Die EVG fordert von den politischen Parteien, sich für die Einführung des Deutschland-Taktes zu engagieren - was ist das genau und was wollen wir damit erreichen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Beim Deutschland-Takt wird das Zugangebot bundesweit so verknüpft, dass häufige und schnelle Verbindungen mit optimalen Umsteigemöglichkeiten entstehen. Es gibt eine Art Verbindungsraster, das sich regelmäßig – also z.B. alle 60 Minuten – wiederholt. Der Kunde weiß z.B., jede Stunde zur Minute 13 fährt ein Zug von A nach B, der dort zur Minute 42 Anschluss nach C hat. Die Knotenbahnhöfe spielen in diesem Konzept also eine tragende Rolle.
Wichtig ist, dass der Fernverkehr hierbei mit dem SPNV und dem Bus-verkehr in der Fläche verknüpft wird. Nur so entsteht ein echter „Deutschland-Takt“.
Die EVG tritt dafür ein, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Ein wichtiges Element dafür ist, dass auf der Schiene auch attraktive Angebote gemacht werden. Mit dem Deutschland-Takt können verlässliche und attraktive Reiseketten entwickelt werden.
Die Vorteile des ICE-Verkehrs z.B. werden heute oftmals verschenkt – weil es keine vernünftige Verknüpfung mit dem SPNV oder Fernverkehrzügen anderer Linien gibt. „Dass ein Reisender im ICE mehr als 200 Kilometer pro Stunde schnell fährt, hilft ihm wenig, wenn er anschließend 40 Minuten auf seinen Anschlusszug warten muss“, schreibt die Wochenzeitung „Die Zeit“. Solche Verzögerungen und Brüche in der Reisekette sollen mit dem Integralen Taktfahrplan abgebaut werden.
Es geht dabei nicht vorrangig um die „großen Linien“. Von Berlin nach Frankfurt oder von Köln nach Hamburg wird man durch den Taktverkehr nicht in jedem Fall schneller vorankommen. Aber auf vielen Strecken sind wahrscheinlich häufigere Verbindungen zwischen den Ballungsräumen möglich – alle 30, evtl. sogar mal alle 15 Minuten.
Vor allem aber haben wir Verbindungen zwischen Städten im Blick, die heute im SPFV vernachlässigt werden: Auch von Potsdam nach Paderborn oder von Trier nach Chemnitz muss es attraktive Verbindungen geben.
Die Schiene könnte so in die Lage versetzt werden, wirklich zum Rückgrat unseres Verkehrssystems zu werden.
In einigen europäischen Ländern werden sog. Integrale Taktfahrpläne bereits praktiziert. Weit gediehen ist das in der Schweiz. Die Schweizerische Bundesbahnen (SBB) haben dabei auf das so genannte Rendezvous-Konzept gesetzt. Zu jeder halben bzw. vollen Stunde kreuzen sich die Bahnen in einem Knotenbahnhof und dadurch ergeben sich optimale Umsteige-verbindungen. Auf den meisten Linien herrscht bereits ein 30-Minuten-Takt.
Den entsprechenden Weg sind auch andere europäische Länder bereits gegangen, so die Niederlande, Finnland und Österreich.
In Deutschland wird das in einigen Bundesländern im SPNV praktiziert: so mit dem Rheinland-Pfalz-Takt oder dem Drei-Löwen-Takt in Baden-Württemberg. In manchen Regionen sind auch lokale Busse integriert.
In vielen Städten sind die Nachtbus-Netze nach Rendezvous-Prinzip aufgebaut.
An einem bundesweiten Integralen Taktfahrplan müssen alle Player im Schienenverkehr mitwirken. Sie müssen bereit sein, ihre Fahrpläne aufeinander abzustimmen und miteinander zu verknüpfen. In einem weiteren Schritt wären auch ÖPNV-Unternehmen (Busse) einzubeziehen.
Vor allem aber hätte der Deutschland-Takt Konsequenzen für die Weiterentwicklung der Infrastruktur. Netz-Engpässe in den Knoten und auf bestimmten stark ausgelasteten Strecken müssen abgebaut werden. Und für den weiteren Ausbau muss ein doppelter Kulturwandel her:
Zugespitzt gesagt: Früher wurde gebaut und dann wurden auf dem so entstandenen Netz die Fahrpläne entwickelt. Künftig würde erst ein Netzfahrplan aufgestellt und dann die Infrastruktur so ausgebaut, dass dieser Fahrplan realisiert werden kann.
Grundsätzlich ist der Integrale Taktfahrplan erklärter politischer Wille der aktuellen Bundesregierung. Er steht bereits im Koalitionsvertrag vom Dezember 2013: „Die Planung der Schienenwege werden wir am Ziel eines Deutschland-Taktes mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen sowie leistungsfähigen Güterverkehrstrassen ausrichten.“
Die Bundesregierung hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Sie hat gezeigt, dass ein ITF auf dem deutschen Schienennetz betrieblich, technisch und rechtlich machbar ist. Auf dieser Basis wurde ein Simulationsmodell zur Entwicklung von aufeinander abgestimmten Fahrplänen und Betriebsprogrammen entwickelt. Daraus ist ablesbar, welche Aus- und Neubaumaßnahmen erforderlich sind.
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 zeigt bereits Ansätze eines Netzausbaus in Richtung Deutschland-Takt. Eine klare Planung in Richtung eines Integrierten Taktfahrplans gibt es aber noch nicht.
Der Deutschland-Takt erfordert eine integrierte Netzplanung und davon profitiert auch der Schienengüterverkehr. Bisher herrscht im SGV wenig Planung und viel Zufall: Trassen werden dann konstruiert, wenn die Nachfrage da ist; auf hoch ausgelasteten Strecken müssen Güterzüge ggf. Personenzügen die Vorfahrt lassen. Insbesondere letzteres schmälert die Attraktivität des SGV.
Mit einem Integralen Taktfahrplan und dem damit verbundenen Netzausbau können Trassen für einen besseren SGV geschaffen werden. Durch gezielte Infrastrukturmaßnahmen können an den richtigen Stellen Streckenabschnitte geschaffen werden, die ganz oder zeitweise für den Güterverkehr reserviert sind. Langfristig ist denkbar, dass den EVU vorkonstruierte Güterverkehrstrassen angeboten werden können. Das würde die Verlässlichkeit und Angebotsqualität des SGV deutlich erhöhen und könnte so dazu beitragen, mehr Güter auf die Schiene zu lenken.
Die EVG hat drei Kernforderungen an alle politischen Parteien aufgestellt:
Wir fordern alle Parteien auf, sich zu dem Ziel eines leistungsfähigen und attraktiven Schienenverkehrs in Deutschland zu bekennen.
Fernziel muss ein Masterplan Verkehr sein, der die Rolle der verschiedenen Verkehrsträger beschreibt. Die Schiene muss dabei das Rückgrat eines zukunftsfähigen Verkehrssystems sein. Mit dem Deutschland-Takt kämen wir diesem Ziel einen großen Schritt näher.