Der schrille Lärm, den die wütenden EVG-Mitglieder mit ihren Trillerpfeifen machten, war bis ins gegenüberliegende Hotel zu hören. Dort tagen am Mittwoch und Donnerstag die Verkehrsminister:innen der Länder. Diese hatten es sich zum Ziel gesetzt, die Zerschlagung der Deutschen Bahn zu fordern.
„Kümmern Sie sich lieber um Aufgaben, die in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegen“, rief ihnen der EVG-Vorsitzende Martin Burkert zu. Wichtig seien bundesweit einheitliche, repräsentative Tarifverträge mit verpflichtenden Ausbildungsquoten. Und mehr Anstrengungen bei der Sicherheit. „Die Zahl der Übergriffe steigt. 40 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen werden mindestens einmal im Jahr Opfer von Gewalt. Dabei werden 70 Prozent der Übergriffe gar nicht gemeldet. Wir fordern Sicherheitspersonal in jeder Ausschreibung, Doppel-Besetzung bei den Regionalbahnen und mehr Video-Überwachung in Bussen, Zügen und auf Bahnhöfen.“ Das seien nur einige der dringendsten Aufgaben, die in den Ländern gelöst werden müssten. Die Forderung nach einer Zerschlagung der Bahn gehöre sicher nicht dazu und löse auch die aktuellen Probleme nicht.
Wir kommen wieder und werden unseren Protest durch ganz Deutschland tragen.
Der EVG-Vorsitzende kündigte in diesem Zusammenhang entschiedenen Widerstand gegen Pläne an, Netz und Betrieb trennen zu wollen. „Duisburg war erst der Anfang. Wir kommen wieder und werden unseren Protest durch ganz Deutschland tragen."
Auch Neithard von Böhlen, Vorsitzender des nordrhein-westfälischen EVG-Landesverbandes, verwahrte sich in seiner Begrüßung gegen „neunmal kluge Ratschläge“ von Menschen, die glaubten, eine Zerschlagung der DB AG könne die aktuellen Probleme lösen. „Die Züge sind rappelvoll, aber die Infrastruktur ist marode. Das System Schiene braucht endlich das Geld, das ihr über Jahrzehnte vorenthalten wurde. Nur dann könne der Verkehrsträger Bahn an Attraktivität gewinnen. „Alles kaputtzuschlagen, hilft überhaupt nicht.“
Der mobifair-Vorsitzende Dirk Schlömer kritisierte, dass zwar ständig gefordert werde, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, tatsächlich aber nur wenig zur Erreichung dieses wichtigen Ziels getan werde. „Mit dem politisch geforderten Mehr an Wettbewerb ist das nicht zu schaffen. Da geht es nur darum, den billigsten Anbieter zu beauftragen. Qualität und die Kompetenz der Beschäftigten spielen dabei überhaupt keine Rolle.“
Die Sicherung von Arbeitsplätzen bei Bus und Bahn ist aktiver Klimaschutz.
Linda Kastrup machte für die Bewegung „fridays for future“ deutlich, dass „die Sicherung von Arbeitsplätzen bei Bus und Bahn aktiver Klimaschutz ist“. Ohne eine starke Schiene sei die Verkehrswende nicht möglich. Sie sprach sich in diesem Zusammenhang auch gegen weitere Liberalisierungsbestrebungen aus. „Für den Wettbewerb sind nur die lukrativen Strecken interessant, auf dem Lande finde Mobilität dann nicht mehr statt. Mit der viel beschworenen Verkehrswende hat das nichts mehr zu tun.“
Anke Unger stellte als Vertreterin des nordrhein-westfälischen DGB den Gedanken der Solidarität in den Mittelpunkt ihrer Rede. Und betonte, dass es sich lohnt zu kämpfen. Sie erinnerte an den Protest der Stahlwerker, die während der Stahlkrise über Wochen und Monate für ihre Ziele gekämpft hätten. „Begonnen hat der legendäre Arbeitskampf auf kleiner Flamme, die sich schnell zu einem großen Feuer entwickelt habe, weil viele zusammengestanden hätten“, so Unger. „Der DGB ist an eurer Seite.“
Daran knüpfte Kay Gottschall an, Betriebsratsvorsitzender im örtlichen Kundenservicezentrum von DB Cargo. „Eines ist doch klar“, rief er den begeisterten EVG-Mitgliedern zu, die trotz einsetzendem Regen an ihrem Protest festhielten: „Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm das will. Und genau das wird passieren, wenn die nicht endlich die Finger vom Konzern lassen“.
„Wir Eisenbahner sind es, die dieses Land bewegen. Und als größte Eisenbahngewerkschaft Europas werden wir unsere Macht einzusetzen wissen.“ Die Eisenbahn sei die Zukunft. Dafür müsse das System Schiene aber gestärkt und nicht kaputtgemacht werden, so Gottschall.
Als größte Eisenbahngewerkschaft Europas werden wir unsere Macht einzusetzen wissen.
Dass die Eisenbahn gestärkt werden müsse, forderte auch Leonora Ahmetaj, stellvertretende Vorsitzende der EVG-Landesjugendleitung. Sie erklärte mit eindringlichen Worten, dass viele Auszubildende bei der Bahn mittlerweile von Zukunftsängsten geplagt werden. Immer öfter würde die Frage gestellt, wie es nach der Ausbildung weitergehe und ob die Arbeitsplätze noch sicher seien. „Die unsägliche Debatte um eine Zerschlagung der Bahn trägt nicht zu Beruhigung bei.“ Es müsse nicht nur in die Schiene, es müsse vor allem in die Zukunft der jungen Kolleginnen und Kollegen investiert werden, forderte sie.
Moritz Zergiebel, Leiter der örtlichen EVG-Geschäftsstelle, bedankte sich zum Schluss für die aktive Teilnahme. Dass an einem Werktag so viele EVG-Mitglieder aus ganz Deutschland nach Duisburg gekommen seien, mache die Brisanz der Zerschlagungsdebatte deutlich.
Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert hatte zuvor angekündigt, diesbezüglich eine Kampagne starten zu wollen. „Im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl werden wir unser Nein zur Trennung von Netz und Betrieb in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder lautstark deutlich machen“, erklärte er. „Heute ist erst der Anfang. Zieht Euch warm an“, rief er den in unmittelbarer Nähe tagenden Länderverkehrsminister:innen unter langanhaltendem Applaus der Kundgebungsteilnehmenden zu. Der Druck seitens der EVG werde steigen.