Am Ende fiel allen Beteiligten ein ziemlich großer Stein vom Herzen. Mit Bravour und technischer Unterstützung hat die Bundeskonferenz der Seniorinnen und Senioren auch den zweiten Tag bewältigt und die ersten Pflöcke für die neue Legislaturperiode eingeschlagen.
„Die beschlossenen Anträge sind Arbeitsaufträge für die Bundesseniorenleitung in den kommenden fünf Jahren“, bilanzierte die wiedergewählte BuSL-Vorsitzende Anne Pawlitz. „Wir werden das gemeinsam mit den im Berufsleben stehenden Kolleginnen und Kollegen tun. Denn wir leben Gemeinschaft und ich freue mich auf die nächste fünf Jahre.“
Mit großen Mehrheiten haben die knapp 60 Delegierten insgesamt sechs Anträge an den Gewerkschaftstag verabschiedet:
Aber auch (gewerkschafts-) politischen Input gab es am zweiten Konferenztag. So blickte Vorstandsmitglied Cosima Ingenschay auf ein erfolgreiches Jahr 2021 zurück: erfolgreich zum einen, weil mit 14.909 Neueintritten ein neuer Rekord erzielt wurde. Die EVG insgesamt, alles Landesverbände und viele Betriebsgruppen sind in absoluten Zahlen gewachsen. „Wir haben Betriebsgruppen, in denen jedes dritte Mitglied neu ist, zum Teil auch neu bei der Bahn. Wir müssen jetzt auf diese Kolleginnen und Kollegen zugehen und sehen, wie wir sie einbinden.“
Erfolgreich war 2021 aber auch, weil wir, den Beschränkungen durch die Pandemie zum Trotz, auf 125 Jahre Eisenbahnergewerkschaft zurückgeblickt und dieses stolze Jubiläum auch angemessen begangen haben. „Es hat in diesen 125 Jahren viele Menschen gegeben, die mitgewirkt haben, die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Eine Lehre aus der Geschichte ist: Erfolg haben wir immer dann, wenn wir zusammenstehen.“ Deswegen, so Cosima, sei nicht nur spalterischen Tendenzen innerhalb der Eisenbahnerfamilie eine klare Absage zu erteilen. „Wir sehen die Gewerkschaft auch als einen Ort des Dialogs zwischen denen, die neu dabei sind und denen, die in ihrem Berufsleben schon viel für die Mobilität getan haben. Wir sind stolz darauf, dass fast 70.000 Seniorinnen und Senioren Teil unserer Gemeinschaft sind.“
Eine Lehre aus der Geschichte ist: Erfolg haben wir immer dann, wenn wir zusammenstehen.
Vorstandsmitglied Kristian Loroch warf einen Blick auf die anstehenden Herausforderungen, und hier vor allem auf die nächste Tarifrunde. Sie wird in mehrfacher Hinsicht herausfordernd, so Kristian. So wird es angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten zum einen um eine spürbare Erhöhung der Entgelte gehen, aber auch um die Entgeltstruktur insgesamt im DB-Konzern. „Viele von euch haben 2008 das bestehende Entgeltsystem mitgestaltet. Es ist kein schlechtes System, aber es ist in die Jahre gekommen. Und wir gehen damit um wie mit einem Fahrzeug, das in die Jahre gekommen ist: wir zerlegen es in seine Einzelteile, gucken was noch funktioniert und was evtl. erneuert oder ausgetauscht werden muss.“
Wir wollen auch aus der Vergangenheit lernen und sind deshalb dankbar für alle Hinweise, die ihr uns geben könnt.
Dritte große Herausforderung im kommenden Jahr sei, dass wir für die ganze Branche verhandeln. „In dieser Art hat es das bisher noch nicht gegeben“, so Kristian. Hier hoffe er auf die Unterstützung auch der Seniorinnen und Senioren. „Wir wollen auch aus der Vergangenheit lernen und sind deshalb dankbar für alle Hinweise, die ihr uns geben könnt.“ Unterstützung sei aber möglicherweise auch in anderer Form notwendig. „Wir sind die einzige Gewerkschaft, die die gesamte Mobilität in Deutschland zum Stehen bringen kann und auch wenn wir mit diesem Mittel verantwortungsvoll umgehen, kann es sein, dass wir 2023 diesen Weg gehen müssen.“
Die Senior:innen schreiten voran: Sie haben am Dienstag den Reigen der Bundeskonferenzen der EVG-Personengruppen eröffnet. Die Bundeskonferenzen markieren den Abschluss der Organwahlen und sind zugleich ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu unserem Gewerkschaftstag im Oktober. Bereits am Vormittag wurde Annegret Pawlitz für weitere fünf Jahre als Vorsitzende der Bundesseniorenleitung wiedergewählt.
Auch dies ist eine Konferenz im Zeichen der Pandemie – und zugleich für alle Beteiligten eine neue und spannende Erfahrung: Die Besprechungsräume in der Berliner EVG-Zentrale sind wie ein Fernsehstudio ausgestattet. Hier sitzt das Tagungspräsidium, hier sprechen die politischen Redner:innen. Rund 60 Delegierte sind mit einem persönlichen Zugangscode aus ganz Deutschland zugeschaltet und erleben die Konferenz am heimischen PC oder Laptop mit. Seit ziemlich genau zwei Jahren, darauf weist Anne Pawlitz hin, sind es die Seniorinnen und Senioren in der EVG inzwischen gewohnt, online miteinander zu diskutieren. Diese Erfahrung zahlt sich jetzt aus - bei der ersten virtuell durchgeführten Bundesseniorenkonferenz der EVG.
Das ist nun freilich nicht die einzige Besonderheit der Senior:innen-Arbeit in der EVG. Die vielen anderen würdigt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel in ihrem Grußwort, das sie live in der Reinhardtstraße an die Konferenzteilnehmenden richtet. „Für den Dachverband ist es nicht immer einfach, die verschiedenen Standpunkte der Mitgliedsgewerkschaften miteinander zu vereinen. Mit eurer tatkräftigen Mitarbeit, eurer Ausdauer und Kompromissbereitschaft haben wir in den vergangenen Jahren viele gute Positionen entwickeln können.“ Auch für den nächsten, im Mai anstehenden Bundeskongress des DGB hat die EVG einen Antrag eingebracht. Mit ihm sind allerdings keine Strukturänderungen bezweckt – wir wollen vielmehr erreichen, dass Senior:innen-Arbeit als Querschnittaufgabe der Gewerkschaftspolitik verankert wird. Die Antragsberatungskommission hat den Antrag ohne Änderungen zur Annahme empfohlen.
Wir wollen Mitwirkung der Seniorinnen und Senioren auf allen Ebenen.
„Unser gemeinsames Anliegen“, so Anja Piel, „muss sein, mit unseren Seniorinnen und Senioren so anständig und respektvoll umzugehen, dass es für sie selbstverständlich ist, lebenslang Mitglied unserer Gemeinschaft zu sein und ihre Erfahrungen und ihr Wissen einzubringen“. Wichtig sei aber auch, nach außen hin politisch Flagge zu zeigen. Teilhabe und Mitgestaltung müssten auf allen Ebenen, in den Kommunen, in den Ländern und im Bund gesetzlich abgesichert werden. „Wir wollen Mitwirkung der Seniorinnen und Senioren auf allen Ebenen.“ Das Zusammenwirken der Generationen, so Anja, „ist etwas, was uns Menschen ausmacht und was die Gesellschaft insgesamt besser macht.“
Auch der stellvertretende EVG-Vorsitzende Martin Burkert würdigt in seiner Rede das Engagement der Seniorinnen und Senioren in der EVG und unterstreicht die Forderung der DGB-Gewerkschaften nach mehr politischer Teilhabe der älteren Generation. „Auf allen Ebenen werden politische Entscheidungen getroffen, die Bedeutung für ältere Menschen haben. Deswegen fordern wir hier auch ein Mitspracherecht, das auf einer konkreten gesetzlichen Basis fußen muss.“ Insbesondere setzen sich die EVG-Senior:innen für einen „Digitalpakt Alter“ ein. „Dieser Aspekt fehlt uns im Koalitionsvertrag.“ Zum Digitalpakt gehört u.a. Internetzugang für alle, kommunale Unterstützung beim Erwerb digitaler Kompetenzen – und regelmäßige Ratgebersendungen im Free-TV. „Mit dem Projekt Digitale Teilhabe hat die EVG-Bundesseniorenleitung bereits ein klares Signal gesendet.“
Ebenfalls ging Martin auf ein Thema ein, das derzeit vielen Menschen auf den Nägeln brennt: die steigenden Energiepreise. Diese könnten insbesondere für viele ältere Menschen mit geringen Einkommen zur Bedrohung werden. Der DGB habe gerade am vergangenen Wochenende ein umfangreiches Forderungspapier hierzu verabschiedet. So soll die Stromsteuer auf das europarechtlich vorgesehene Minimum abgesenkt, die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas abgesenkt, Endverbraucherpreise bei Energie gedeckelt, die Leistungen der Grundsicherung erhöht werden. “Wir sehen die Bundesregierung in der Verantwortung, die Energieversorgung als Teil unserer Daseinsvorsorge sicherzustellen.“
Elementarer Bestandteil der Bundeskonferenzen ist auch stets der sog. Geschäftsbericht, also der Bericht der Bundesseniorenleitung (BuSL) über die Aktivitäten der vergangenen fünf Jahre. Und auch für diesen Programmpunkt hat sich die BuSL eine besondere Form ausgedacht. Kolleginnen und Kollegen aus der BuSL haben in filmischen Statements zu bestimmten Themen die vergangenen Jahre Revue passieren lassen. So wartet der Geschäftsbericht der Senior:innen nicht nur mit Kurzweil und Informationen, sondern auch mit manchem persönlichem Zungenschlag auf.
Der erste Konferenztag endet mit der Wahl der Senioren-Vertreter:innen im EVG-Bundesvorstand (BuVo). Folgende Kolleginnen und Kollegen werden die Senior:innen in den kommenden fünf Jahren im politischen Spitzengremium der EVG vertreten (in Klammern die jeweiligen Stellvertreter:innen):
Hier kann der Geschäftsbericht 2022 der EVG-Senioren als E-Paper heruntergeladen werden. Zum E-Paper
Eine besondere Überraschung hatte sich die Bundesseniorenleitung für den Schluss der Konferenz aufgehoben: die Künstlerin Silvana Köse hatte Bilder aus der Geschichte der EVG und ihrer Quellgewerkschaften in Sand nachgebildet und diese zu einem kleinen Video verbunden. Gänsehaut pur - da waren sich die Teilnehmende einig: und ein schöner Schlusspunkt einer besonderen Konferenz.