Wandern lieber nach Österreich, denn da sind die ÖPNV-Verbindungen besser als bei uns. Und dafür ist die Bayerische Staatsregierung verantwortlich Der Nahverkehrsplan Bayern, von dem abgeleitet werden kann, welche Infrastrukturmaßnahmen erforderlich sind, muss laut Gesetz alle zwei Jahre überarbeitet werden. Tatsächlich ist das seit 20 Jahren nicht geschehen - seit 20 Jahren weiß der Freistaat Bayern nicht, welche Schieneninfrastruktur er braucht. Das ist politisches Versagen.“
Florian von Brunn (SPD): „Von den zehn Landkreisen in Deutschland, die am schlechtesten mit ÖPNV-Leistungen versorgt sind, liegen fünf in Nordostbayern. Vielleicht sollte sich der Freistaat auch neue Geldquellen erschließen, z.B. durch die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und der Spekulation mit Baugrundstücken."
Reichlich Hinweise also aus drei Oppositionsparteien in Richtung der Regierungskoalition im Münchner Maximilianeum. Den Schlagabtausch hätte man gerne live erlebt; beide Regierungsparteien waren natürlich ebenfalls eingeladen, hatten aber abgesagt. Das sei „skandalös“, so Martin Burkert, für den SPD-Spitzenkandidaten aber auch nachvollziehbar, wie er mit Blick auf die Flugblatt-Affäre des Vize-Regierungschefs frotzelte: „Bei CSU und Freien Wählern hat man momentan offenbar anderes zu tun."