Für die EVG ist klar: Ohne mehr Güter auf der Schiene funktioniert die Verkehrswende nicht. Der Schienengüterverkehr (SGV) muss auch künftig ein wichtiger Baustein einer klimafreundlichen Verkehrspolitik sein. Im Rahmen eines Parlamentarischen Frühstücks nutzte die EVG die Möglichkeit, mit Fachpolitiker:innen zu diskutieren, welche Rahmenbedingungen hierfür geschaffen werden müssen.
Ein Güterzug ersetzt 52 Lkw – mit diesem beeindruckenden Vergleich zeigte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert in seinem Eingangsstatement die Bedeutung des SGV auf. Er ist nicht nur elementar wichtig für die Aufrechterhaltung der Lieferketten – allein die Stahlindustrie wickelt 50 % ihrer Zu- und Abtransporte über die Schiene ab. Auch für das Gemeinwohl – Stichwort Klimaschutz – spielt der SGV eine wichtige Rolle. Es habe bereits wirkungsvolle Maßnahmen gegeben – „aber es muss noch mehr kommen, denn die Infrastruktur altert. Dass zusätzliche 45 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 für die Schiene angekündigt sind, ist gut und richtig. Aber davon ist bisher nur die Hälfte gegenfinanziert. Wir sind gespannt auf die Vorschläge der Haushaltspolitiker:innen.“
Ein Güterzug ersetzt 52 Lkw.
Ein Schlüssel für die Zukunftsperspektive des Schienengüterverkehrs ist der Einzelwagenverkehr. Jörg Hensel, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates von DB Cargo, zeichnete ein düsteres Szenario für den Fall, dass DB Cargo sich mangels positiver Rahmenbedingungen weitgehend aus dem Einzelwagenverkehr zurückziehen würde. „Die Folge wären mehr als 40.000 zusätzliche Lkw-Fahrten am Tag bedeuten. Die deutschen Autobahnen würden damit zum größten Lkw-Parkplatz Europas werden.“
Damit, so Hensel, „verschlechtern sich unsere Chancen, die Klimaziele zu erreichen; wir belasten unsere Autobahnen, außerdem wären 10.000 Arbeitsplätze bedroht – nicht nur bei Cargo, sondern auch bei Dritt-EVU und in der Infrastruktur.“ Jörg Hensel betonte, dass er als GBR-Vorsitzender nicht nur für DB Cargo spreche. „Die Güterbahnen in Deutschland sind nicht nur Konkurrenten, sondern wir kämpfen auch gemeinsam für das System Schienengüterverkehr.“ Und für dieses ist die Digitale Automatische Kupplung (DAK) ein wichtiges Instrument, um schneller und produktiver zu werden. Allerdings koste die Einführung der DAK bis 2030 jährlich 375 Millionen Euro. „Die müssen gestemmt werden und dafür brauchen wir Unterstützung."
Die Güterbahnen in Deutschland sind nicht nur Konkurrenten, sondern wir kämpfen auch gemeinsam für das System Schienengüterverkehr.
Auch ging Jörg Hensel auf das schwebende EU-Verfahren zu den Güterverkehrsunternehmen DB Cargo und Fret SNCF ein. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob die Übernahme von Verlusten durch den jeweiligen Mutterkonzern unerlaubte staatliche Beihilfen darstellt. Wenn diese Möglichkeit unterbunden würde, „müsste DB Cargo schon binnen drei Jahren eigenwirtschaftlich arbeiten. Wer davon träumt, wird böse aufwachen.“
Die anwesenden Fachpolitiker signalisierten allesamt große Unterstützung für den Schienengüterverkehr, allerdings zeigten sich in den Statements auch unterschiedliche Perspektiven auf das Thema.
„Wer über Klimaschutz spricht, muss auch über den Schienengüterverkehr sprechen“, so Dorothee Martin von der SPD. „Wir stehen hinter der Forderung nach einer stärkeren Förderung des Einzelwagenverkehrs, aber dafür brauchen wir auch eine stärkere Unterstützung durch die EU.“ Sie sprach sich für eine europäische Allianz zur Einführung der DAK aus „ihre Einführung wird nicht gehen ohne ein europäisches Förderprogramm.“ Allerdings müsse es auch Veränderungen im DB-Konzern geben, „so brauchen wir eine Effizienzsteigerung bei DB Cargo.“ Niemand habe ein Interesse an mehr Lkw-Verkehr, aber „die Mobilitätswende geht nur mit einer starken Schiene und mit einer starken Gewerkschaft, die für gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen bei den Bahnen sorgt."
Die Mobilitätswende geht nur mit einer starken Schiene und mit einer starken Gewerkschaft, die für gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen bei den Bahnen sorgt.
„Wir haben Konsens in der Sache, aber wir streiten darum, wie wir den Weg zum Ziel beschreiten“, so Michael Donth, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Als Opposition sind wir nicht zufrieden, wie es vorangeht.“ Es gebe beim SGV allerdings auch eine schwierige Gemengelage: „Es ist ein europäisches Thema, hat aber nicht in allen EU-Mitgliedsstaaten einen hohen Stellenwert.“ Auch sei der Stellenwert in der Bevölkerung zwiespältig. „91 % der Deutschen sind für den Ausbau der Schiene, aber wenn eine neue Strecke gebaut werden soll, trifft man nur die anderen 9 % an.“ Donth forderte die zügige Umsetzung des Deutschlandtaktes, „um auch gesicherte Trassen für den Güterverkehr zu schaffen.“
Es ist ein europäisches Thema, hat aber nicht in allen EU-Mitgliedsstaaten einen hohen Stellenwert.
Matthias Gastel, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, ging auf das Problem der letzten Meile ein. Es gebe zu wenige Gleisanschlüsse und zu wenige Umschlagbahnhöfe des Kombinierten Verkehrs (KV-Terminals). „Wenn die Ladung schon mal auf dem Lkw ist und der Transportweg beträgt vielleicht nur 300 km, dann bleibt die Ware auch auf dem Lkw und wird nicht auf die Schiene verlagert.“ Er forderte „kleine und mittlere Maßnahmen“, um die Netzkapazität zu erhöhen, aber auch den Neubau von Strecken. „Man muss das Netz als Ganzes in den Blick nehmen.“
Man muss hier eine gesamtgesellschaftliche Rechnung aufmachen und dazu gehören auch die Klimaschutzaspekte der Verkehrsträger.
Einen anderen Akzent betonte Bernd Riexinger (DIE LINKE). „Wir unterstützen eure Forderungen, aber wir werden einen heftigen Streit ums Geld bekommen. Es gibt Investitionsbedarf nicht nur im Verkehrsbereich, sondern auch bei der Bildung und in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Darin spiegeln sich 30 Jahre neoliberale Verwüstung wider. Gleichzeitig weigert sich der Bundesfinanzminister, Reiche mehr zu besteuern.“ Die Schiene könne nur konkurrenzfähig gemacht werden, wenn der LKW-Verkehr nicht weiter subventioniert werde. „Man muss hier eine gesamtgesellschaftliche Rechnung aufmachen und dazu gehören auch die Klimaschutzaspekte der Verkehrsträger.“ Im Kampf gegen den Klimawandel habe die Schiene „eine privilegierte Rolle. Und dann muss man auch nicht zu bescheiden sein mit seinen Forderungen.“