4. EU-Eisenbahnpaket: Überzeugungsarbeit hat sich gelohnt
Mitte Dezember hat das Europäische Parlament das Vierte Eisenbahnpaket verabschiedet. Die Gesamtbewertung fällt positiv aus. Gemeinsam mit unseren Partnern in der ETF konnten wir Verschlechterungen für die Beschäftigten abwenden. Und manches Positive anstoßen.
Das vierte Eisenbahnpaket folgt dem neoliberalen Ansatz, dass Wettbewerb mehr Dynamik in den Eisenbahnmarkt bringt. Ein Beleg dafür fehlt bis heute. Für die EVG war aber eines entscheidend: Neuregelungen dürfen nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen. Sie haben ein Anrecht darauf, dass sich die Öffnung des Marktes nicht negativ auf ihre Arbeitsbedingungen oder ihre sozialen Umstände auswirkt.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse
Plus: Keine Trennung von Netz und Betrieb. Mit diesem Vorhaben konnte sich die EU-Kommission nicht durchsetzen. Dazu hat unter anderem die Großdemo vor dem EU-Parlament in Straßburg im Februar 2014 beigetragen. Unsere Kritik: Regelungen zur sachgerechten Verwendung staatlicher Infrastrukturmittel – ja. Aber keine Vernichtung unternehmensweiter Arbeitsmärkte bei den integrierten Unternehmen! Allein in Deutschland hätte dies mehr als ein Dutzend Unternehmen treffen können.
Plus: Kein Eingriff ins Streikrecht. Die EU-Kommission wollte „Mindestdienstleistungen“ auch bei Arbeitskämpfen vorschreiben. Dieser Plan wurde auf unseren Druck hin vom Parlament kassiert.
Plus: Kontrolle Fahr- und Ruhezeiten bei Lokführer/innen. Die Mitgliedstaaten müssen eine effektive Überwachung von Arbeits- und Ruhezeiten der Triebfahrzeugführer/innen ein-führen. Damit wird ein wichtiges Instrument geschaffen, um das Berufsbild „Triebfahrzeug-führer“ abzusichern und einer Ausweitung fragwürdiger und prekärer Beschäftigungs-verhältnisse einen Riegel vorzuschieben.
Plus: Einführung von „just culture“. Gemeint ist damit eine Unternehmenskultur, in der Beschäftigte Schwachstellen benennen können, ohne dass sie dafür Sanktionen befürchten müssen (Fairnesskultur).
Plus: Einstieg geschafft: Zertifizierung Bordpersonal. Wir wollen das Berufsbild des Zugbegleiters absichern. Denn sie sind nicht nur Aushängeschild des EVU, sie bieten den Reisenden neben Komfort auch die Sicherheit, im Falle einer Störung als kompetente Ansprechperson zur Verfügung zu stehen. Unsere Forderung war und ist daher, die Aus- und Weiterbildung des Bordpersonals zu zertifizieren und dies in einer europäischen Richtlinie zu regeln, wie es sie schon für Triebfahrzeugführer/innen gibt. In der neuen Richtlinie (2007/59 EG) wird die EU-Kommission nun dazu aufgefordert zu prüfen, in wieweit neue Gesetzgebungsakte für eine solche Zertifizierung erforderlich sind. Wir hätten uns hier eine klarere Aussage gewünscht – das Ergebnis eröffnet uns aber die Chance, das Thema im Sinn der betroffenen Beschäftigten weiter zu verfolgen.
Minus: Keine europaweite Verbesserung beim Personalübergang bei Betreiberwechsel. In Deutschland haben wir hier eine gute Regelung – durch die seit Frühjahr 2016 geltende GWB-Novelle. In vielen anderen Ländern gibt es das aber nicht. Hier hätte das Europäische Parlament zeigen können, dass es sich für die Beschäftigten einsetzt. Bei der finalen Abstimmung im Dezember fehlten nur wenige Stimmen zur Durchsetzung unserer Forderungen.
Minus: Superbehörde ERA. Die Ausstellung von Sicherheitsbescheinigungen sowie die Zulassung von Fahrzeugen müssen Aufgaben der nationalen Sicherheitsbehörden bleiben – so ist unsere Auffassung. Die Entscheidung fiel anders aus: für die Schaffung einer Superbehörde ERA. Unsere Argumente überzeugten nicht.
Insgesamt zeigt diese Übersicht: Beharrliche politische Überzeugzugsarbeit zahlt sich aus. Die Gesamtbewertung des 4. Eisenbahnpakets fällt für die Gewerkschaften, mit Einschränkungen, positiv aus. Aber die Arbeit geht weiter. Denn an vielen Punkten sind jetzt die Mitgliedsstaaten an der Reihe. Sie müssen die Richtlinien der EU in nationale Gesetzgebung überführen. Auch die Europäische Kommission hat "Hausaufgaben" aus dem 4. Eisenbahnpaket bekommen. Die EVG wird auch diese Prozesse kritisch begleiten und weiter für Verbesserungen für die Beschäftigten kämpfen.
Chronologie
2011: „Weißbuch Verkehr“ der EU-Kommission: Die Eisenbahnen in Europa sollen noch stärker als bisher um Fracht und Passagiere konkurrieren, gleichzeitig aber pünktlicher und zuverlässiger werden.
Januar 2013: Um dieses Ziel zu erreichen, legt die EU- Kommission das „4. Eisenbahnpaket“ vor, das aus insgesamt sechs Richtlinien bzw. Verordnungen besteht.
Die EVG hat das Gesetzgebungsverfahren mit vielen Aktionen begleitet:
- Postkartenaktion im Oktober 2013
- Demo in Straßburg im Februar 2014
- „Hausbesuche“ bei deutschen EU-Abgeordneten im Frühjahr 2014
- „Wir packen ein Eisenbahnpaket“ Juni 2014
- Demos in Brüssel und Straßburg vor der finalen Lesung des Pakets, Dezember 2016