Das Chaos bei der Deutschen Bahn wird immer größer, die Unsicherheit und Unzufriedenheit der Mitarbeitenden nimmt zu. Um ein Umzulenken im Konzern einzuleiten, müssen dringend die Weichen neu gestellt werden. Wir fassen die aktuelle Situation zusammen.
Diese Ankündigung hat aus Sicht der EVG zu Verunsicherung bei den Konzernbeschäftigten geführt. „Die Kommunikation des Vorstands stimmt nicht,“ betont der EVG-Vorsitzende Martin Burkert. „Im operativen Bereich darf es keinen Stellenabbau geben, da muss es einen Ausbau geben." Es sei noch völlig unklar, was mit dem Fachkräftemangel auf die Bahn zukomme. „Dieser wird die Schienenbranche voll treffen." Was nicht passieren dürfe, sei, dass irgendwo am Kunden gespart werde oder an der Sicherheit.
Im operativen Bereich darf es keinen Stellenabbau geben, da muss es einen Ausbau geben.
Die EVG zweifelt auch am Vorgehen des Managements. „Wer mehr Verkehr auf der Schiene will, der braucht erst mal mehr Personal", sagt Karsten Ulrichs, Vorsitzender der EVG-Fachgruppe Lokfahrdienst. „Wir können nur so viele Züge fahren, wie Personal vorhanden ist und nicht umgekehrt." Die Lokführer in der EVG seien sauer über diesen Zustand: „Nichts funktioniert mehr, die Belastungen der Belegschaft werden immer höher und das Ansehen auf das Berufsbild nimmt Tag für Tag weiter ab.“
Wir können nur so viele Züge fahren, wie Personal vorhanden ist und nicht umgekehrt.
Wegen veralteter Technik und maroder Trassen ist ein geordneter Ablauf des Zugverkehrs in Deutschland kaum noch möglich. Allein in diesem Jahr gibt es mehr als zwei Millionen Änderungen in den Fahrplänen.
„Fahrpläne werden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt“, sagt ein Mitglied des Aufsichtsrats. Das sei ein „Riesenproblem“ und führe zu einem „Kontrollverlust“ bei den Fahrplänen. Die Sicherheit des Zugverkehrs sei dadurch zwar nicht beeinträchtigt, die Folgen seien dennoch „katastrophal“.
Der Vorstandschef der DB InfraGo, Philipp Nagl, beschönigt nichts: „Deutschland hat heute die älteste Stellwerkslandschaft in Westeuropa. In den vergangenen Jahrzehnten wurde zu wenig erneuert, zu wenig in die Sanierung gesteckt.“ Nagl stammt aus Österreich und hat lange bei der dortigen Bahn gearbeitet.
Die Bundesregierung entwickelt sich zur Bremse bei der Verkehrswende: Weil sie beim Haushalt erneut trickst, müssen sich Bahnunternehmen auf drastisch höhere Kosten einstellen. Das könnte einerseits dazu führen, dass einige Fernverkehrsverbindungen und Güterzüge nicht mehr wirtschaftlich sind und gestrichen werden müssen. Andererseits könnten die Preise für die Kund:innen im Fern- und Güterverkehr drastisch steigen.
Um was geht es? Ursprünglich geplante Milliarden-Zuschüsse für die Sanierung des maroden Schienennetzes sollen jetzt in Eigenkapital für die Deutsche Bahn umgewandelt werden, weil dieses nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden muss. Der Haken: Die Bahn muss Zinsen für das Eigenkapital erwirtschaften und muss diese Kosten an die Nutzer:innen des Schienennetzes weitergeben.
Anders ausgedrückt: Die Ampel mogelt sich um die nötigen Zuschüsse herum und die Bahnkund:innen zahlen für die Löcher im Bundeshaushalt. Das ist ein Unding. Die Bahn braucht eine stabile und verlässliche Finanzierung sowie notwendige Investitionen in die Sanierung der Schiene. Wir fordern außerdem, dass der Bundestag die Trassenpreisförderung im Haushalt 2025 deutlich anhebt, damit die Verkehrswende nicht abgewürgt wird.
Gut einen Monat nach dem Start des Großprojekts Riedbahn soll Bilanz gezogen werden. Bei den nächsten Sperrungen viel befahrener Strecken könnte es Chaos geben, warnt die EVG, vor allem beim Schienenersatzverkehr mit Bussen. Während bei der Riedbahn 170 fabrikneue Luxus-Nahverkehrsbusse von der Bahntochter DB Regio gekauft und 400 neue Fahrer engagiert wurden, kommt die Bahn beim SEV Berlin - Hamburg nicht zum Zug. Stattdessen gab die zuständige Bahntochter DB InfraGO einer Bietergemeinschaft mittelständischer Busunternehmen den Zuschlag.
Es ist fraglich, ob Wettbewerber einen Ersatzverkehr in dieser Größenordnung überhaupt leisten könnten.
„Es ist fraglich, ob Wettbewerber einen Ersatzverkehr in dieser Größenordnung überhaupt leisten können", sagt Ralf Damde, EVG-Gesamtbetriebsrat bei der DB Regio. Ihnen fehle es unter anderem an Erfahrung und dem entsprechenden Fahrzeugmaterial. Damde ist auch Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bahn.
„Eventuelle Schwierigkeiten und Ausfälle müssen vor allem die Pendlerinnen und Pendler ausbaden, die morgens pünktlich zur Arbeit kommen wollen“, warnt Damde, „die werden wieder einmal in den Wind gestellt."
„Bei der Riedbahn soll alles glattlaufen“, sagt Ralf Damde. An dem Pilotprojekt hänge „die Zukunft des Ministers und des Bahnvorstands“. Damde kritisiert, dass dem Bahnkonzern ein reibungsloser Ersatzverkehr zwischen Berlin und Hamburg offenbar weniger wichtig ist.
Der Betriebsrat versteht nicht, warum die zuständige InfraGo die Ersatzverkehre mit Bussen für die Generalsanierung im kommenden Jahr überhaupt hat ausschreiben müssen, „statt eine interne Vergabe vorzuziehen,“ wie bei der Riedbahn.
In diesem Punkt erwarte er eine Klärung durch den Konzern und den Aufsichtsrat. Auch in Richtung der Beschäftigten sei das ein fatales Signal. Die Meldung über den verpassten Zuschlag für den SEV falle in eine Zeit, in der die Verunsicherung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohnehin groß sei, betont Damde.