In Fulda hat die Bundeskonferenz 2023 der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft begonnen. Daran nahmen rund 150 Kolleginnen und Kollegen teil. Sie steht in diesem Jahr unter dem Motto „Respekt und Wertschätzung für Beschäftigte".
„Gemeinsam wollen wir uns auf die vielfältigen Herausforderungen fokussieren und Lösungen finden. Und: uns solidarisch für die Rechte und den Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen einsetzen“, gab der EVG-Vorsitzende Martin Burkert die Richtung vor.
Ein wichtiger Aspekt: die zunehmende Aggressivität gegenüber Beschäftigten im Kundenkontakt. „Es beunruhigt mich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen im Nah- und Fernverkehr sowie in den Bussen zunehmend Beleidigungen, Drohungen und sogar: Gewalt ausgesetzt sind. Das müssen wir gemeinsam stoppen: Schluss mit der Gewalt gegenüber den Menschen, die einen Dienst für unsere Gesellschaft leisten!“ Passgenau zum Beginn der Bundeskonferenz wurde daher auch die neue Kampagne des BMDV und des Deutschen Verkehrssicherheitsrates „Bringen wir mehr Achtung auf die Straße und die Schiene“ gestartet.
Wir haben hier eine politisch-gesellschaftliche Verantwortung. Arbeit darf nicht mit Angst verbunden sein.
In einer digitalen Grußbotschaft erinnerte Bundesverkehrsminister Volker Wissing an Gespräche, die er auf dem EVG-Gewerkschaftstag geführt hat, „Gespräche, die mich bis heute nicht loslassen. Sie haben mir gezeigt, wie engagiert und leidenschaftlich Sie tagtäglich das hochkomplexe System Eisenbahn am Laufen halten.“ In den Gesprächen über das 9-Euro-Ticket sei ihm auch deutlich geworden, „wie erschöpft und frustriert Sie am Ende manchen Tages gewesen sind.“ Es sei ihm ein Anliegen, „meinen Respekt und meine Wertschätzung und meinen Dank ausdrücken.“ Mit der gemeinsamen Kampagne, an der insgesamt rund 60 Partner beteiligt sind, „werden wir bundesweit für ein rücksichtsvolles Miteinander werben.“ Dafür werde die aus dem Straßenverkehr stammende Kampagne nun angepasst. „Wir haben hier eine politisch-gesellschaftliche Verantwortung. Arbeit darf nicht mit Angst verbunden sein."
Wie verhält sich nun aber die neue Kampagne zu den bereits bestehenden, die die EVG zum Thema Sicherheit führt? Das wurde in einer anschließenden Podiumsdiskussion eingeordnet. „Es sind vier Kampagnen, aber es sind vier unterschiedliche Blickwinkel“, so der Stellvertretende EVG-Vorsitzende Kristian Loroch. „Sicher unterwegs“ betreibt die EVG bereits seit 2008. „Das ist unsere Grundlast zu diesem Thema. Wir haben hier konkrete Forderungen an Arbeitgeber und Politik.“
Wer unsere Beschäftigten angreift, greift uns alle an.
Die Kampagne habe auch zwei Gewerkschaften, TRANSNET und Verkehrsgewerkschaft GDBA zusammengeführt. „Und wir machen das laufend, während andere Gewerkschaften dieses Thema nur hin und wieder für sich entdecken.“ In gleicher Art setzt sich der DGB für Beschäftigte aller Branchen ein, „denn das, was unsere Kolleginnen und Kollegen erleben, erleben andere auch.“ Mit der Kampagne „Mehr Achtung“ „schaffen wir noch einmal eine wesentlich breitere Öffentlichkeit.“ Ziel sei aber, zu erreichen, dass wie in anderen Ländern die Arbeitgeber auch in den Zügen und Bahnhöfen plakatieren „Wer unsere Beschäftigten angreift, greift uns alle an."
Weiter unterstützt die EVG die Kampagne unseres europäischen Dachverbandes ETF „Get me home safely“. Hier geht es um den sicheren Weg von der Arbeit und nach Hause. „Die Arbeitgeber brauchen Frauen als Mitarbeiterinnen, und dann müssen sie auch die Arbeitsbedingungen anpassen“, so EVG-Bundesfrauenleiterin Nadja Houy. Frauen müssten dann auch sicher abends nach Hause kommen, „die Fürsorgepflicht endet nicht, wenn der Dienst endet.“
Zugbegleiterin Daniele Kebschull steuerte den Blick aus der Praxis bei. Sie ist selbst zweimal in Vorfälle mit aggressiven Kunden verwickelt worden „und ich kann nur appellieren, jeden dieser Vorfälle zu melden. Nur so kann sich etwas ändern. Mir hat damals niemand geholfen.“ Sie arbeite seit 2000 als ZuB „damals hat man noch Respekt gehabt, aber in Konfliktsituationen haben aber die Kunden immer Recht bekommen und so ist auch der Respekt abhandengekommen."
„Respekt und Achtung“, das hat aber auch noch mehr Aspekte. „Wachsender Rechtsextremismus und der Anstieg rechtsextremer Straftaten ist die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland – und in Europa“, so der EVG-Vorsitzende Martin Burkert. „Das sehen wir aktuell leider auch im wiedererwachten Antisemitismus. Das ist beschämend!“ Gemeinsam mit dem DGB verurteile die EVG „aufs Schärfste die heimtückischen Angriffe der Hamas, die Ermordung und Entführung friedlicher Bürgerinnen und Bürgern. Von Kindern! Wir stehen mit dem DGB an der Seite Israels.“ Dies gelte für „jede Form von Terrorismus! Und das gilt auch weiterhin für den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter begegnen Hass, Gewalt und Respektlosigkeit mit unserer aufrechten Haltung. Mit Zusammenhalt und Gemeinschaft."
Wachsender Rechtsextremismus und der Anstieg rechtsextremer Straftaten ist die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland – und in Europa.
Und „Respekt gegenüber Beschäftigten“ hat ein weiteres Gesicht, wie der EVG-Vorsitzende beim Thema DB Cargo aufzeigte. „Der geplante Abbau von 1.800 Stellen bei DB Cargo im Bereich Kombinierter Verkehr beunruhigt uns zutiefst. Wie kann es sein, dass die Beschäftigten nun ihre Arbeitsplätze verlieren sollen, obwohl der Vorstand jahrelang planlos und schlecht gewirtschaftet hat?“ Respekt gegenüber den Mitarbeitenden „sieht anders aus“, so Burkert. „Wir werden uns vehement dafür einsetzen, dass die Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen gewahrt bleiben.“ Personal sei kein Kostenfaktor, „das sind Menschen! Und: Bahn ohne Menschen, das funktioniert nicht!"
In den folgenden zwei Tagen wird sich die Bundeskonferenz u.a. mit Themen wie Alltagsrassismus und Altersdiskriminierung befassen. Am zweiten Konferenztag wird auch ein gemeinsames Forderungspapier mit der GdP zum Thema Sicherheit vorgestellt.