Das Ringen um die Zukunft von DB Cargo hat auch das EU-Parlament erreicht. Auf Einladung des EU-Parlamentariers René Repasi (SPD) haben Gewerkschafter, Vertreter von Unternehmen und EU-Politiker in Brüssel über die Zukunft des Schienengüterverkehrs diskutiert.
Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von DB Cargo, Jörg Hensel, legte die Schieflage des Unternehmens und des Schienengüterverkehrs insgesamt aus Sicht der Beschäftigten dar. „Die Ertragssituation nicht nur von DB Cargo, sondern von allen Güterbahnen in Europa sind schlecht. Und der Hauptgrund dafür ist, dass Innovationen verschlafen worden sind.“ Die digitale automatische Mittelpufferkupplung sei die erste Innovation im SGV überhaupt, „und gefordert worden ist sie von meiner Gewerkschaft, der EVG, und der ETF.“ Der Missstand werde umso deutlicher im Vergleich zum Straßengüterverkehr. „Hier wird investiert, um die Achslasten zu erhöhen und elektrische Oberleitungen zu verlegen. Aber die volkswirtschaftlichen Schäden werden dem Lkw nicht angelastet.“ Hensel forderte, Verkehrspolitik ganzheitlich zu betrachten und sie mit Wirtschafts- und Umweltpolitik zusammenzudenken.
Aus französischer Sicht ging Hervé Pineaud von der Gewerkschaft CGT auf die aktuelle Situation in unserem Nachbarland ein. Hier läuft aktuell ein Beihilfeverfahren der EU gegen die Güterverkehrssparte der französischen Staatsbahn, SNCF-Fret. „Ja, es sind 7 Milliarden Euro an Beihilfen geflossen. Aber dadurch konnte ein Modal Shift erreicht werden, der an externen Kosten des Lkw-Verkehrs 15 Milliarden Euro gespart hat. Auch das muss mit einberechnet werden.“ Es sei ein „Todesurteil“, wenn die SNCF Fret jetzt gezwungen werde, Verkehre abzugeben. „Unsere Vision ist: Der Schienengüterverkehr ist eine Leistung der Daseinsvorsorge und darf nicht dem Wettbewerb überlassen werden.“
Auch Livia Spera, Generalsekretärin der ETF, forderte ein Ende des Wettbewerbs-Dogmas. „Sich alleine auf den Markt zu verlassen, wird nicht funktionieren.“ Die Schiene, so Livia, „ist der umweltfreundlichste Verkehrsträger. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir Investitionen und strukturelle Veränderungen. Und wir müssen aufhören, kaputtzumachen, was funktioniert.“
Unsere Vision ist: Der Schienengüterverkehr ist eine Leistung der Daseinsvorsorge und darf nicht dem Wettbewerb überlassen werden.
Unterstützung bekamen die Gewerkschafter:innen aus Kundensicht. Nadine Artelt, die Vorstandsvorsitzende von Saarstahl, und Stephan Ahr, KBR-Vorsitzender des Unternehmens, wiesen auf die immense Bedeutung funktionierender Lieferketten hin. „Wir arbeiten just in time, bei der Zulieferung und auch beim Transport unserer Produkte. Wenn da etwas ins Stocken gerät, ist unsere Produktion gefährdet. Wir brauchen einen verlässlichen Ansprechpartner.“ Stephan Ahr unterstrich auch: „Die Kolleg:innen von DB Cargo können sich voll und ganz auf unsere Solidarität verlassen.“
Die volkswirtschaftlichen Schäden werden dem Lkw nicht angelastet.
Auch Conny Schönhardt von der IG Metall untermauerte, dass „eine Antriebswende nicht ausreicht, wir brauchen die Mobilitätswende.“ Bei der Zu- und Ablieferung hochmoderner Autowerke werde viel zu früh auf die Straße umgeladen, weil die Investitionen in die Gleisanbindung nicht ausreichen.
Für das EU-Parlament kritisierte der SPD-Abgeordneten Thomas Rudner die Entscheidung zur weiteren Freigabe von Gigalinern. „Der Güterverkehr auf der Straße wird so erleichtert und gleichzeitig steigen die Trassengebühren auf der Schiene. Das kann ich überhaupt nicht verstehen.“ Hier müsse dringend nachgesteuert werden.
Die Vision zeigte abschließend Jörg Hensel auf: Die Güterbahnen in Europa müssen mehr zusammenarbeiten, statt in Konkurrenz zueinander zu treten. Aber nicht nur sie: „Schiene und Lkw sind Konkurrenten, ja. Aber ich erwarte auch eine Verkehrspolitik, die beide Verkehrsträger vernetzt und endlich gemeinsam entwickelt.“